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Für die Welt begann die jüngste Eskalation im Nahen Osten mit der Gefangennahme eines israelischen Soldaten durch Hamas-Widerstandskämpfer - Bild und Namen des Mannes gingen durch Fernsehen und Tagespresse. Zwei Wochen später nahmen Hisbollah-Milizionäre an der israelisch-libanesischen Grenze zwei weitere Soldaten gefangen. Deren Medienpräsenz war nicht mehr so eindrucksvoll, denn da hatte schon der "Gegenschlag" gegen die Palästinenser begonnen, und seither wird auch der Libanon in Trümmer gelegt. Von dort kommen zwar noch Bilder durch, aus dem völlig abgeriegelten Gaza-Streifen aber nicht einmal mehr das.
Warum aber machen Hamas oder Hisbollah überhaupt Gefangene, wenn man diese doch bewachen und ernähren muß? Im Irak werden Ausländer meist nur zwecks Lösegelderpressung gefangen - und allenfalls umgebracht. Israelis aber sind gefangen viel wertvoller als tot, denn sie können zum Austausch benützt werden, wie das im Lauf der Jahrzehnte mehrmals geschah.
Die Methode drängt sich geradezu auf - auch wenn Israel wieder einmal Verhandlungen mit "Terroristen" kategorisch ablehnt. Denn laut Angaben des "Internationalen Komitees" vom "Roten Kreuz" befinden sich derzeit 12000 Palästinenser in israelischer Haft, darunter 169 Frauen und 400 Kinder. Manche wurden wegen Beteiligung an Attentaten abgeurteilt, viele sind aber auch nur in sogenannter Administrativhaft, die ohne Gerichtsverfahren vom Militär verhängt wird. Sie leben teils in Gefängnissen, teils in Zeltlagern in der Negev-Wüste.
Da israelische Menschenrechtsaktivisten, etwa in der Organisation
B tselem, die israelische Militärzensur unterlaufen, dringt vieles nach außen: Palästinenser sind generell zusammen mit gewöhnlichen israelischen Kriminellen eingesperrt. Es wird immer wieder vermutet, daß Inhaftierte oder deren Angehörige zu Spitzel- und Agentendiensten erpreßt werden. Diese Unterwanderung erklärt auch, warum "gezielte Tötungen" so oft funktionieren oder fast funktionieren: Kollaborateure vor Ort liefern aktuelle Informationen oder sorgen für eine elektronische Markierung von Zielfahrzeugen.
Auch für die israelische Führung sind gefangene israelische Soldaten wertvoller als gefallene. Denn für Gefallene gibt es zwar "Vergeltungsschläge", aber schon ein einziger Gefangener läßt sich weltweit und längere Zeit hindurch zu Propagandazwecken nutzen.
In den letzten Wochen hat sich übrigens herauskristallisiert, wer in Israel das Sagen hat: Nicht die Zivilisten Ehud Olmert oder Verteidigungsminister Amir Peretz,
sondern Generalstabschef Dan Halutz. Dieser im Ausland bisher kaum bekannte "Falke" genießt das volle Vertrauen der Regierung Bush - und das garantiert unbeschränkten Waffennachschub. |
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