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Was die Soldaten auf die Palme bringt

 
     
 
Danke!" rief ironisch der Deutsche Bundeswehrverband in großformatigen Anzeigen der Bundesregierung zu - wenige Tage bevor das Kabinett den Einsatz der Bundeswehr im Kongo beschloß. Der Verband, der sich als Gewerkschaft der Soldaten versteht und 210000 Mitglieder vertritt, "bedankte" sich für die 2,5 prozentige Kürzung des Gehalts aller Soldatinnen und Soldaten, die dafür als "Ausgleich" in einen neuen Einsatz, nämlich den im Kongo, geschickt werden. "So geht es nicht weiter", schrieb der Bundeswehrverband: "Sparen beim Personal muß ein Ende haben."

Was die Soldaten auf die Palme bringt: Die Bundesregierung plant, die Sonderzahlungen an Soldaten, etwa für gefährliche Einsätze im Ausland, auf 30 Prozent eines Monatsgehalts zusam-menzustreichen. Aber: "Gleichzeitig sollen mindestens 500 Soldaten ihren Kopf im Kongo hinhalten, und so mancher Politiker denkt über erweiterte Einsätze nach", liest man in der Anzeige. Unterschrieben ist sie vom Bundesvorsitzenden Bernhard Gertz.

Länger ist bekannt, daß deutsche Soldaten
, von denen in den letzten zehn Jahren fast 200000 im Ausland eingesetzt waren, nicht ausreichend für diese Aufgaben ausgerüstet sind. Die jüngsten Berichte der Wehrbeauftragten sprechen eine deutliche Sprache. Immer wieder wiesen sie darauf hin, daß die Bundeswehr unterfinanziert sei, und das wirkt sich bis in die banalsten Dinge des Alltags aus.

So berichtet der Wehrbeauftragte, daß zahlreiche Soldaten vor dem Einsatz Kampfstiefel in falscher Größe erhalten hätten mit der Zusicherung, sie würden sofort im Ausland gegen passende getauscht. Tatsächlich habe es dort gar keine anderen Stiefel gegeben. Hubschrauberbesatzungen bekämen nicht die notwendige Anzahl ihrer Lederkombinationen, deutsche Soldaten auf dem Balkan hätten feststellen müssen, daß ihre Einsatzfahrzeuge vom Typ "Wolf" häufig ausfielen; das Gefährt hat nämlich eine Zusatzpanzerung erhalten, für die es nicht ausgelegt war. Container, aus denen Einsatzrettungszentren zusammengesetzt werden, fehlten; 2005 hätten nur etwa 50 Prozent der vorgesehenen Ausstattungen beschafft werden können. Die Unterkunft-Container seien häufig überbelegt, weil es zu wenige gebe.

Vor einigen Tagen meldeten die Medien, Angehörige einer deutschen Spezialeinheit in Afghanistan hätten sich spezielle Fernrohre bei Tchibo kaufen müssen, obwohl diese eigentlich zur Standardausrüstung gehörten. Sie hätten sich sogar von ihrem privaten Geld Tarnanzüge in "Outdoor-Shops" (Läden, die Uniform und Zubehör frei verkaufen) kaufen müssen, weil die Bundeswehr ihnen keine geben konnte - alles Folgen der zahlreichen Sparrunden.

Zu den drastischen Kürzungen beim Wehretat paßt kaum, daß Berlin die Truppe großsprecherisch für immer neue Auslandseinsätze "verleiht", in denen es um das Leben der jungen Frauen und Männer gehen kann. Beim mindestens 56 Millionen Euro teuren Einsatz im Kongo handelt es sich sogar um eine besonders fragwürdige Operation. Der Kongo könnte wegen seiner Bodenschätze das reichste Land Afrikas sein. Trotzdem stirbt die Bevölkerung durch Hunger. Grund: Korruption und die Unfähigkeit der Führungsschicht. Die "Frankfurter Allgemeine" schildert die Verhältnisse im Hafen von Matadi, dem Haupteinfuhrhafen am Unterlauf des Kongo-Flusses, in düsteren Farben. Der kleine Hafen habe eine Kapazität von 3500 Containern. Gegenwärtig aber lagerten dort etwa 7000, es herrsche ein heilloses Chaos. So würden für den Export bestimmte Container mit solchen vermischt, die mit Importwaren gefüllt seien. Da leere Container auf die anderen geladen würden, wisse kein Mensch mehr, wo eigentlich was gelagert ist. Und: "Es gibt keine Gerätschaften für das Laden und Löschen der Schiffe." In dem Land herrsche, so die Zeitung, eine "Kleptokratie", die Diebe haben das Sagen.

Waren zunächst 500 deutsche Soldaten dafür angesetzt, die mehrfach verschobenen Wahlen Ende Juli zu überwachen, sind es jetzt überraschend fast 800. Ob es dabei bleibt, ist offen. Auch die offiziell angekündigte Dauer der Operation von nur vier Monaten wird offen in Frage gestellt. Und wie es nach dem eventuellen Abzug der europäischen Truppen in dem durcheinandergewirbelten Land weitergeht, daran traut sich niemand zu denken.

Nach Uno-Angaben verlieren in dem Land täglich etwa 1000 Menschen im Bürgerkrieg ihr Leben. Die führenden Politiker unterhalten Privattruppen, auch Präsident Kabila hält sich eine eigene Miliz, die auf 12000 bis 15000 Mann geschätzt wird. Sein Gegenkandidat verfährt nicht anders.

Skeptiker rechnen damit, daß ein Wahlergebnis von der unterlegenen Partei nicht akzeptiert wird. Was sollen dann in einem Land, das größer ist als Westeuropa, ganze 1700 europäische Soldaten ausrichten? Und wie sollen sie aus dem Hexenkessel wieder herauskommen? Die als Fluchtweg vorgesehene Straße zum Flughafen ist nach Ansicht von Sicherheitsfachleuten wegen ihrer Länge von 30 Kilometern nicht zu sichern. Und für den Rückzug über den Kongofluß ins Nachbarland Kongo-Brazzaville würden Boote benötigt, die nicht vorhanden sind.

Kritiker fragen überdies: Wieso stellen gerade die Deutschen das allergrößte Kontingent? Zahlreiche europäische Staaten haben den Kongo im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Kolonialherren brutal ausgebeutet. Deutschland war nie dabei.

Selbst Außenpolitiker der Regierungsparteien halten das Vorgehen der Koalition schlicht für verantwortungslos. Die Berichterstatterin im Außenpolitischen Ausschuß des Bundestages, die CDU-Abgeordnete Anke Eymer (Lübeck), hat sogar ihr Amt zurückgegeben, weil "die ganze Vorbereitung äußerst chaotisch verlaufen" sei. Sie läßt offen, ob sie der "abenteuerlichen Mission" Anfang Juni im Bundestag zustimmt.

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