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Tschechien: Ein Stück Normalität

 
     
 
Für die Sudetendeutschen sind die nach wie vor eher schlechten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Tschechien ein lästiges Hemmnis.

Immer wieder klagen sie darüber, daß die Zusammenarbeit mit den einfachen Tschechen in den Heimatgebieten zwar manch erfreuliche Fortschritte bringe, sich aber noch lange nicht so vertrauensvoll und beständig gestalte wie beispielsweise zwischen Karpatendeutschen und Slowaken, Siebenbürger Sachsen
und Rumänen oder auch zwischen Ostdeutschen und Polen.

Um so wichtiger sind aus Sicht der Sudetendeutschen Freundeskreis (SL) die Vertrauensbildung und gezielte Informationspolitik vor Ort. Genau diesen Aufgaben widmet sich künftig das am 24. März eingeweihte SL-"Kontaktbüro" in Prag.

Der SL-Vorsitzende und CSU-Europaparlamentarier Bernd Posselt, der mittlerweile viel frischen Wind in die freundschaftliche Arbeit gebracht hat, kommentierte das Ereignis gegenüber tschechischen Journalisten mit den Worten: "(...) dieses Büro ist keine Propagandazentrale, sondern es ist schlichtweg ein Kontaktbüro. Seine Arbeit wird sachlich und serviceorientiert sein. Das heißt, die praktische Unterstützung des Dialoges wird dort stattfinden."

Die feierliche Eröffnung der Einrichtung, die Posselt auch als "Sudetendeutsche Botschaft" und "ein Stück europäische Normalität" bezeichnete, ist ein historisches Ereignis. Eigentlich sollte sie schon vor gut einem Jahr stattfinden; erste Planungen gab es sogar schon in den frühen 90er Jahren. Doch immer wieder kam etwas dazwischen, und Widrigkeiten aller Art machten eine geplante Immobiliennutzung nach der anderen zunichte.

Jetzt endlich scheint man mit den beiden auf der Prager Kleinseite in unmittelbarer Nähe zum Parlament und zum Senat gelegenen Büroräumen (Tomasska ulice 14) auf der sicheren Seite zu sein. Das Kontaktbüro ist als juristisch unanfechtbare tschechische GmbH organisiert. Der Vermieter der Räume ist Italiener (in Prag leben erstaunlich viele Italiener), und der von zwei Sekretärinnen - einer Prager Deutschen und einer Tschechin - unterstützte Büroleiter ist Tscheche. Er heißt Peter Barton, ist Historiker, arbeitete bisher bei der Hanns-Seidel-Stiftung und kehrte nun aus dem Münchner Exil in seine böhmische Heimat zurück.

Die Einweihung des Büros wurde durch den tschechischen Pater Milos Raban durchgeführt, der sich um die Erneuerung der sudetendeutschen Wallfahrtskirche in Haindorf bei Friedland verdient gemacht hatte.

Dem bedeutsamen Anlaß entsprechend, trafen sich beim anschließenden Stehempfang im nahegelegenen Restaurant "U Glaubicu" nicht nur die wichtigsten Funktionsträger der Sudetendeutschen - Bernd Posselt, sein Stellvertreter Matthias Sehling, Prof. Hans Sehling als Präsident der Sudetendeutschen Bundesversammlung, Franz Longin als Vorsitzender des Sudetendeutschen Heimatrates, Gerhard Zeihsel von der SL-Österreich, Renate Slawik von der Seliger-Gemeinde, Rudolf Ohlbaum jun. von der Ackermann-Gemeinde u. v. a. -, sondern auch die politische und intellektuelle Crème de la crème der für die sudetendeutsche Belange aufgeschlossenen Tschechen.

Unter den rund 150 Ehrengästen befanden sich Vertreter aller im tschechischen Parlament vertretenen Parteien mit Ausnahme der Kommunisten, darunter der Vizepräsident des Senats, Jan Ruml (Freiheitsunion), der Prager Abgeordnete Vladimir Riha (KDU-SCL) und der Olmützer Senator Frantisek Mezihorak (CSSD).

Von den Intellektuellen seien Prof. Rudolf Kucera, Politologe an der Prager Karlsuniversität, der Universitätsdozent Bohumil Dolezal sowie die Historiker und Publizisten Emanuel Mandler, Milan Churan, Victor Dobal und Petr Uhl hervorgehoben.

Erwartungsgemäß tauchte bei dem festlichen Empfang weder ein Vertreter der amtierenden tschechischen noch der bundesdeutschen Regierung auf. Führende tschechische Politiker wetterten ebenso gegen die Einweihung wie ein Großteil der Presse, allen voran das postkommunistische Blatt Pravo.

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Vladimir Spidla kommentierte das Ereignis gegenüber Journalisten angeblich wie folgt: "Die Eröffnung des Büros ist gemäß unserer Gesetze nicht zu verhindern. Ich persönlich habe daran keine große Freude, dennoch denke ich, daß dies Bestandteil eines geläufigen demokratischen Prozesses ist." Von Mirek Topolanek, dem Vorsitzenden der bürgerlichen ODS, also der Partei des neuen tschechischen Präsidenten Klaus, zitiert Pravo folgende Bemerkung: "Ich hoffe, daß dieser Schritt die tschechisch-deutschen Beziehungen nicht beschädigen wird und daß dies auch unser Referendum über den EU-Beitritt nicht beeinträchtigt."

Die Zeitung Lidove novine konzentrierte sich in ihrem Bericht vom 26. März wie viele andere Blätter darauf, daß Posselt in einer speziellen Pressekonferenz erneut seine Ablehnung der Benesch-Dekrete bekräftigte, die für ihn "auf den Müllhaufen der Geschichte" gehören".

Immerhin ist zugleich der Gewissenskonflikt angedeutet, dem der SL-Vorsitzende wegen seiner grundsätzlichen Befürwortung eines tschechischen EU-Beitritts einerseits und der Kritik am Festhalten Prags an den Dekreten andererseits ausgesetzt ist.

Die nach wie vor erschreckend starke antideutsche radikale Linke Tschechiens rief für den 1. April gar zu einer Vor-Ort-Demonstration gegen das neue "Revanchisten-Büro" auf. Der locker-fröhlichen Atmosphäre unter den Teilnehmern der Einweihungsfeier vom 24. März tat all dies keinen Abbruch.

In der anheimelnden Atmosphäre des in einem rußgeschwärzten Kellergewölbe und einem Rittersaal untergebrachten Restaurants standen die Gäste dichtgedrängt ums Buffet und vertieften sich bei böhmischen Knödeln und Nürnberger Rostbratwürstchen in immer neue nette Gespräche (der deutsche Wirt des "U Glaubico" führte die fränkischen Bratwürste übrigens mit beträchtlichem Erfolg im Nachbarland ein).

Deutlich war dabei die Hoffnung zu vernehmen, die neue sudetendeutsche Vertretung möge doch mehr sein als "nur ein Kontaktbüro" und "bloßes Symbol eines echten politischen Tauwetters zwischen der Republik Tschechien und Deutschland".
 
     
     
 
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