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In der griechischen Mythologie reitet Europa auf einem Stier. In der Praxis der Europäischen Gemeinschaft wird aus dem Stier eine Schnecke. Das mit vielen Erwartungen gefüllte EU-Gipfeltreffen in Berlin endete mit äußerst bescheidenen Ergebnissen. Für Deutschland ändert sich nichts: Die Bonner und demnächst Berliner Regierung bleibt der Zahlmeister Europas. Ansonsten: Es verständigten sich die Regierungschefs auf den italienischen Politiker Romano Prodi als Nachfolger des zurückgetretenen Brüsseler Kommissionspräsidenten Jacques Santer, den schwedische Zeitungen als hoffnungslosen Chaoten bezeichneten. Wenn das stimmen sollte, ist zu befürchten, daß der Brüsseler Augiasstall von Korruption , Günstlingswirtschaft und Subventionsbetrug nicht austrocknet.
In Fragen des deutschen Nettobeitrages an die Brüsseler Kassen kann Kanzler Gerhard Schröder selbst bei großzügigster Betrachtung nicht von einem Erfolg sprechen. Der Bonner Beitrag dürfte in den nächsten Jahren weiter steigen. In diesem Zusammenhang sorgte die Bonner CDU/CSU-Opposition für ein schiefes Bild: In mehreren Pressemitteilungen rechnete die Union vor, der deutsche Beitrag sei seit dem Jahre 1994 bereits um sieben Mrd. Mark zurückgegangen. Diese Zahlen decken sich jedoch nicht mit den Statistiken der Bundesbank, die den jährlichen deutschen Nettobeitrag zwischen 1994 und 1998 jeweils mit etwa 30 Mrd. Mark angibt. Vielleicht hätte Schröder wenigstens einen kleinen Erfolg haben können, da selbst die alte EU-Kommission den Deutschen bescheinigt hatte, sie würden finanziell zu hoch belastet. Aber der SPD-Kanzler hatte sich in seiner berühmt gewordenen Saarbrücker Rede zu weit aus dem Fenster gelehnt. Seine Forderung, die Deutschen dürften nicht länger Zahlmeister sein, war populär. Doch gehört es zu den wichtigen Grundsätzen der Politik, nie darüber öffentlich zu reden.
Schröder aber verhielt sich wie ein unerfahrener Junge. Und wieder einmal erweist sich, daß nicht jeder, der Kaschmir-Mäntel trägt, das Zeug zum Standesamt hat. Und auch ein maßgeschneiderter Anzug macht aus einem früheren Straßenkämpfer noch keinen Außenminister. Die Briten dagegen konnten ihren erkämpften Beitragsrabatt wieder retten. Für die deutschen Landwirte deutet sich nach der Agenda 2000 eine Zeitenwende an. Die großen Güter und die ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) der DDR werden überleben, während bäuerliche Familienbetriebe zu Zehntausenden in den Ruin getrieben werden dürften. Schröder hat in der Agrarpolitik zwei Fehler gemacht: Er hat die Nähe zu Frankreich nicht gesucht. Für den deutschen Nachbarn spielt die Agrarpolitik eine ungleich bedeutendere Rolle. Und seinen einzigen Triumph, die nationale Kofinanzierung aller EU-Zuschüsse, gab Schröder zu früh aus der Hand. Es fiel auf, daß der Deutsche Bauernverband zu all diesen um- brechenden Geschehnissen mit demonstrativer Härtnäckigkeit schwieg.
Zu den Gewinnern werden sich die südeuropäischen Länder zählen dürfen. Der Kohäsionsfonds, mit dem Spanien, Portugal und Griechenland an die Europäische Währungsunion herangeführt werden sollten, bleibt bestehen. Und das, obwohl die beiden iberischen Länder zur Teilnahme an der Währungsunion zugelassen wurden. Auch die Strukturfonds, deren Ergebnisse nach einer Untersuchung des Bonner Instituts Finanzen und Steuern kaum meßbar sind, werden weitergeführt. So bleibt das Europa der Kommissare eine gigantische Geldvernichtungsmaschinerie.
Schade eigentlich, doch die Lastenverteilung bleibt ungerecht. Die Deutschen sind nur als Zahlmeister geachtet, sonst allenfalls geduldet. Doch Ungerechtigkeit ist kein Fundament, auf dem stabile Häuser gebaut werden können.
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