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Die Verbindung mit dem Festland ist mangelhaft und höchst unregelmäßig; von den beiden Dampfschiffen, die den Dienst besorgen sollen, bleibt bald das eine und bald das andere aus. Will man mit einem Segelboot fahren, so muß günstiger Wind abgewartet werden, und nicht selten, mitten in der Reise, schlägt er um, und das Boot muß liegenbleiben oder zurückkehren."
Dieses harte Urteil des Begründers der Deutschen Rundschau, Julius Rodenberg, stammt zwar von 1859, doch war die Verbindung auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts schlecht genug, daß der Wunsch nach einem Damm als Alternative aufkam. Vor dem Dammbau hatte Sylt außer einer im wesentlichen dem sommerlichen Badeverkehr dienenden und deshalb im Winter nur einmal in der Woche betriebe nen Dampferverbindung von Hamburg über Helgoland nach Hörnum an der Südspitze der Insel, deren Benutzung auch nur für Freunde einer längeren Seefahrt in Frage kam, täglich eine einmalige Verbindung mit dem Festland über das Wattenmeer zwischen Munkmarsch und Hoyerschleuse. Eine häufigere regelmäßige Verbindung war nicht möglich wegen der geringen Fahrwassertiefen im Wattenmeer, die den Dampfern der Sylter Dampfschiffahrts-Gesellschaft mit ihren ein Meter Tiefgang die Fahrt nur unter Ausnutzung des Hochwassers gestatteten. Die normale Fahrzeit der Dampfer betrug zwei bis zweieinhalb Stunden. Damit hatte Sylt einen wichtigen Standortnachteil gegenüber Norderney. Jener Mitbewerber um Badegäste war durch ein tiefes Fahrwasser jederzeit von Norddeich in etwa 90 Minuten erreichbar.
Ein Eisenbahndamm quer durch das an der schmalsten Stelle elf Kilometer breite Watt schien die Lösung. Im Jahre 1910 begannen die Vorarbeiten, und 1914 wurden die erforderlichen Gerätschaften geordert, doch der Erste Weltkrieg ließ das Projekt erst einmal ruhen. Nach dem Kriege kamen jedoch weitere Gründe für einen Dammbau hinzu. Hoyerschleuse, über das bis dahin der größte Teil des Verkehrs zwischen Insel und Festland lief, mußte als Folge des Versailler Diktats an Dänemark abgetreten werden, und die Sylter hatten sich durch ihre Entscheidung für Deutschland bei der Volksabstimmung vom 14. März 1920 einen besonderen Dank der Nation und des Reiches verdient.
So wurde trotz der damaligen wirtschaftlichen Not das Projekt eines Dammes in der Weimarer Republik wieder aufgegriffen. Die eigentliche Bauausführung begann im Mai des Krisenjahres 1923 mit der Ausbaggerung der Arbeits- und Liegestellen für das schwimmende Gerät, und einige Wochen später, am 1. Juli, konnte der eigentliche Spülbetrieb zur Herstellung des unteren Dammteiles aufgenommen werden. Bis zu 15.000 Menschen fanden hier Arbeit. 3,6 Millionen Kubikmeter Boden sowie rund 320.000 Tonnen Steine, Busch, Kies, Pfähle und Spundwände wurden hier verarbeitet. In den Zeiten stärksten Baubetriebes rollte täglich ein Materialzug von 70 Wagen von der Festlandsseite heran. Die Anlage bei Nösse wurde ständig von 30 Seglern, drei Schleppern und 20 Schuten bedient, welche die Baustoffe von Husum heranführten. Die Kosten des Bahnbaus von Niebüll auf dem Festland bis Westerland auf Sylt betrugen rund 25 Millionen Reichsmark, von denen 18,5 Millionen auf den Damm entfielen. Das sind rund 1.700 Reichsmark pro Meter Damm. Den Großteil der Kosten trug die Deutsche Reichsbahn. 3,5 Millionen Reichsmark schoß das Land Preußen zu, zu dem Schleswig-Holstein samt Sylt damals gehörte.
Nach vier Jahren ist es soweit. Am 1. Juni 1927 erfolgt die feierliche Einweihung durch das Staatsoberhaupt. Pünktlich um 9.54 Uhr verläßt der Sonderzug mit dem Reichspräsidenten den Ausgangspunkt der neuen Strecke, Niebüll, um um 10.09 Uhr das an der Festlandsküste gelegene Klanxbüll zu erreichen. Hier erklärt Paul v. Hindenburg feierlich mit "dem Dank des Reiches an alle, die mit Kopf und Hand an der Schaffung dieses großen Seedammes mitgearbeitet haben, und mit dem Wunsch, daß der neue Weg nach Sylt ein festes und ewiges Band zwischen der Insel und dem Festland sein möge ... die Eisenbahnstrecke nach Sylt für eröffnet."
Anschließend weiht Hindenburg als erster offizieller Nutzer den Bahndamm ein. Dabei zerreißt sein Sonderzug ein über die Strecke gespanntes Band in den schleswig-holsteinischen Provinzfarben. Um 11.00 Uhr kommt er im neu errichteten Endbahnhof Westerland an, wo er von den Honoratioren der Stadt begrüßt wird. Beim anschließenden Frühstück im Kurhaus liefert der Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, Julius Doorpmüller, die offizielle Begründung für den Namen des neuen Dammes.
In der Person ihres Präsidenten habe das deutsche Volk einen schützenden Damm gehabt in den Stürmen der Kriegszeit, in den Zeiten des Aufruhrs und der Wirrsal und auch nun, wo wieder überall im Reiche der Wille zum Leben emporlohe. Dadurch sei der Name Hindenburgs ein Symbol geworden. Wie Hindenburg sei auch der Wattenmeerdamm ein Symbol für den Lebenswillen des Reiches geworden. "Darum", so die Schlußfolgerung des späteren Reichsverkehrsministers, "wollen wir den neuen Damm auf seinen Namen taufen. Er heiße ,Hindenburgdamm "
Nach dem Frühstück findet vor dem Kurhaus ein von der Stadt Westerland und sämtlichen Gemeinden der Insel Sylt veranstalteter Festzug statt. Um 15.15 Uhr verläßt Hindenburg mit seinem Sonderzug Sylt. Er sollte es nie wiedersehen. Ankunft in Westerland: Paul v. Hindenburg nach der Einweihungsfahrt |
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