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Weiter Machtspiele auf dem Balkan

 
     
 
Klare Verhältnisse gibt es eigentlich nur in Slowenien: Der langjährige Ministerpräsident Drnovsek konnte Anfang Dezember die Stichwahl um das Präsidentenamt für sich entscheiden, was auch ein Erfolg für die Linke in diesem Fast-schon-EU-Mitglied ist. Der Unabhängigkeitskampf war für Slowenien kurz und vergleichsweise wenig blutig. Und jene Kriegsverbrechen, die im Zusammenhang mit den AVNOJ-Beschlüssen auf dem Gebiet Sloweniens begangen worden waren, gehören seit Absegnung der noch wesentlich fataleren Benesch-Dekrete
durch die EU endgültig einer Vergangenheit an, die keiner zu bewältigen braucht.

In Montenegro hingegen müssen die Präsidentenwahlen vom 22. Dezember wiederholt werden, denn es hatten sich weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten zum Urnengang aufgerafft. Der bisherige Präsident Djukanovic, der den Austritt aus der (fiktiven) Föderation mit Serbien anstrebt, war nach dem Sieg bei den Parlamentswahlen im November zurückgetreten, um das wesentlich wichtigere Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen. An der Staatsspitze will er einen seiner Gefolgsleute installieren, und früher oder später dürfte ihm das auch gelingen. Kriegsverbrechen im eigentlichen Sinn gab es in Montenegro nicht - nicht einmal gegen die albanische Minderheit -, und die üblichen Mafia-Morde machen keine Schlagzeilen.

In Serbien selbst ist die Präsidentenwahl gescheitert: Im September hatte der "gesamtjugoslawische" Präsident Kostunica die absolute Mehrheit verfehlt, und die beiden Stichwahlen im Oktober und Dezember waren wegen zu geringer Beteiligung ungültig.

Da das Mandat des bisherigen serbischen Präsidenten Milutinovic, eines Milosevic-Gefolgsmanns, mit Jahresende auslief, ist nun die Parlamentspräsidentin interimistisches Staatoberhaupt. In Serbien wie in Montenegro gab es offene und versteckte Boykottaufrufe jener Gruppen, die den jeweils aussichtsreichsten Kandidaten sabotieren wollten. In Serbien spielte dabei Ministerpräsident Djindjic, der Intimfeind Kostunicas, eine besonders zwielichtige Rolle.

Mit dem Amt verlor Milutinovic auch die Immunität. Djindjic hatte schon vorweg angekündigt, Milutinovic an Den Haag auszuliefern, aber dieser will, wie er sagt, freiwillig nach Den Haag gehen, weil er sich keiner Schuld bewußt sei. Djindjic - bisher Liebling des Westens und der Hochfinanz - hat natürlich allen Grund, sich "gefällig" zu zeigen, denn er ist durch die im Oktober aufgeflogene bosnisch-serbische Waffenschmuggelaffäre Richtung Irak belastet.

Während bisher nur von Material für veraltete MIGs die Rede war, könnte via Belgrad auch das tschechische Ortungssystem "Tamara" an Saddam Hussein gegangen sein, mit dessen Hilfe es den Serben gelungen war, einen US-Tarnkappenbomber vom Himmel zu holen.

Nach dreiwöchiger "Weihnachtspause" wurde in Den Haag der Prozeß gegen Milosevic wieder aufgenommen - mit der Einvernahme eines Belastungszeugen, eines als "K-2" getarnten ehemaligen Miliz-Mitglieds. Im Kreuzverhör durch Milosevic mußte K-2 allerdings einräumen, daß er vor zwei Jahren in Belgrad an der Ermordung des berüchtigten Bandenführers Arkan beteiligt war. Auch der Wert der Tarnung darf somit bezweifelt werden, denn erst kürzlich war im Kosovo ein ehemaliger Rebellenführer samt Begleitern ermordet worden: Er hatte vor einem mit internationalen Richtern besetzten Gericht gegen ehemalige UCK-Kämpfer ausgesagt.

Inzwischen warf der serbische Justizminister dem Tribunal in Den Haag Einseitigkeit zum Nachteil der Serben vor. Ein kurioser Vorwurf, denn mit all der Geschäftigkeit um die wenigen greifbaren Delinquenten scheint man ohnehin ganz auf "ethnischen Proporz" bedacht zu sein. Gilt es doch, rückwirkend und vorausschauend davon abzulenken, daß Kriegsverbrecherprozesse immer nur Siegerjustiz sind und kein einziges zukünftiges Kriegsverbrechen verhindern.

Einem Milosevic wird man keinen Mord und wahrscheinlich nicht einmal einen Befehl dazu nachweisen können. Es genügte nämlich schon, daß die Führung ihren Leuten "freie Hand" signalisierte. Aber worin unterscheidet sich dann eigentlich Milosevic von jenen westlichen und östlichen Politikern, die ihm ihrerseits jahrelang freie Hand signalisiert hatten? So besehen, wäre der Vorwurf der Einseitigkeit wieder mehr als berechtigt!

Der frühere ÖVP-Obmann und Vizekanzler Busek, der seit einem Jahr "Koordinator des EU-Stabili-tätspakts für den Balkan" ist, mußte vorige Woche bei einer Podiums- diskussion einräumen, daß es an "politischen Lösungen" fehle, was die wirtschaftliche Entwicklung gefährde. Wie wahr! Aber Lösungen setzen realistische Ziele voraus, und weder Busek noch seine Auftraggeber würden je zugeben, daß man mit multiethnischen Konstrukten nie aus der Sackgasse kommen wir
 
     
     
 
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