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Ob sie es ahnen, die Besucher, die seit gut einem halben Jahr die Räume des Kunstgewerbemuseums in Schloß Köpenick zu Tausenden aufsuchen, welch ein Leid an diesem Ort einst geschah? Köpenick – mit diesem Namen verbindet der „moderne“ Mensch allenfalls den „Hauptmann von Köpenick“, sieht in dieser Rolle Heinz Rühmann oder Harald Juhnke vor sich, denkt vielleicht auch an den Schuster Wilhelm Voigt aus dem ostdeutschen Tilsit, der in Hauptmannsuniform ein Paradestück ablieferte, über das man heute noch schmunzelt. Der Name Köpenick aber erinnert auch an ein Urteil, das mit dem Tode des einen Delinquenten endete und aus dem anderen schließlich einen strengen Herrscher machte. Auf Schloß Köpenick tagte vom 25. bis 31. Oktober 1730 ein von König Friedrich Wilhelm I. einberufenes Kriegsgericht. Angeklagt waren wegen Desertionsversuchs kein Geringerer als der damalige Kronprinz Friedrich und sein Helfer Leutnant Hans Hermann von Katte. Katte wurde zum Tode verurteilt, Friedrich kam mit Festungshaft und dem Schrecken davon. Als König Friedrich II. vergab er das Schloß, das ihn an schwere Zeiten in seiner Jugend erinnerte, als Witwensitz an Verwandte. 1804 wurde das 1677 bis 1690 von den Architekten Rutger van Langerfeldt und Johann Arnold Nering errichtete Schloß an den Grafen Friedrich Wilhelm Karl von Schmettau verkauft, der erhebliche bauliche Veränderungen vornehmen ließ. Sehr lange sollte er sich jedoch an dem Barockschloß nicht erfreuen, denn schon 1818 ging es an den preußischen Fiskus. Dort wußte man nicht allzu viel mit dem Gebäude anzufangen und richtete ein Gefängnis und Militärdepot ein. Auch in den Folgejahren fristete das Schloß eher ein Schattendasein, wurde als Lehrerseminar, als Studentenwohnheim und nach dem Zweiten Weltkrieg als „Volkshaus“ und als Heimstatt des Staatlichen Volkskunstensembles der DDR genutzt. 1963 schließlich zog das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin (Ost) in das Schloß ein. Nach der Wende übernahm die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Verantwortung für das Haus und ließ es zwischen 1994 und 2004 umfassend restaurieren. Diese Arbeiten waren dringend notwendig, da das Schloß in dem kleinen Flüßchen Dahme zu versinken drohte. Die Holzpfähle, auf denen es errichtet war, waren morsch. Jährlich sank das Gebäude um 1,5 Millimeter. Jetzt werden die Fundamente von stählernen Pfählen, Querträgern und Balken aus Beton getragen. Mehr als 55 Millionen Euro kostete das Unternehmen, das ausschließlich von der Stiftung finanziert wurde. Mit der Zusammenlegung der kunstgewerblichen Sammlungen aus Ost und West wird Schloß Köpenick nun als Dépendance des modernen Museums am Kulturforum genutzt. Beide Häuser gemeinsam ermöglichen einen Überblick von frühmittelalterlicher Sakralkunst bis hin zu zeitgenössischem Design. Köpenick bleibt die Raumkunst vorbehalten. In 21 Räumen mit 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche kann man jetzt Hauptwerke der Sammlung bestaunen. „Da sind zunächst vier bemerkenswert vollständige Getäfel, historische Wandverkleidungen, die als begehbare Zimmer aufgestellt sind: aus der Renaissance das Haldenstein-Zimmer, um 1548, aus Schloß Haldenstein in der Schweiz und die Höllrichstube, um 1555, aus Schloß Höllrich in Oberfranken, das barocke Spiegelkabinett aus Schloß Wiesentheid, um 1724, und das Turiner Chinesenzimmer, um 1765, mit Lackmalereien aus dem Palazzo Graneri in Turin, ein Hauptwerk des Rokoko“, erzählt Angela Schönberg, Direktorin des Kunstgewerbemuseums. Begeistern werden auch die erhaltenen Stukkaturen, die „zu den künstlerisch anspruchsvollsten ihrer Art in Mitteleuropa zählen“, so Lothar Lambacher in einer kleinen bei Schnell + Steiner erschienenen Broschüre über Schloß Köpenick (24 Seiten, zahlr. farbige Abb., geheftet, 3 Euro). Lambacher und Schönberger zeichnen auch verantwortlich für einen bei Prestel herausgekommenen Museumsführer (112 Seiten, zahlr. Abb., brosch., 7,50 Euro). In diesem Buch kann man die Prachtstücke der Ausstellung noch einmal in aller Ruhe betrachten, etwa ein um 1700 in Danzig entstandenes Kabinettschränkchen, in dem sich diverse Spieluntensilien befinden, oder das große Silberbuffet aus dem Rittersaal des Berliner Schlosses. Andreas Schlüter, der große Baumeister und Bildhauer aus Danzig, entwarf 1702/04 für das Palais Wartenberg in Berlin sogenannte Supraporte, Wandfelder, die über Türen angebracht wurden und mit dekorativen Reliefs verziert sind; sie zählen heute zu den „bedeutendsten skulpturalen Leistungen des norddeutschen Barock“ (Lambacher). Besondere Prachtstücke der Ausstellung aber dürften Teile aus dem Tafelservice Friedrichs des Großen aus dem Breslauer Stadtschloß sein. 1767/68 von der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur hergestellt, zeigt es erstmals das Dekorsystem „Antikzierat“. Heute steht es im Wappensaal, in dem einst das Kriegsgericht tagte. Die barocke Pracht wird vom Ausstellungsarchitekten Hans Dieter Schaal gekontert, indem er das mit phantasiereicher Blumenmalerei verzierte Porzellan auf einen kühlen, von innen beleuchteten Glasquader stellte. Für manche Besucher mag’s ein Schock sein, für andere wieder ein gelungener Kontrast, der für besonders Kostbares erst die Augen öffnet. Schloß Köpenick selbst muß als Gesamtkunstwerk gesehen werden, ein ansprechendes Ambiente für Möbel und Kunsthandwerk aus längst vergangenen Zeiten (Öffnungszeiten dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, am Wochenende 11 bis 18 Uhr). Helga Steinberg Schloß Köpenick: „Der bedeutendste erhaltene Profanbau des vorschlüterschen Barock in der Mark Brandenburg“ (Dehio) /font>
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