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Stoppen Sie die Werbefuzzis

 
     
 
Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) wollte einmal Weltläufigkeit demonstrieren. Auf dem Kopf offizieller Briefe der Mainstadt und auf den Poststempeln der Kommune soll künftig das Motto "The City of the Euro" stehen. Auch auf Frankfurts Straßenschildern wird möglicherweise künftig dieser Spruch stehen.

Ein Witz? Keineswegs. Es war der Vorstandsvorsitzende
der Deutschen Bank, der einem eingetragenen Verein vorsteht, welcher den Bürgern Frankfurts den Euro näherbringen soll und die Stadt selbst gleichzeitig als weltoffene "Stadt des Euro" international verkaufen möchte. Andrea Schneider, Vorstandsmitglied des Vereins: Auf dem Werbestempel habe man ",The city of the Euro‘ geschrieben, weil wir dachten, mit einer deutschen Formulierung würden wir die anderen Euro-Länder vor den Kopf stoßen." Das Merkwürdige ist dabei nur, daß Großbritannien der künftigen Euro-Zone gar nicht angehören wird und gerade für die Franzosen die sprachliche Anglomanie der Deutschen ein rotes Tuch ist.

Udo Corts, Dezernent für Europa-Angelegenheiten des Magistrats, versteht die ganze Aufregung nicht: "Wir leben in einer Stadt mit knapp dreißig Prozent Ausländeranteil und stehen als Bankenmetropole in Verbindung mit der ganzen Welt, warum sollten wir da nicht ,The city of the Euro‘ verwenden?" Die Ausländer sollen offenbar gleich unter Umgehung der deutschen Kultur in das globale Dorf integriert werden.

Insgesamt sind Banken und Großindustrie Vorreiter eines solchen Prozesses. Beim künftigen Daimler-Chrysler-Konzern in Stuttgart wird künftig jeder offizielle Schriftverkehr auf englisch getätigt werden. Wohl auch in Stuttgart selbst.

Von den Großbanken kam auch der Vorschlag, das künftige Geltungsgebiet der Euro-Währung in "Euroland" umzubenennen. Ein Vorschlag, der von der politischen Elite sofort begierig aufgegriffen wurde. Aber auch hier biß die bemüht lockere Art der Deutschen bei den Franzosen auf Granit. "Euroland", das hört sich für Franzosen – und nicht nur für sie – so an wie "Disneyland". Im übrigen stellt sich überhaupt die Frage, wozu ein solches "Neuwort" überhaupt nötig ist und warum man nicht bei der bisherigen Sprachregelung "Franc-Zone", "D-Mark-Zone", "Eurozone" etc. bleibt. Der Verdacht liegt nahe, hier solle der Bürger durch Sprachminimalisierung bereits sachte darauf vorbereitet werden, daß der Euro – wie Helmut Kohl dies vorhergesagt hat – auf mittlere Sicht die Auflösung des Nationalstaats zur Folge haben muß.

Auch bei manchen Sportvereinen ist eine solche Beobachtung zu bemerken. Insbesondere bei vielen Eishockey-Clubs ist aufgrund der Tatsache, daß man viele Spieler aus Nordamerika "eingekauft" hat, die Umgangssprache Englisch. Das gilt selbstverständlich auch für die verbliebenen deutschen Spieler. Die Fans in den Stadien haben auf englisch zu jubeln, damit die Spieler auf dem Feld auch einigermaßen wissen, was sie sagen wollen.

Wer erinnert sich nicht der peinlichen Vorstellung von Außenminister Joschka Fischer, als er auf einer seiner ersten Pressekonferenzen seine Antworten auf englisch gab, wobei er sich derart verhaspelte, daß er die Sätze schließlich auf deutsch beenden mußte.

Inzwischen regt sich mancherorts Widerstand gegen die Anglisierung der deutschen Sprache durch Leute, die oft selbst der englischen Zunge nur notdürftig mächtig sind. In Dortmund hat sich der "Verein zur Wahrung der deutschen Sprache" etabliert, der inzwischen fünftausend Mitglieder aus dem ganzen deutschen Sprachraum zählt. Ihr Vorsitzender, der Dortmunder Professor für Statistik Walter Krämer, hat nicht nur "The city of the Euro" den Kampf angesagt. In einem Brief an die Frankfurter Oberbürgermeisterin mahnt er, nicht jede flockige Sprachidiotie mitzumachen: "Liebe Frau Roth! Entlassen Sie die Werbefuzzis, die Ihnen diesen Spruch eingeredet haben, und stoppen Sie den Wahnsinn, ehe es zu spät ist."

 
     
     
 
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