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Die Mark ist weg, der EURO ist da. Er kam auf Englisch, im „Starter-Kit“, und wurde in deutschsprachigen öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern als „our new money“ bergrüßt. Geht es der deutschen Sprache bald genauso wie der Mark, ist sie auch bald Vergangenheit? Dies zu verhindern war erklärter Zweck der Verleihung des Jacob-Grimm-Preises an den Schriftsteller Rolf Hochhuth. L. Opoczinski, Autor des Beitrags „Von Grimm bis Hochhuth“, trägt nachfolgend wesentliche Passagen aus den Reden bei der Preisverleihung zusammen:
Gert Ueding (Tübinger Literat urwissenschaftler und Publizist): „Ein-Reich-ein-Slang-Schwärmerei“
„Rolf Hochhuth (ist) in Rede und Schrift nicht müde geworden, kompromißlos für die deutsche Sprache zu streiten“, sagte der Tübinger Literaturwissenschaftler und Publizist Gert Ueding in seiner Laudatio für Hochhuth. Um ihren Bestand sei diesem „am meisten angst“, wie der Dramatiker selbst einmal bekannt habe. „Im Sprachimperialismus des Englischen sieht Hochhuth ... denn auch weit mehr als eine bloße Erleichterung des wirtschaftlichen Verkehrs“. Sprache sei Politik, habe Hochhuth unmißverständlich festgehalten. Ueding zitierte dessen Credo: „Gegen die weltweit marschierende Globalisierung gibt es keine eindringlichere Warnung als die babylonische Sprachvielfalt: Wir Menschen sollten nicht zur Vereinigung aller kommen wollen, zum Einheitsstaat, zur Universalsprache. Es geht um diese Ein-Reich-ein-Slang-Schwärmerei, die unserer Epoche ... das Hirn lähmt.“
Ueding beklagt: „Noch nie haben Journalisten so schludrig geschrieben, haben Politiker seichter und ungeschliffener geredet, ist unsere Sprache an deutschen Schulen mehr vernachlässigt worden als heute.“ Hochhuths Wirken hingegen sei von dialogischer und rednerischer Prägung. „Der entschlossene Griff in die Zeit, die aktuelle Stellungnahme, der kämpferische Ton sind (Hochhuths) Dramen und Essays und vielen seiner Erzählungen und Gedichte eigen, machen sie zu erratischen Stolpersteinen unseres glattfrisierten kulturellen Lebens. Mit seinem unerschrockenen, konsequenten Engagement zeigt sich ein kämpferischer Aufklärer von großem Format.“
Walter Krämer (Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache): „Wer keine Sätze bauen kann, kann bald keine Autos mehr bauen.“
Der Institutionenpreis Deutsche Sprache sei ausgelobt „für Einrichtungen und Firmen, die sich im Alltag von Wirtschaft, Politik oder Verwaltung um ein klares und verständliches Deutsch bemühen und gezeigt haben, daß man deutsche Sprache auch dort flexibel, klar und ohne Verrenkungen verwenden kann“, erklärte der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache e.V. Walter Krämer in seiner Laudatio auf die Fachzeitschrift „ComputerBild“, erste Trägerin dieses Preises.
Einen Satz wie „In der Pipeline ist das upgrade eines Kalibrationskits für proofscreen Monitore und als highlight eine digitizer für CAD-application“, wie in anderen Computer-Fachzeitschriften, finde man in ComputerBild nicht. Man empfinde es beim Blick auf das Angebot in diesem Bereich fast schon eine Erlösung, auf eine Zeitschrift zu stoßen, wo der Drucker kein Printer sei, wo es Schnittstellen und keine Interfaces gebe und Spiele Spiele heißen und nicht games, wo headsets zu Kopfhörern und Pixel zu Bildpunkten werden.“ „Computer-Bild“ verzichte auf das lächerliche Imponiergehabe seiner Konkurrenz, das vor allem dazu diene, sich selbst auf ein hohes Roß zu setzen und die Leser einzuschüchtern.
Krämer zitierte Professor Joseph Weizenbaum von der Harvard-Universität, einen der weltweit angesehensten EDV-Exper- ten, der heute wieder in Berlin lebt, von wo er in den dreißiger Jahren nach Amerika geflohen war. Weizenbaum beklagte die Vermanschung des Deutschen mit dem Englischen, die gefährlich sei, weil darin einer der Gründe für den relativen Rückstand der deutschen gegenüber der US-Computerwirtschaft liege. Weizenbaum: „Jeder Mensch denkt in seiner eigenen Sprache mit den ihr eigenen Nuancen. Die Sucht vieler Deutscher nach englischen Brocken erzeugt dagegen Spracharmut, Sprachgulasch. Ideen können so nicht entstehen.“
Krämer stellte fest: „Sprache ist ein Produktionsfaktor, und diesen Faktor optimal zu nutzen, gelingt den meisten Menschen nur in ihrer Muttersprache.“ Wer keine Sätze bauen kann, der könne auch bald keine Autos mehr bauen. „50 Milliarden Mark habe die Daimler-Chrysler seit der Einführung von Englisch als Konzernsprache „in den Sand gesetzt“. Krämer warnte vor der Sprache BSE (Bad Simple English). Sein Zeuge: Wendelin Wiedeking, der Vorstandsvorsitzende der Porsche AG: „Wenn Englisch oder Französisch die Konzernsprache ist, benachteiligt man automatisch alle, für die dies nicht die Muttersprache ist.“ Deshalb redeten die Ingenieure bei Porsche weiter Deutsch ...
Krämer schloß, ComputerBild werde geehrt, weil sie sich um die deutsche Sprache und um unser Sozialprodukt verdient gemacht habe.
Harald Kuppek (Chefredakteur der Zeitschrift „Computer-Bild“): „Verantwortungsvoller Umgang mit Fremdwörtern“
„Wir sehen es als unsere Aufgabe an, englische Fachausdrücke einzudeutschen, aber nur, wenn es wirklich Sinn macht.“ Mit diesen Worten beschrieb Chefredakteur Harald Kuppek in seiner Dankesrede die Aufgabe, die sich ComputerBild gestellt habe. Durch allzu viele englische Fachausdrücke würden sowohl sehr junge als auch ältere Leser ausgegrenzt, aber auch viele Bundesbürger aus den neuen Ländern, die in ihrer Schulzeit keinen Englischunterricht hatten.
Deutsch-englische Wortphra-senadditionen führten unweigerlich zu einem Kauderwelsch. Wer es gebrauche und sich obendrein geschäftig gebe, versuche mit sprachlichen Verrenkungen „kompetent und wichtig“ zu erscheinen. Wenn seine Zeitschrift Fremdwörter gebrauche, würden sie sofort erklärt. „Geht es um e-mails, bezeichnen wir diese im folgenden Nebensatz als „Elektronische Post“ und das Internet erhält den Zusatz „Weltweites Datennetz“. Für englische Fremdwörter, an denen man nicht vorbeikomme, würde die korrekte phonetische Aussprache mitgeliefert. Die Leser sollten sich in der verwirrenden Computerwelt besser zurechtfinden. Denn das Wichtigste für uns ist, so zu schreiben, daß der Leser uns versteht.“
Stolz berichtete Kuppek, daß dieses Bemühen um sprachliche Einfachheit ein wesentlicher Erfolgsfaktor sei. Seine Zeitung sei Europas größte Computerzeitschrift und verkaufe an deutschen Kiosken deutlich mehr Exemplare als Stern, Spiegel oder Focus. Der „Kulturpreis deutsche Sprache“ mache die Redaktion stolz und „motiviert uns für unser tägliches Tun“.
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