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Weil in der zukünftigen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) die Löhne die Funktion der Wechselkurse übernehmen werden, steht Deutschland vor einer Revolutionierung des Arbeitsmarktes. In der Bundesdrucksache 3/101/94 wird festgestellt, daß in der Währungsunion die "Anpassungsflexibilität auf Güter- und Arbeitsmärkten durch Strukturreformen erhöht werden" müsse, weil wirtschaftliche Fehlentwicklungen durch Wechselkursabwertung en nicht mehr ausgeglichen werden können. Für die Sozialpartner bedeute dies, "daß sich Lohnabschlüsse an den realwirtschaftlichen Möglichkeiten, d. h. am Produktivitätsfortschritt, orientieren müssen".
Da das Scharnier der Wechselkurse bei unterschiedlichen nationalen Konjunkturzyklen durch die Währungsunion außer Kraft gesetzt ist, muß die Anpassung an wirtschaftliche Entwicklungen zukünftig über die Preise der Güter, der Produktionsfaktoren und über den Preis des bürokratischen Apparates des Staates geleistet werden. Mißlingt diese Anpassung z. B. durch zu hohe Abschlüsse bei zentralen Tarifverhandlungen wird es eine Anpassung über größere Arbeitslosigkeit geben.
Die Folgen der Währungsunion auf dem Arbeitsmarkt sind also erheblich. Eine wirkliche Tarifautonomie ist im Grunde genommen nur über einen flexiblen Wechselkursmechanismus möglich. Dieser ermöglicht im Falle zu hoher Lohnabschlüsse eine Abwertung der Landeswährung. So können nicht marktgerechte Tarifabschlüsse abgefedert werden. In einer Währungsunion hingegen übernimmt der Markt die Funktion des "Tarifgestalters". Wird gegen dessen Gesetze verstoßen, führt dies unweigerlich zu steigender Arbeitslosigkeit.
Um ein Beispiel zu nennen: spanische oder portugiesische Gewerkschaften sind in der Entwicklung ihrer im europäischen Vergleich sehr niedrigen Löhne an die Produktivitätsrate gebunden. Nur in diesem Rahmen können sie versuchen, den Lohnvorsprung ihrer europäischen Kollegen aufzuholen. Dieser Prozeß dürfte innerhalb der EWWU allerdings Jahrzehnte dauern. Es wird daher mit ziemlicher Sicherheit von seiten der mediterranen Staaten zu Transfer-Forderungen kommen. Die Begründung wird analog zu der in Mitteldeutschland ausfallen: Warum soll ein Arbeiter in Spanien bei gleichwertiger Arbeit weniger verdienen als ein Arbeiter hier? Werden dem spanischen Arbeiter subventionierte Löhne vorenthalten, dann kommt er eben in ein Hochlohnland und wird auf diese Weise dazu beitragen, daß die Löhne dort gedrückt werden.
Will man diesen Effekt verhindern, bleiben im Grunde genommen nur zwei Wege: Entweder der deutsche Arbeitsmarkt wird "flexibilisiert" oder die Transferzahlungen an die zurückhängenden EWWU-Staaten werden drastisch aufgestockt, was uns 150-200 Mrd. D-Mark kosten kann. Im übrigen erklärt die Bundesregierung: "Eine Haftung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten ist durch den EG-Vertrag ausgeschlossen. Entsprechende Forderungen nach zusätzlichen Finanztransfers werden von der Bundesregierung abgelehnt."
Bleibt also nur der Weg der "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes", der notwendig zu steigender Arbeitslosigkeit führt, weil geradezu zwangsläufig aus Deutschland Investitionsströme weggelenkt werden, um europäische Lohndifferenzen auszunutzen. Zudem wird sich der Wanderungsdruck auf den deutschen Arbeitsmarkt erheblich erhöhen, weil viele südeuropäischen Wirtschaftsstandorte dem verschärften Wettbewerb nicht standhalten werden. Dies wird auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu einem harten Konkurrenzkampf führen, so daß es zwangsläufig zu sinkenden Löhnen kommen muß, soll die Zahl der Arbeitslosen nicht unvorstellbare Höhen erreichen. Genau das versteht die Bundesregierung unter der "Erhöhung der Anpassungsflexibilität".
Schließlich wird durch den verschärften Wettbewerb die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Berufe zurückgehen, so daß die sozialen Sicherungssysteme und damit der Sozialstaat insgesamt erheblich unter Druck geraten werden.
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