|
Bauen Sie erst mal eine Strecke zu Hause", sagte 1990 der amerikanische Präsident George Bush sen. zum damaligen deutschen Thyssen-Chef Professor Dietrich Spethmann, der ihn in Washington auf das in Deutschland entwickelte Transrapid-Verkehrssystem angesprochen hatte.
Das ist mittlerweile mehr als zwölf Jahre her, aber eine international vorzeigbare Strecke des "weltweit besten Nahverkehrssystems der Welt", wie Spethmann den von ihm geförderten Transrapid nennt, gibt es in Deutschland noch immer nicht, wohl aber in China, wo dieses System auf einer 30 Kilometer langen Strecke vom Zentrum Shanghai s zum Flughafen Pudong in nur 22 Monaten gebaut wurde. Dort sind an den Wochenenden bis jetzt schon fast 100.000 Besucher mit 430 Stundenkilometern von der Longyang Road Station zum Airport im "Flug auf Höhe Null" und zurück geschwebt, obwohl der kommerzielle Verkehr noch gar nicht begonnen hat.
Die Financial Times Deutschland berichtete vor genau einem halben Jahr, daß Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Wirtschaftsminister Wolfgang Clement unter dem Eindruck der chinesischen Ankündigung, die Strecke von Shanghai auf 300 Kilometer zu verlängern, "den Durchbruch dieser Technologie auch für Deutschland erwarten". Auf dem Rückflug von der problemlosen Jungfernfahrt des Metrorapid verkündete Clement, fernsehgerecht über den Wolken schwebend: "Wir haben die noch offenen Fragen über die Planung und private Finanzierung für den Metrorapid im Prinzip geklärt." Die Magnetschwebebahn solle Dortmund und Düsseldorf verbinden und bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 fertig werden.
Mit dem jüngsten Beschluß beim Koalitionsgerangel der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen (NRW), den Metrorapid doch nicht zu bauen, bleibt der Traum auf der Strecke, mit "Tempo 300" durchs Revier zu fahren, für die Arbeitnehmer die Wege zur Arbeit zu verkürzen und den Straßenverkehr zu entlasten. Einmal mehr wird deutlich, daß in Deutschland derzeit eine vernünftige Koordinierung von Politik und Wirtschaft und die von Bund und Ländern praktisch nicht möglich ist.
Dieses schlechte Zeugnis für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands paßt nicht zu den immer neuen Deklarationen vom "Neustart" und vom "Aufschwung". Wohin man schaut, liegen Fußangeln und Stolpersteine auf dem Weg in die Zukunft. Weil nunmehr NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) den Metrorapid auf dem grünen Altar opfert, soll statt dessen "eine schnelle S-Bahn" zusammen mit der Deutschen Bahn AG im Ruhrgebiet gebaut werden, und das mit den vom Bund für die Magnet-Schnellbahn vorgesehenen 1,75 Milliarden Euro. Spethmann wittert Unrat: "Ich denke, die Entscheidung geht auf den Widerstand der Deutschen Bahn zurück. Es haben sich erneut die Leute durchgesetzt, die bereits die Strecke Hamburg-Berlin gekippt haben und schon 1988 gegen den Vorschlag für eine Magistrale Hamburg-München vorgegangen sind", meint der Transrapid-Professor in einem Interview mit der in Kassel erscheinenden HNA. Bei der Magnet-Schwebebahn handele es sich um einen "Quantensprung", und das wisse man bei der Deutschen Bahn AG ganz genau, meinte er. Könnten doch mit dem Metrorapid "mehr als zwei Drittel aller Arbeitnehmer im Revier in weniger als 60 Minuten an ihre Arbeitsplätze gelangen".
Demnach sieht Spethmann den Widerstand in erster Linie bei den Vertretern des Rad-Schiene-Systems. Kein Wunder, denn dieses herkömmliche System verfügt über eine beträchtliche Lobby, hier und da fast mystisch zur Glaubensfrage überhöht, meist aber wirtschaftlich bedingt.
"Die haben schon als Kinder mit der HO-Spur-Eisenbahn gespielt" höhnen Anhänger der Magnetschnellbahn. Sie halten vehement dagegen: "Schweben statt fahren, gleiten statt rollen charakterisiert das Prinzip des Transrapid wohl am besten. Die Magnetschnellbahn Transrapid ist ein Verkehrssystem, das insbesondere im Hinblick auf Schnelligkeit, Sicherheit und Komfort neue Maßstäbe setzt. Sein technisches Grundprinzip beruht auf berührungs- freiem Tragen, Führen, Antreiben und Bremsen durch elektromagnetische Kräfte."
Vorerst sind die Hoffnungen auf eine weltweit wirksame Referenzstrecke durch das Ruhrgebiet mit der Kapitulation Steinbrücks vor den Grünen zerstört worden. Da Steinbrück den Bundeskanzler und seinen Wirtschaftsminister nach China begleitet hatte, wird das "Aus" für den Metrorapid auch für Schröder und Clement entweder zum Umfall oder zur Provokation.
Galt doch Clement, der frühere Ministerpräsident von NRW, als einer der größten Befürworter des Metrorapid-Projekts, der über den Wolken schwebend verkündete: "Was wir von der China-Reise mitnehmen, ist, daß wir in fünf, sechs wichtigen Technologiebereichen wieder Platz eins in der Welt sind." Dazu zählte er mit Recht die Verkehrstechnologie, der seine NRW-Genossen nunmehr einen schweren Schlag versetzt haben. Der weltweite Vorsprung Deutschlands in diesem Bereich droht verlorenzugehen, auch angesichts der chinesischen Anstrengungen, in dieser Technologie autark zu werden und weltweite Ambitionen zu entwickeln.
Zielstrebig versucht nun Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), aus dieser grün-roten Malaise eine Chance für sein Bundesland zu machen. Er will die Transrapidstrecke vom Frankfurter Hauptbahnhof über den internationalen Luftverkehrsknoten Rhein-Main zum rund 100 Kilometer entfernten Flughafen Hahn in Rheinland-Pfalz führen. Koch wird von SPD und FDP in Hessen unterstützt und kann auch im Nachbarland mit wohlwollendem Interesse rechnen. Kochs Vorstellungen und seine schnelle Reaktion sind auch für Nordhessen von größter Bedeutung, denn die hochqualifizierten Arbeitsplätze bei Transrapid in Kassel sind seit dem Verzicht auf die Ruhrgebietstrasse gefährdet. Die bestehenden Planungen für die Verbindung vom Münchener Hauptbahnhof zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen wären nach Ansicht der Hessen von ihren Planungen nicht berührt, weil diese kurze Strecke die Vorteile des Transrapidsystems nicht voll ausspielen könne, wie das bei Frankfurt-Hahn der Fall wäre.
Mit Blick auf die 1,75 Milliarden des Bundes, die für NRW vorgesehen waren, heißt es, sie seien für das Projekt der Hochtechnologie vorgesehen, und für nichts anderes. Verweigere sich die Bundesregierung, sei das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes als rot-grüne Luftnummer enttarnt.
Transrapid in Deutschland: Immer nur eine Zukunftsvision? |
|