|
Das Wort "Wildwest in Brandenburg" macht die Runde. Vergangene Woche lief der Prozeß gegen einen Angehörige der "XY-Bande", eine weitverzweigte Gruppierung aus dem Rotlicht- und Drogen-Milieu, die die Stadt Neuruppin fest im Griff hatte. Urteil: Zehn Jahre Haft. Die Mitglieder, unter ihnen etliche Honoratioren der Stadt, sollen sich untereinander an dem XY im Nummernschild erkannt haben. Doch schon bahnt sich ein neuer Skandal an, diesmal in der Stadt Brandenburg.
Bürgermeister Norbert Langerwisch wurde auf Antrag von Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann vom Ältestenrat der Stadt beurlaubt und läßt auch sein Amt als SPD-Vorsitzender der Stadt ruhen. Am 26. Januar soll die Stadtverordnetenversammlung die endgültige Entscheidung treffen. Für die Absetzung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Ausgelöst wurde die Affäre durch den Gastwirt Dirk R., gegen den Ermittlungen wegen bandenmäßigen Drogenhandel s und Geldwäsche laufen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei ihm außer Drogen auch 2.000 gefälschte Blanko-Wahlzettel zugunsten von Langerwisch gefunden. Langerwisch war im Herbst 2003 gegen die amtierende Oberbürgermeisterin Tiemann von der CDU angetreten und unterlegen.
Dirk R., der zur Zeit in Untersuchungshaft sitzt, behauptet, Langerwisch habe von den manipulierten Wahlzetteln gewußt, was dieser jedoch bestreitet. Der einzige Vorwurf, den er sich machen müsse, sei der, nicht genug Abstand zu Dirk R. gehalten und später eine nähere Bekanntschaft bestritten zu haben. Dessen Vorwürfe aber gehen noch weiter. Er behauptet, er sei von einem Vertrauten Langerwischs - einem Polizeibeamten - zum Druck der Wahlzettel angestiftet worden. Auch die Anregung zu einer Bombendrohung gegen eine Wahlveranstaltung von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sei von diesem Mittelsmann ausgegangen.
Die Staatsanwaltschaft sieht dafür keine Beweise und nicht einmal einen Anfangsverdacht gegen Langerwisch. Trotzdem hat die Brandenburger Oberbürgermeisterin seine Beurlaubung durchgesetzt. Ausschlaggebend war ein Geburtstagsbrief Langerwischs an R., der ihr Verhältnis verdächtig eng erscheinen läßt. Auszug: "Lieber Dirk, zu Deinem Geburtstag am 9. Juni 2004 wünsche ich Dir vor allem Gesundheit, Schaffenskraft und Erfolg in Deinen Geschäften. Ich gehe davon aus, daß wir im Interesse unserer Stadt Brandenburg gemeinsam noch einiges werden bewegen können ..." Langerwisch erklärte den vertraulichen Ton: Bei einer Wahlveranstaltung hätten Toiletten gefehlt. R. habe daher sein Lokal für die Bedürftigen geöffnet. Später habe er R. wie auch andere Wahlkampfhelfer zu Bier und Wildschwein eingeladen. In dieser Runde habe man sich halt geduzt.
Natürlich wird die Angelegenheit auch parteipolitisch ausgeschlachtet. Während die CDU und ihr Landeschef Schönbohm die Beurlaubung Langerwischs begrüßen, werden aus der SPD Zweifel laut. Unterdessen zieht die Affäre weitere Kreise. Langerwisch war vor seiner Tätigkeit als Bürgermeister nämlich Polizeichef von Brandenburg und soll in dieser Eigenschaft Dirk R. als V-Mann (verdeckter Ermittler) für das Landeskriminalamt empfohlen haben. Sein Anwalt behauptet sogar, R. sei im Auftrag des LKA in Drogenhändlerkreisen unterwegs gewesen. Mit V-Leuten hat Brandenburg schlechte Erfahrungen: 2002 war ein V-Mann des Verfassungsschutzes verurteilt worden, weil er selber "rechtsextreme" Musik vertrieben hatte, anstatt die Musikszene zu überwachen. Sein Führungsoffizier hatte davon gewußt und ihn sogar vor einer Razzia gewarnt. Nun wird der Fall Langerwisch und Dirk R. den Innen- und Rechtsausschuß des Potsdamer Landtags beschäftigen.
|
|