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Das Buch „Die Militäraufklärung der NVA“ stellt die Doktorarbeit eines Berliner Politikwissenschaftlers dar. In jahrelanger Forschungsarbeit hat er den in der Öffentlichkeit Ost-, aber auch Westdeutschlands kaum bekannten militärischen Spionagedienst der DDR – die „Verwaltung Aufklärung“ (VA) – untersucht. Neben Quellen öffentlicher Archive und nicht-öffentlicher Sammlungen sowie etlichen geheimen Papieren standen ihm über 80 hochrangige Zeitzeugen zur Verfügung; dabei besaß er überaus gute Kontakte zu wichtigen Führungsträgern jenes Geheimdienstes. In der Tat ist das Buch mit seinen insgesamt 3410 Fußnoten als eine „umfassende Enzyklopädie“ zu werten.
Erstmals werden darin die verschiedenen Leiter der „VA“ ausführlich porträtiert, deren wichtigste Gebäudeanlagen beschrieben und selbst ihre geheimen Finanzmittel dargelegt. Der Leser erfährt etwas von den eingesetzten Mitteln und Methoden, von direkten Agenten und ihren Führungsoffizieren, über sogenannte Illegale bis hin zu Militärattachés. Anhand vieler konkreter Einzelfälle erlebt man die verschiedenartigen Methoden der Einschleusung, die „Treffs“ sowie die Funk-Aufklärung. Ziele dieser Spionage waren naturgemäß alle Stellen der Nato, das Bundesverteidigungsministerium, die Bundeswehr-Einheiten genauso wie die Rüstungsindustrie. Geographisch nahm das „Operationsgebiet“ West-Deutschland den absoluten Schwerpunkt ein, aber auch die Seehäfen Amsterdam und Rotterdam sowie dänische Küstenstreifen waren von großem Interesse. Die große Frage, ob diese Spionage nur der Verteidigung des Warschauer Paktes dienen sollte oder zu Angriffszwecken, läßt das Buch eigentlich offen.
Äußerst interessant ist das Kapitel über die „Konkurrenz“ in Form westlicher Spionagedienste wie primär der CIA und des bundesdeutschen BND.
Daß die „Verwaltung Aufklärung“ sich ständig vergrößerte, auch gerade in Zeiten der „Entspannung“, sollte eigentlich niemanden überraschen. Viele Seiten beinhalten dann jedoch ihr Ende.
Daß die Spione der „VA“, sofern sie aus dem Westen stammten, nach der Wiedervereinigung straffrei ausgehen würden, war eine naive Hoffnung: Hatten sie doch gegen bestehende bundesdeutsche Gesetze verstoßen. Über das weitere Schicksal ihrer Führungsoffiziere kann man sehr geteilter Meinung sein; glaubten diese wirklich, mit offenen Armen im Westen aufgenommen zu werden?
Bodo Wegmann: „Die Militäraufklärung der NVA“, H.J. Köster Verlag, Berlin, 714 Seiten, 48 Euro |
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