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Wenn Allenstein gegen Hindenburg spielt: Kicker in der Krise

 
     
 
Keine Frage, der polnische Fußball hat schon bessere Zeiten erlebt. 1974 und 198 wurde die Nationalmannschaft jeweils WM-Dritter, Stars wie Lato oder Boniek sind noc heute überall bekannt. Nach 1982 begann jedoch eine lange Durststrecke; unser östliche Nachbar konnte sich mit Ausnahme der WM 1986, bei der das Achtelfinale erreicht wurde für keine einzige Welt- und Europameisterschaft mehr qualifizieren.

Nach dem torlosen Remis gegen England am 8. September ist jetzt immerhin die Teilnahm an der EM 2000 in Belgien und den Niederlanden in den Bereich des Möglichen gerückt. A 9. Oktober, wenn die deutsche Elf in München gegen die Türkei
um den Gruppensie streitet, benötigen die Polen bei Spitzenreiter Schweden lediglich ein Unentschieden, u sich vor den Engländern den zweiten Platz zu sichern. Über eine Relegationsrund bestünde dann die Chance, die Qualifikation zu schaffen.

Selbst wenn man der Nationalmannschaft einen Aufwärtstrend bescheinigt – Testspielsiege über Rußland, die Ukraine, Israel und Tschechien seit Mai 1998 spreche dafür –, so ist doch der Stellenwert des Fußballs in Polen heute nicht mit dem in den 70er oder 80er Jahren zu vergleichen. Das kann man besonders deutlich an de Zuschauerzahlen ablesen.

So sahen 80 000 Menschen den 2:0 Heimsieg über England im Oktober 1973, der letztlic die Qualifikation zur WM 1974 bedeutete, während sich zu dem ähnlich wichtige EM-Qualifikationsspiel gegen England vor viereinhalb Wochen ganze 14 000 Besuche einfanden.

Noch deutlicher ist der Rückgang in der Ersten Liga erkennbar, in der fünfstellig Zuschauerzahlen längst die Ausnahme geworden sind. Verantwortlich für das Desinteress sind neben dem Niedergang der Nationalmannschaft vor allem die wesentlich häufiger als in Deutschland vorkommenden Krawalle. Einer Meldung vom März dieses Jahres zufolg zerstörten Hooligans am Rande des Spiels zwischen LKS Lodsch und Pogon Stettin acht Buss und vier Straßenbahnen. Derartige Gewaltexzesse sind keineswegs eine Seltenheit.

Auch im Vorfeld des Länderspiels gegen England kam es zu schweren Auseinandersetzunge zwischen Anhängern beider Länder. Neun Briten mußten verletzt in Krankenhäuse eingeliefert werden, drei erlitten Stichwunden.

Unter den ohnehin wenigen Zuschauern befindet sich ein gehöriger Anteil vo Krawallmachern, der offensichtlich zahlreiche Familien vom Besuch der Spiele abhält. Ei polnischer Zuschauer eines Bundesligaspiels im Münchner Olympiastadions zeigte sic jüngst angesichts der Verhältnisse in der Heimat beeindruckt davon, daß es bei eine Kulisse von 60 000 Menschen so friedlich zugehen kann.

Eine zweite Erklärung für den Ansehensverlust des polnischen Fußballs ist die Korruption an der Spitze des nationalen Verbandes PZPN. "Der PZPN ist die letzt Hochburg des Sozialismus in Polen", behauptete die liberale Zei-tung "Gazet Wyborcza" im Hinblick auf den langjährigen Präsidenten Marian Dziurowicz. Imme wieder war in den vergangenen Jahren von Bestechung, Schiebung und Steuerbetrug die Rede.

Jacek Debski, der für den Sport zuständige Staatssekretär im Innenministerium, hatt vor einem guten Jahr die Führung der Verbandsspitze suspendiert, weil sie ihre Büche nicht offenlegen wollte. Am Ende zog er in dieser Auseinandersetzung aber doch de kürzeren, da Dziurowicz Schützenhilfe von der UEFA erhielt. Diese verwehrte sich gege jegliche staatliche Einmischung in einen ihrer Mitgliedsverbände und drohte mit de Ausschluß Polens.

