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Vergnügen oder Begierde?

 
     
 
Daß es Moden unter den Menschen gibt, ist eine Folge ihrer geselligen Natur", schrieb der Schlesier Christian Garve 1792 in einem Essay über die Mode. "Sie wollen einander gleichförmig sein, weil sie miteinander verbunden sein wollen", zog der Mitarbeiter an Herders "Kritischen Wäldern" den Schluß aus diesem Verhalten. "Jede in die Augen fallende Unähnlichkeit in Kleidung, Wohnung und Lebensart
ist ein Abstand, der die Zuneigung verhindert und der vertraulichen Mitteilung der Ideen im Wege steht ..."

Nun mag diese Feststellung auch heute noch auf viele Menschen zutreffen, auf Menschen, die mit der Mode gehen – allerdings erst dann, wenn sie sich durchgesetzt hat. Wer mag denn schon unangenehm auffallen und als rückständig gelten? Andere wieder wollen aus der Gleichförmigkeit ausbrechen, stürzen sich auf jeden neuen Trend, ja kreieren selbst neue Moden. Auffallen um jeden Preis, das ist ihre Devise.

Mode, "das ist die Geschichte des menschlichen Verlangens und Vermögens, sich stets neu zu erfinden", hat F. C. Gundlach einmal gesagt. Und er muß es wissen, schließlich ist er einer der bedeutendsten Modefotografen Deutschlands. Seine Sammlung internationaler Modefotografie stiftete Gundlach 1991 dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, wo sie den Grundstock der Museumssammlung bildet. Etwa 200 Aufnahmen meist deutscher Fotografen aus den vergangenen 100 Jahren sind nun in einer Ausstellung zu sehen (dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstag 10 bis 21 Uhr; bis 28. Januar 2001). Darunter auch eine Fotografie der in Thorn geborenen Lotte Jacobi (1896–1990) aus den dreißiger Jahren, eine Frau auf einem Motorrad zeigend.

"Ich bin Künstlerin, keine kommerzielle Fotografin", hat Lotte Jacobi einmal gesagt. Und das gleiche wird auf ihre Kollegen und Kolleginnen zutreffen, deren Arbeiten in dem Haus am Hamburger Hauptbahnhof zu sehen sind: Richard Avedon, Hort P. Horst, Irving Penn, Peter Lindbergh, Imre von Santho, Yva, Will McBride, Charlotte March zum Beispiel.

Die älteste Aufnahme stammt aus dem Jahr 1893 und zeigt eine "Dame zwischen Bäumen". Ihre Taille ist eng geschnürt, Rüschen schmücken das Kleid, ein Strohhut mit Applikationen ziert den Kopf der Dame, die sich malerisch an die Zweige eines Baumes lehnt. Wie anders die in schrillen Farben aufgenommenen Models aus den achtziger und neunziger Jahren. Sie springen, hüpfen, machen viel Spektakel. Die Mode ist kaum noch wichtig, allein die Inszenierung zählt. "Modefotografie ist ein Seismograph gesellschaftlicher Veränderung" sagt F.C. Gundlach. "Dem Modefotografen fällt die Aufgabe zu, den Zeitgeist von heute zu visualisieren und den von morgen zu antizipieren." Die Modefotografie mache ein Lebensgefühl deutlich, "für das die Mode nur noch Anlaß oder Inspiration ist".

Der Gang durch die Jahrzehnte der Modefotografie ist gleichzeitig auch ein Gang durch die Geschichte. Allzu deutlich wird der Wandel des Geschmacks, der von der Mode diktiert wird. Nicht umsonst heißt es in Abwandlung eines alten Sprichworts: "Mode regiert die Welt." Oder: "Nicht was schön ist, ist Mode, sondern was Mode ist, ist schön." Der Schlesier Christian Garve sah es versöhnlicher, als es feststellte, Mode sei ein Vergnügen, "welches wir an Schönheit finden, und die Begierde, welche wir haben, durch schöne Sachen anderen zu gefallen." Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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