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Der Überwachungsstaat mit dem "gläsernen Bürger" war lange das Schreckgespenst der deutschen Linken. Finstere Visionen vom totalen Zugriff der Behörden trieben sie auf die Barrikaden etwa gegen die für 1983 geplante Volkszählung, die daraufhin in arg abgespeckter Form erst 1987 durchgeführt werden konnte.
Das alles ist lange her. Es klingt wie ein Märchen aus unschuldigen Tagen. Denn jetzt geht es gegen "rechts", und alle Reflexe aus dem Erbgut des "Bürgerrechtlers" haben sich offenbar vollends verflüchtigt.
Ohne auch nur beschönigende Begleitfloskeln für nötig zu halten wollen Cottbus und Guben jetzt den "gläsernen Neonazi" schaffen. Daß die beiden brandenburgischen Gemeinden etwa gegen Gewalttäter energisch vorzugehen gedenken, kann jeder nur begrüßen. Der Maßnahmenkatalog indes wirft mit Verve Bürgerrechte gleich massenhaft über den Haufen.
Die Behörden wollen komplette "Personagramme" von als Neonazis ausgemachten Bürger erstellen, um und dies ist der springende Punkt "präventiv", also bevor überhaupt ein konkreter Tatverdacht vorliegt, gegen sie vorgehen zu können. Dafür sollen die Beamten Informationen beim Jugend- oder Sozialamt, bei Bewährungshelfern, bei Sportvereinen, bei Eltern, beim Arbeitgeber und im Freundeskreis einholen.
Der Cottbuser Polizeipräsident Jürgen Lüth nennt das gegenüber der "Berliner Zeitung" stolz "Pilotprogramm". Danach sollen Neonazis unangemeldet Hausbesuche von der Polizei bekommen und "isoliert werden". Autos und Führerscheine würden eingezogen. "Wenn uns Aktionen der Szene im Vorfeld bekannt werden, laden wir meldepflichtige Rechte freitags 22 Uhr aufs Revier und samstags um 8 Uhr gleich wieder". Welche "Aktionen" er meint, sagt Lüth nicht also ob es sich um private Feiern mit verdächtiger Musik, angemeldete Demonstrationen oder wirkliche Gewalttaten handelt. Überdies: Er spricht von "Rechten", nicht von Rechtsextremisten, die er schon mal vorsorglich abzugreifen gedenkt.
Helfen wollen offenbar die Stadtverwaltung, Bürgerinitiativen, Jugendeinrichtungen, die Staatsanwaltschaft und Gerichte (!). Letztere sind vom Gesetz zur Neutralität selbst gegenüber dringend verdächtigen Angeklagten verpflichtet.
Man mag sich beruhigen, daß diese Maßnahmen allein gegen eine kleine Minderheit gerichtet sind, denen wohl kaum jemand sonderliche Sympathien entgegenbringt. Doch das Instrumentarium, das hier geschaffen wird, gibt Anlaß zu ärgsten Befürchtungen. Was, wenn etwa eine PDS-Regierung derlei "Hilfsmittel" in die Hände bekommt? War nicht im DDR-Jargon jeder ein "Faschist", der den Kommunismus ablehnte? So wie selbst Herr Lüth sich nicht scheut, die "Rechten" schon heute pauschal als Zielgruppe seiner Orwellschen Phantasien zu benennen?
Es macht den Rechtsstaat aus, die staatsbürgerlichen Rechte auch all jenen zu garantieren, die ihn aus extremistischer Verblendung ablehnen. Diese Haltung ist kein Luxus, sondern aus der Erfahrung gewachsen, daß der Verstoß gegen jenes rechtsstaatliche Prinzip umgehend zum Mißbrauch einlädt. Daß dies ausgerechnet in Brandenburg nur elf Jahre nach dem Ende der letzten Diktatur in Deutschland schon wieder vergessen ist, stimmt alarmierend. Elisa Wachtner
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