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Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht", diese kryptisch anmutenden Worte fand einst der Maler Caspar David Friedrich (1774-1840). Sie lassen aufmerken in einer Ausstellung, die, zuvor in der Berliner Nationalgalerie gezeigt, nun in der Hamburger Kunsthalle zu sehen ist (dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, bis 24. April). Im Mittelpunkt stehen zwei Gemälde des Pommern: "Das Eismeer", das er 1823 / 24 schuf, und "Der Watzmann" aus den Jahren 1824 / 25. Seit 1826 sind diese beiden bedeutenden Werke Friedrichs nicht mehr gemeinsam gezeigt worden. In jenem Jahr stellte der Künstler beide Bilder sowohl in Hamburg als auch in Berlin aus.
"Das Eismeer" gehört seit 100 Jahren zum Bestand der Hamburger Kunsthalle, während "Der Watzmann" 1937 einer jüdische n Familie von der Berliner Nationalgalerie abgekauft wurde. Wie man heute weiß, unter Zwang. Aus diesem Grund restituierte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz das Gemälde an die Erben des früheren Eigentümers. Durch die DekaBank wurde das Gemälde schließlich zurückerworben und der Berliner Nationalgalerie als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.
Die beiden großartigen Werke der Romantik haben eines gemeinsam: "vor sich", also mit eigenen Augen gesehen hat Caspar David Friedrich weder das Eismeer noch den Watzmann. Dennoch sind ihm hier zwei Meisterwerke gelungen. In der Hamburger Ausstellung hängen nun beide Bilder einander gegenüber, und der Besucher kann sich einfangen lassen von der Darstellung unnahbarer, majestätischer Natur, von Naturgröße und Naturgewalt.
Für das Motiv Eismeer mit den mächtigen Eisschollen hat Friedrich sich zweifellos durch die Expedition des Forschungsreisenden William Edward Parry auf der Suche nach der Nord-West-Passage 1819 / 20 inspirieren lassen. Hinzu kam 1820 / 21 der schwere Eisgang auf der Elbe bei Dresden, wo Friedrich ab 1798 lebte. Carl Gustav Carus, ein Freund und Kollege Friedrichs, berichtete von Eisschollen, die "an den Rändern des stehenden Eises zackig, aufwärts und zusammengeschoben" waren. "... gegen die Ufer des Elbberges schoben sich jetzt, ernst und gewaltig, breite Schollen, gleich angeschlagenen, erstarrten, übers Land flutenden Meereswellen, weit herauf." Nach drei Ölstudien, die an diesem Tag entstanden sein müssen, schuf Friedrich 1822 ein erstes Gemälde, das allerdings seit 1869 als verschollen gilt. Das jetzt gezeigte wurde erstmals 1824 in der Akademie in Prag ausgestellt. Fachleute sind sich einig: "Das Eismeer" ist nicht zuletzt auch "Sinnbild für die unnahbare Majestät Gottes" (Börsch-Supan). Sie sehen aber auch "erstarrte Zeit, erstarrte Geschichte" und zugleich "einen Hinweis auf ein jenseitiges Licht" (Rudolf Zeitler). Vernichtung, Erstarrung werden überwunden; der Künstler zeigt hier den Weg vom Dunkel ins Licht.
Majestätisch und unnahbar kommt auch der Watzmann daher, ein beliebtes Motiv zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wie durch ein Fernrohr herangeholt, wirkt der Berg entrückt von allem Irdischen. Zur Einstimmung auf das Motiv begegnet der Besucher in der Hamburger Kunsthalle Werken anderer Maler, die sich von dem Hochgebirge haben inspirieren lassen: Ferdinand Olivier (1785-1841), Ludwig Richter (1803-1884), Heinrich Reinhold (1788-1823) zum Beispiel. Sie haben meist die Alpen erlebt, als sie auf dem Weg zur obligatorischen Studienreise nach Italien waren. In ganz Europa begeisterte man sich für die Alpen - Künstler, Wissenschaftler und Dichter.
Schon früh (1803 / 04) erlebte Karl Friedrich Schinkel diese beeindruckende Landschaft. 1811 schuf er Federzeichnungen vom Königssee oder vom Wasserfall bei Gastein. Er war einer der ersten Künstler, welche die Alpen zeichnerisch entdeckten. 1813 malte Schinkel in einem relativ kleinen Format den "Blick auf den Mont Blanc", allerdings ohne diesen Berg je gesehen zu haben. Das Bild des Mont Blancs gilt nicht zuletzt wegen seines Entstehungsdatums vor den Befreiungskriegen auch als Darstellung eines besonderen Freiheitssymbols.
Auch Friedrich sah den Watzmann nie. Für das Bild verwendete er eine Aquarellstudie seines früh verstorbenen Schülers August Heinrich (1794-1822), die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist, weiter Skizzen, die Friedrich auf seinen Reisen in den Harz und ins Riesengebirge fertigte. Durch diese geschickte Montage wird der Künstler heute von Kunsthistorikern als "intellektueller Romantiker" geschätzt.
Schon 1937 würdigte Eberhard Hanfstaengl Friedrichs "bildnerische und dichterische Kraft, mit der er eigenes und fremdes Naturbild in eine phantasievolle Form bringt, die alles Vedutenhafte verliert und zu einem Inbegriff der Gebirgsdarstellung wird".
"Die Kunst tritt als Mittlerin zwischen die Natur und den Menschen", sagte Caspar David Friedrich einmal. "Das Urbild ist der Menge zu groß und erhaben, um es erfassen zu können. Das Abbild als Menschenwerk liegt näher dem Schwachen, und so erklärt sich auch wohl die öfter gehörte Äußerung, daß das Abbild mehr gefalle als die Natur. Oder die Redensart: Es ist so schön, als wenn es gemalt wäre; statt von einem Gemälde zu sagen, es sei so schön, als wenn es Natur wäre." - Unnötig, diese Feststellung zu ergänzen. Peter van Lohuizen
Caspar David Friedrich: "Der Watzmann" (1824/25, Öl auf Leinwand; Leihgabe der DekaBank an die Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie Berlin) und "Das Eismeer" (um 1823/24, Öl auf Leinwand) |
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