Im Juni dieses Jahres wurde Dziurowicz abgewählt und durch den frühere FIFA-Schiedsrichter Michal Listkiewicz ersetzt. Ob diesem die überfällige Refor gelingt, bleibt abzuwarten.

Eine dritte Ursache des Niedergangs ist darin zu sehen, daß die besten polnische Kicker im Ausland spielen. In der Anfangsformation des Qualifikationsspiels gegen Englan standen nur zwei Akteure, die bei polnischen Vereinen unter Vertrag stehen. Insgesamt 1 Polen verdienen allein in der deutschen Bundesliga ihr Geld, darunter die aktuelle Nationalspieler Adam Matysek (Bayer Leverkusen), Tomasz Waldoch (Schalke 04), Tomasz Hajt (MSV Duisburg), Krzysztof Nowak und Andrzej Juskowiak (beide VfL Wolfsburg). Nur die Kroaten sind in der Bundesliga als Nichtdeutsche mit 16 Akteuren noch häufiger vertreten.

Es verwundert angesichts dieser Spielerwanderung nicht, daß die Bundesliga in Pole mit großem Interesse verfolgt wird. Aber auch die deutsche Nationalmannschaft erfreu sich eines hohen Ansehens. Selbst in einer Kleinstadt wie Krotoschin in der ehemalige preußischen Provinz Posen trifft man Jugendliche mit Bayern-Schals un Deutschland-Trikots.

Abgesehen von den polnischen Spielern kicken auch einige Schlesier in der deutsche Eliteklasse. Dariusz Wosz (Hertha BSC Berlin) brachte es sogar zum deutsche Nationalspieler, aber auch Martin Max (TSV 1860 München) aus Tarnowitz oder Thoma Sobotzik (1. FC Kaiserslautern), der seine Laufbahn bei Piast Gleiwitz und Gorni Hindenburg startete, haben sich in der Ersten Liga fest etabliert.

Zumindest auf deutsche Wurzeln lassen Familiennamen wie Reiss oder Klos schließen, die sich beide als Torschützen in der Landesauswahl hervortaten. Piotr Reiss, der übe Kotwica Kurnik (Kornik), Amica Wronke (Wronki) und Lech Posen 1998 zu Hertha BSC Berli kam, ist auch den deutschen Fußball-Fans ein Begriff.

Ebenfalls auf deutsche Vorfahren lassen die nicht polonisierten Familiennamen und die jeweiligen Vereine von Preis (Stomil Allenstein), Brehmer (Polonia Beuthen), Hilscher un Boldt (beide Elana Thorn), Rabe (Odra Stettin), Feidt und Predehl (beide Lechia/Poloni Danzig) sowie Hübscher und Grad (beide Karkonosze Hirschberg) schließen. Mit Ausnahm von Allenstein spielten diese Vereine in der vergangenen Saison allerdings ausschließlic in der Zweiten Liga. Insgesamt gesehen bilden die Spieler mit einer zu vermutende deutschen Herkunft im polnischen Spitzenfußball nur eine sehr kleine Gruppe.

Was die polnische Nationalmannschaft betrifft, so könnte an diesem Samstag in Stockholm ein großer Schritt in Richtung EM-Teilnahme erfolgen. Möglicherweise geling es den Polen ja schon bald, an die beachtlichen Erfolge der Vergangenheit anzuknüpfen.

Auch die Tschechen wurden 1996 – 20 Jahre nach dem Gewinn des EM-Titels – völlig überraschend Vize-Europameister. Und gerade in Tschechien gab der polnisch Nachwuchs im Frühjahr Anlaß zur Hoffnung: Bei der U16-Europameisterschaft wurde ma hinter Spanien und noch vor Deutschland Zweiter
 
     
     
 
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