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Umstritten wie vielerorts war Udo Lindenberg, Pop-Ikone mit Schlapphut und nuscheliger Sprache, auch am Stammtisch im Deutschen Haus. Hatte doch der Sänger, Schriftsteller und Maler im Umfeld seines 60. Geburtstages offensichtlich zur Pflege seines "Images" gemeint, mitteilen zu müssen, daß er die meisten Mädchen erst kennenlerne, wenn sie morgens neben ihm aufwachen.
Solche Lebensweise , auch sein Alkohol- und Nikotinmißbrauch, erinnern an die schon vor 300 Jahren mißverstandene Philosophie der Epikuräer: "Laßt uns saufen und fressen und huren, denn morgen sind wir tot", hieß es am Stammtisch. Ein Vorbild für die Jugend könne Udo so allerdings nicht sein.
Andere meinten, dennoch sei Lindenbergs gesellschaftliches und politisches Engagement anzuerkennen, gleichgültig ob man es in der Sache für richtig halte oder nicht. Er habe gegen die Berliner Mauer angesungen und mit dem Lied "Sonderzug nach Pankow" sowie seinem skurrilen Tausch "Lederjacke gegen Martinstrompete" mit SED-Chef Honecker seinen Blick nach Osten gerichtet, während im Westen viele es sich im Schatten der Mauer bequem machten.
Schließlich wurde der französische Professor Alfred Grosser zitiert, der unlängst in Mainz die Vermarktung des Menschentyps der Epikuräer in Deutschland so beschrieb: "Ich befinde mich hier in einem Land, in dem das ethisch Vorbildliche lächerlich gemacht, das Perverse dagegen aufgewertet wird."
Deutschland brauche, so der Stammtisch, nicht nur eine wirtschaftlich-soziale, sondern auch eine geistig-moralische Wende, jene, die vor mehr als zwei Jahrzehnten verpaßt worden ist. |
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