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Unseren Schmerz faßte bereits Euripides in folgende Worte: Der Leiden gibt es kein Größeres als des väterlichen Landes beraubt zu werden!
Zu Ehren unserer verstorbenen Landsleute bitte ich Sie, sich von den Plätzen zu erheben. Zunächst gedenken wir aller Soldaten, die ihr Leben für uns hingaben. Nach Johannes Paul II. hat niemand eine größere Liebe, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde. Das hat von jeher den Menschen zum Menschen gemacht, daß er seiner Verstorbenen feierlich gedacht. Wer im Gedächtnis seiner Lieben fortlebt, der ist nicht tot, der ist, wie Immanuel Kant sagte, nur fern. Tot ist nur, der vergessen ist, der in der Erinnerung ausgelöscht ist.
Unser Gruß geht über Felder und Wälder, über Berge und Ozeane bis in den letzten Winkel der Erde, überall dorthin, wohin sich unsere Landsleute in Todesangst und Verzweiflung retteten. Wir gedenken der Verstorbenen, deren Leben ausgelöscht wurde, nur weil sie einem anderen Volke, einer anderen Rasse angehörten, und die nicht bereit waren, ihren Glauben und ihr Vaterland zu verleugnen. Noch heute müssen Menschen sterben, Verfolgungen erdulden und Drangsalierungen erleiden, nur weil sie mutig für Freiheit, Glauben, Wahrheit , Recht und ihre unantastbare Menschenwürde eintreten.
Neben den Getöteten auf den Schlachtfeldern gedenken wir der zahllosen zivilen Opfer der Bombennächte. Wir gedenken insbesondere der Mädchen und Frauen, die brutal vergewaltigt und ermordet wurden. Wir gedenken aller, die bei Flucht, Vertreibung und Verschleppung von einem entfesselten Mob mißhandelt, verstümmelt und ermordet wurden.
Wir gedenken unserer verstorbenen Landsleute an den Wegrändern von Flucht und Vertreibung. Wir gedenken der Toten, die ihr Leben aushauchten in düsteren Kellern und Verliesen. Wir gedenken der Toten, die kurz vor Erreichen des rettenden Ufers durch Torpedos versenkt wurden und auf dem Boden der Ostsee wie des Frischen Haffs ruhen. Wir gedenken der Toten, die nach Verschleppung und Gefangenschaft in den zahllosen Arbeits- und Konzentrationslagern verhungert und verdurstet, erschlagen und ermordet, an Entkräftung wie an Seuchen gestorben sind. Alle diese Toten mahnen uns!
Unsere Gedanken gehen hin-über in unsere gewaltsam dreigeteilte und wider alle Menschenrechte und Völkerrechtsnormen geraubte ostdeutsche Heimat, verweilen an den Gräbern unserer Vorfahren. Wer die geschändeten und geplünderten Gräber, die ausradierten Friedhöfe erlebt, die verwitterten Grabsteine, die Grabplatten mit ausgemeißelten Namen gesehen hat, der weiß, daß Heimatlosigkeit ein schleichender Tod auf Raten ist.
Den Toten der Heimat gehört unser aller Gruß. In dem Maße, wie der Mensch den Abgeschiedenen die Treue hält, offenbart sich die Höhe seiner Kultur, zeigt sich die Kraft seines Herzens. Ein Volk, das seine Toten vergißt und mißachtet, gibt sich selbst dem Untergang preis. Trauer ist mehr als Betroffenheit!
Ihr Toten, ihr seid uns fern und doch so nah - ihr seid so weit und doch in uns! Die Opfer von Krieg und Gewalt haben ein Recht auf ehrliche Trauer, die aus der demütigen Einsicht menschlicher Fehlbarkeit erwächst. Auch wir Lebenden sind nicht unfehlbar und bedürfen ständig der göttlichen Gnade.
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