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Was wäre, wenn ... - eigentlich sollte man sich ja weder im wirklichen Leben noch in der Politik solchen Spekulationen hingeben. Aber manchmal reizt es eben, der Phantasie freien Lauf zu lassen und darüber nachzudenken, ob die Dinge nicht doch anders (will sagen: nicht ganz so dumm) laufen könnten. Gönnen wir uns zum nun anstehenden Ausklang dieses ereignisreichen Jahres das Vergnügen.
Also: Was wäre, wenn nach den nächsten beiden Landtagswahlen sowie sonstigen Desastern einige Parteifreunde des Kanzlers Rücktrittsdrohung als -versprechung auffassen würden? Die rot-grün e Parlamentsmehrheit müßte versuchen, einen neuen Kanzler zu küren. Das könnte zum Beispiel Superminister Wolfgang Clement sein. Der mag die Grünen nicht, was ihn durchaus ehrt, also würde er wohl nicht gewählt - Rot-Grün wäre am Ende.
Ob die Union genügend Stimmen für ein konstruktives Mißtrauensvotum und eine von Edmund Stoiber geführte schwarz-gelbe Koalitionsregierung zusammenbringt, ist eher fraglich; trotz allen Frusts dürfte es bei Sozialdemokraten und Grünen so viele Überläufer doch nicht geben, wie zur Kanzlermehrheit benötigt würden.
Also bliebe nur die eigentlich allseits ungeliebte große Koalition. Stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag ist und bleibt die SPD. Dieser aus Unionssicht beklagenswerten Tatsache verdanken wir nicht nur Herrn Thierse als Parlamentspräsident, sondern auch den derzeitigen und den künftigen Kanzler, solange das Volk nicht erneut an die Urnen gerufen wird. Wenn Schröder also seine schauspielerischen Talente auf die Darstellung des alternden Früh-rentners verlagert, wird die SPD einen neuen Kandidaten zu benennen haben. Auch in diesem Falle dürfte der Wolfgang Clement heißen. Und es gibt auch jenseits der Sozialdemokratie und ihrer derzeitigen Verbündeten nicht wenige, die den vormaligen NRW-Ministerpräsidenten für durchaus geeignet halten, besser jedenfalls als seinen derzeitigen Regierungs-Chef.
Wen aber sollte die Union ins Rennen schicken? Stoiber? Bayerns Nummer 1 würde natürlich nur nach Berlin gehen, wenn er auch dort die Nummer 1 wäre - Bundesminister und Vizekanzler, das hat nicht das gleiche Gewicht wie das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten.
Also Angela Merkel? Daß die CDU-Vorsitzende bei der Verteilung von Ämtern und Würden plötzlich die "Neue Bescheidenheit" entdeckt, ist wohl nicht zu befürchten. Aber sie wird sich - nachdem sie erst einmal gekostet hat, wie gut politische Macht schmecken kann - kaum mit der Rolle der Nummer 2 abfinden wollen. Außerdem: Gerade in einer großen Koalition mit ihrer extrem breiten Mehrheit schwindet die Fraktionsdisziplin schnell dahin. Da meint jeder "Hinterbänkler" sich nach Belieben und ohne bleibende Schäden profilieren zu dürfen. Daher bedarf es einer besonders straffen und professionellen Fraktionsführung. Wie wichtig (und letztlich erfolgreich) das ist, hat die SPD in den Jahren 1966 bis 1969 vorgeführt. Daher wäre Frau Merkel gut beraten, sich auf die Führung von Partei und Fraktion zu konzentrieren und weiteren Verlockungen der Macht zu widerstehen.
Wer aber käme sonst in Frage? Angenommen, Koch und Wulff gewinnen ihre Landtagswahlen: Glaubwürdigkeit und politischer Anstand gebieten es, da zu bleiben, wo man für vier Jahre gewählt wurde. Bleibt am Ende nur einer: Friedrich Merz. Für den wäre, nach Merkels zum Glück mißlungenen Demontageversuchen, Vizekanzler- und Ministeramt ein echter Aufstieg. Außerdem wäre er aufgrund seiner Sachkompetenz für Clement der ideale Nachfolger.
Gewiß, das sind alles nur Träumereien. Aber manchmal werden ja auch Träume wahr. In letzter Zeit allerdings handelte es sich dabei fast nur noch um Albträume . |
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