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Mit viel Elan greift sie zur Whiskeyflasche - und zum Mikro. Die Musik setzt ein, und die 78jährige beginnt zu singen und zu tanzen. Dabei dreht sich ihr Rock, ihre nackten Füße fliegen nur so über die Bühne. Das Publikum jubelt, und Elisabeth Wiedemann ist nicht mehr zu bremsen. Die Schauspielerin begann ihre Bühnenlaufbahn 1944 als Tänzerin, und auch wenn ihre gegenwärtige Tanzeinlage nicht mehr viel mit dem einst in Berliner Ballettschulen Gelernten zu tun hat, so tut es der Showeinlage jedoch keinen Abbruch.
Die beliebte Darstellerin ist bis zum 12. September in der Komödie "Miss Berlin" in der "Komödie Winterhuder Fährhaus" in Hamburg zu sehen.
Trotz endlich eingesetzten Sommers sind die Plätze im Zuschauerraum bis auf drei ausverkauft. Das vorwiegend ältere Publikum ist von der Energie, die die Frau im Rentenalter auf der Bühne ausstrahlt, angetan. Vor allem in den 70er Jahren hat sie sich mit ihrer Rolle der Else Tetzlaff in "Ein Herz und eine Seele" in die Herzen der Fernsehzuschauer gespielt. Die Engagements der in den 50er Jahren vom Meister Gustaf Gründgens als Schauspielerin entdeckten Mimin haben seitdem zumeist einen hohen Unterhaltungswert.
Neben Elisabeth Wiedemann spielen noch Michael Schanze, Katrin Wrobel, Adisat Semenitsch und Falk Berghofer in dem zugegeben nicht gerade niveauvollen Stück. Außer der vor allem durch Fernsehserien und -filme bekannten Schauspielerin Wiedemann sind nur noch Adisat Semenitsch und Falk Berghofer erfahrene Bühnenschauspieler. Semenitsch, die an der Schauspielschule Innsbruck eine Darstellerausbildung absolviert hat, wirkt neben Michael Schanze und Katrin Wrobel jedoch manchmal deplaziert, denn man merkt ihr an, daß sie schauspielern kann.
Michael Schanze ist eben mehr Moderator und Entertainer als Schauspieler. Der vor allem aus Kindersendungen bekannte 57jährige Sänger gibt eine traurige Figur ab. Alt ist er geworden und aufgeschwemmt. Die Rolle des Fotografen, der junge Modells verführt, nimmt man ihm schwer ab, auch wenn der von ihm gespielte Max auch schon seine besten Jahre hinter sich hat und in einer Sinnkrise steckt. Was komisch sein soll, wirkt bei ihm manchmal nur albern, und der Zuschauer wünscht ihm, daß er lieber beim "Kinderquatsch mit Michael" geblieben wäre.
Katrin Wrobels darstellerischeren Leistungen nehmen sich jedoch noch bescheidener aus. Die ehemalige "Miss Germany 2002" und Ex-Glücksradfee (Muß man vor allem letzteres überhaupt in seiner Biographie erwähnen, beziehungsweise hervorheben?) spielt die Titelfigur, die "Miss Berlin". Mit markanter Berliner Schnauze "icket" sich die Köpenickerin durch ihre Rolle. Sie spielt die naive Maria Sophia, die aus einer Plattenbausiedlung in Ost-Berlin stammt, mit ihrer Marylin-Monroe-Masche die Misswahl gewonnen hat und nun hofft, mit Hilfe des Fotografen Max eine Modellkarriere zu starten, um "Miss Germany" oder gar "Miss Universum" zu werden. Hierbei muß angemerkt werden, daß die Rolle, die Katrin Wrobel spielt, äußerst naiv, weltfremd und auch dümmlich angelegt ist, doch so wie sie sie spielt, wirkt sie teils zu übertreiben und dann wieder zu hölzern. In einem Interview sagte die 26jährige, die zum ersten Mal auf der Bühne steht: "Ich wollte mich nicht volle Pulle fetzen. Aber Michael hat mich immer wieder ermuntert." Hätte sie mal lieber nicht auf ihn gehört.
Auch wenn der bekennende Single Max Maria Sophia nicht ins Bett bekommt, so verliebt er sich doch zu seinem eigenen Entsetzen in sie. Dies bemerkt auch seine Dauergeliebte Gloria. Das alternde Modell ist eifersüchtig und vergnügt sich aus Trotz mit Leo, dem Assistenten von Max, der "alles macht" und der "Clown" des Stückes ist. Als Maria Sophia wegen Max abweisenden Verhaltens einen Unfall hat, kreuzt ihre Tante Walburga (Elisabeth Wiedemann) bei Max auf und zieht mit ihrer Enkelin bei ihm ein. À la "My Fair Lady" erhält die angehende "Miss Germany" von ihrer Tante nun Sprech-, Tanz-, Bildungs- und Benimmunterricht. Max beäugt alles kritisch, er will die naive Maria Sophia, nun allerdings Mary, da sie die Marylin-Masche extrem auslebt, von der grundschlechten Modellbranche fernhalten. Völlig unvermittelt ändert dann aber auch die fröhlich whiskeyschlürfende Walburga ihre Meinung, und Max und sie befinden, daß Maria Sophia lieber Max heiraten und Kinder bekommen sollte. Das "Happy End" schlägt dann auch nicht nur jeder Emanze auf den Magen, auch jeder andere dürfte spätestens jetzt bei dem doch ziemlichen platten Stück schwer schlucken.
Trotz der nun nicht unbedingt immer freundlichen Worte ist "Miss Berlin" jedoch auf jeden Fall eines: unterhaltend. Und auch wenn Michael Schanze kein geborener Schauspieler ist, so ist es schon interessant, ihn statt auf dem Bildschirm im heimischen Wohnzimmer "live" auf der Bühne zu sehen. Und dann ist da ja auch noch Elisabeth Wiedemann, die mit ihrem Temperament, Witz und Charme über die sehr vielen Schwächen dieser Komödie hinwegtröstet. Fritz Hegelmann
"Miss Berlin", noch bis zum 12. September in der "Komödie Winterhuder Fährhaus", Hudtwalckerstraße 13, 22299 Hamburg, Telefon (0 40) 48 06 80-0
Womit klappert die Klapperschlange? Katrin Wrobel erfährt von Michael Schanze und Elisabeth Wiedemann in "Miss Berlin" Wissenswertes. Foto: Fährhaus
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