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Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Wie wahr dieses Sprichwort ist, erfuhren die Kollegen vom Stern in diesen Tagen. Kaum hatten sie die spöttischen Anmerkungen zum 20. Jahrestag des größten journalistischen Flops aller Zeiten überstanden, da wurden sie erneut an die peinliche Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher erinnert. Der letzte Band des Œvres aus der Hand des Meisterfälschers Konrad Kujau kam jetzt bei einem Berliner Auktionator unter den Hammer . Nach eher schleppendem Verlauf der Versteigerung ging die Kladde von 56 DIN-A4-Seiten (laut Katalog "davon 25 vom Führer unterschrieben, teils nur monogrammiert") für 6.500 Euro an einen anonymen Telefon-Bieter. Zur Erinnerung: Der Stern hatte einst pro Band der Kujau-Hitler-Schriften mehr als das Zehnfache gezahlt, insgesamt zehn Millionen Mark.
Der Auktionator konnte mit dem Ergebnis eigentlich zufrieden sein. 6.500 Euro, das lag nur um 500 Euro unter dem Schätzwert und immerhin um das Hundertfache über dem Preis einer von Hitler signierten Verleihungsurkunde des "Ehrenkreuzes der Deutschen Mutter" - die allerdings echt war. Wertsteigernd für den Erwerber des falschen Tagebuchs dürfte sich ausgewirkt haben, daß seit dem Ableben des Fälschers Kujau mit dem Erscheinen weiterer Bände nicht mehr zu rechnen ist; dies verschafft neben dem eher zweifelhaften Kunstgenuß wenigstens die Gewißheit, daß die Geschichte des Dritten Reiches bis auf weiteres nicht mehr neu geschrieben werden muß.
Zwei Ereignisse in den letzten Wochen warfen wieder einmal die Frage auf: Wo endet die journalistische Freiheit und die Informationspflicht der Medien? Und wo beginnt der Schutz der Menschenwürde?
Vor wenigen Wochen brachte Bild auf der Titelseite das Foto eines im Irak getöteten deutschen GSG-9-Beamten - blutig, farbig, in Großformat. Vor wenigen Tagen zeigte der amerikanische Fernsehsender CBS Bilder der im Unfallauto in Paris verblutenden Prinzessin Diana. In beiden Fällen beriefen sich die publizistisch Verantwortlichen darauf, sie hätten nur ihrer Informationspflicht genügt, und wiesen den Vorwurf des Voyeurismus energisch zurück. Genau dieser Vorwurf aber trifft zu. Die Bild-Redaktion kann noch so oft beteuern, ihr sei es nicht um Auflagensteigerung gegangen - die Frage, worum dann sonst, hat sie bislang nicht beantworten können. Niemand in diesem Lande hat aus dem Betrachten des blutigen Leichenbildes irgendeinen Informationswert gewinnen können. Das gleiche gilt für die Bilder der sterbenden Lady Di: Wer behauptet, die Veröffentlichung hätte auch nur im geringsten zur Aufklärung des Unfallhergangs beigetragen, verbreitet bewußt Lügen. Nicht einmal zur Stützung irgendwelcher skurrilen Verschwörungstheorien taugten die Fotos.
Im Archiv dieser Zeitung befinden sich aus den schrecklichen Zeiten der Flucht und Vertreibung ebenfalls Fotos schrecklich verstümmelter Opfer. Und manchmal stellt sich auch uns die Frage: Sollen wir, um dieses ganze Elend zu dokumentieren, solche Bilder veröffentlichen? Wir haben uns immer dagegen entschieden. Die Schrekken jener Zeit kann man auch anders dokumentieren. Die Opfer haben alles - Hab und Gut und ihr Leben - verloren, sie sollen nicht durch öffentliche Zurschaustellung auch noch das Letzte verlieren, was ihnen geblieben ist - ihre Menschenwürde.
Vor zwei Wochen haben wir an dieser Stelle einen ARD-Beitrag kritisiert, in dem der Jagdflieger Oberst a. D. Mölders übel verunglimpft wurde. Offenbar waren wir nicht die einzigen, denen dieser Kontraste-Beitrag unangenehm aufgefallen war: Die Redaktion des TV-Magazins räumte jetzt ein, daß sie mit massiven Protesten konfrontiert worden ist.
Wie allerdings kaum anders zu erwarten, war an Ansätze von Selbstkritik überhaupt nicht zu denken. Im Gegenteil: In gewohnt arroganter Manier wurde noch eins draufgesetzt; neben dem hochdekorierten Wehrmachtflieger, der zum Leidwesen aller selbsternannten "Antifaschisten" bis heute Namensgeber einer Bundesluftwaffen-Geschwaders ist, wurden nun auch gleich alle Ritterkreuzträger pauschal als rechtsextremistisch beschimpft.
Endlich glauben die Rot-Grün verbundenen Medien, etwas gefunden zu haben, womit man die Wahl eines nichtlinken Bundespräsidenten doch noch verhindern kann: Horst Köhlers deutliche Worte gegenüber dem US-Präsidenten, dem er in Sachen Irak "arrogantes Verhalten" und "schwerwiegende Fehler" vorwarf. Was sich ja kaum von der Position der Bundesregierung unterscheidet, wohl aber von der der Unionsführung. Prompt brach helle Freude aus über die angebliche Verstimmung zwischen dem Präsidentschaftskandidaten und denen, die ihn dazu gemacht hatten. Das Manöver dient offensichtlich dem Zweck, aus dem bürgerlichen Lager so viele Stimmen herauszubrechen, daß Schröders Kandidatin Gesine Schwan am 23. Mai doch noch eine Chance hat.
Die umtriebige Professorin kann übrigens auch auf die 31 Stimmen der PDS in der Bundesversammlung zählen. Das scheint sie, wie sie bereits andeutete, nicht weiter zu stören. Was einigermaßen erstaunt, da sie zu früheren Zeiten bei den eigenen Genossen als stramme Antikommunistin bekannt - und bei manchen verpönt - war. So ändern sich die Zeiten.
Elisa Wachtner macht zur Zeit Urlaub, fernab von den Aufgeregtheiten deutscher und internationaler Politik. Daher erscheint statt seines an dieser Stelle gewohnten politischen Wochenrückblicks in den nächsten Ausgaben ein Blick zurück in die Medien - manchmal, aber nicht immer im Zorn.
"Wenn man nicht alles selber macht!"
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