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Woltmann will die KPM endlich flottmachen

 
     
 
Die Entscheidung wurde Montag vergangener Woche verkündet: Die Firma KPM, die Königliche Porzellan Manufaktur in Berlin, geht an eine Holding unter Jörg Woltmann, Chef der Allgemeinen Beamtenkasse. Der älteste Betrieb der Stadt, rund 170 Arbeitsplätze und eine große, 245 Jahre alte Tradition sind gerettet, jedenfalls vorläufig. Der 59jährige Woltmann ist Berliner. Die Rettung der KPM soll ihm ein persönliches Anliegen sein.

Jahrelang hatten Schließungs- und Insolvenzdrohungen die Zukunftsaussichten der Manufaktur verdunkelt. Daher wurde aufmerksam registriert, als Franz Wilhelm Prinz von Preußen sie 2004 vom Land erwarb. Damit war der Betrieb gewissermaßen in den Schoß der Familie zurückgekehrt. Schon Friedrich der Große
hatte 1763 die auch damals kränkelnde Manufaktur übernommen. Allerdings konnte der Prinz den Marsch in die roten Zahlen nicht aufhalten. Meldungen über seine mangelnde Präsenz machten zudem die Runde. Bereits dieser Kauf war von Woltmanns Beamtenkasse - einer Berliner Privatbank, die sich auf Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes spezialisiert hat - finanziert worden. Nun ist ihr Inhaber aus der zweiten in die ersten Reihe getreten.

Elf Millionen Euro hat ihn die KPM gekostet. Zusätzlich schießt das Land 300000 Euro für Pensionsansprüche zu. Drei Jahre lang wollen die Mitarbeiter auf ihr 13. Monatsgehalt verzichten.

Dem Einsatz stehen allerdings Grundstücke und Gebäude im Wert von 25 Millionen gegenüber. Um sicherzugehen, daß der KPM-Erwerb mehr ist als ein schnelles, geldwertes Schnäppchen, sind daher im Vertrag lange Fristen für einen eventuellen Weiterverkauf verankert.

Woltmann will mit einer energischen Marketingstrategie den Betrieb aus der Krise führen. So sollen Filialen am Berliner Kurfürstendamm und am Brandenburger Tor eröffnet werden. Damit hat der neue Inhaber eine besondere Schwachstelle in Angriff genommen, denn die öffentliche Präsentation der Manufaktur in der Stadt ist miserabel: Der in den 50er Jahren im Tiergarten errichtete KPM-Pavillon wurde erst vor einigen Wochen in eine Hamburger-Bude umgewandelt. Die Verkaufsstelle im Hotel Kempinski am Ku damm ist ebenfalls dicht. Das Geschäft in der Straße Unter den Linden wirkt mit seiner albernen Winter-Weihnachts-Schneemann-Dekoration von außen wie ein überteuerter Spielzeugladen. Im übrigen dominiert im Schaufenster weißes, funktionelles Porzellan, das zwar von hoher Qualität ist, aber genauso gut in einem modernen italienischen Designgeschäft ausgestellt werden könnte. Das berühmte, über 200 Jahre alte Kurland-Service mit hellgrünem Dekor, das die großartige Tradition der Marke KPM mustergültig verkörpert, wird geradezu lieblos ausgestellt. Als ungünstig erweist sich auch die unmittelbare Nähe eines Ladens für Meißener Porzellan, das von Touristen im Zweifelsfall schon wegen seines weit höheren internationalen Bekanntheitsgrades bevorzugt wird.

Beobachter sehen in der keineswegs zufriedenstellenden Vermarktung einen Grund für die Schieflage des Betriebs. Natürlich schlägt sich auch die Konsumzurückhaltung in Deutschland im Geschäftsergebnis nieder. Nur wenige kaufen noch teures Porzellan mit dem Gedanken, es an spätere Generationen zu vererben. Statt dessen stürzen sich zahllose Konsumenten lieber auf Ikea oder auf Billigware aus China. Um so wichtigerer wäre es, um jeden potentiellen Neukunden zu kämpfen. Denn es gibt auch weiterhin zahlungskräftige, darunter auch junge Kunden, die sich für Qualitätsware interessieren. KPM-Läden machen indes einerseits einen teuren Eindruck. Doch scheinen sich die Verkaufsstrategen bislang kaum darum bemüht zu haben, ihre hohen Preise etwa mit der Geschichte des Hauses zu rechtfertigen und zu erklären. Auch ein ansprechender Internetauftritt könnte Neukunden anlocken. Doch wer sich im Internet über KPM-Produkte kundig machen will, fühlt sich entweder auf "Rudis Reste-Rampe" versetzt - eine Berliner Ladenkette für Ramsch aller Art - oder die dort zu findenden Verweise führen ihn gar vollends ins Leere.

Große Probleme hat KPM überdies auf dem internationalen Markt. Zwar überreicht Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bei seinen Auslandsbesuchen gern KPM-Produkte - zuletzt in Tokio einen Porzellan-Bären -, doch das reicht nicht aus, um Internationalität herzustellen. Während die Meißener rund 50 Prozent ihres Umsatzes im Export erzielen, sind es bei KPM nur acht Prozent. Von haarsträubenden Pannen war die Rede: Verhandlungen über eine Italien-Repräsentanz seien geplatzt, weil die zuständige Managerin deren Umsetzung einer Freundin übertrug, die sich lediglich als Messe-Hostess herausstellte. Auf einer wichtigen Messe sei KPM gar nicht präsent gewesen, und einem Berliner Kaufhaus, einem Großkunden, sei es nicht gelungen, einen telefonischen Kontakt herzustellen. Man habe nach wie vor Vertrauen in die KPM-Produkte, aber nicht mehr in die Betriebsleitung, hieß es. Auf Jörg Woltmann sind nun alle Hoffnungen gerichtet, daß er dies rasch ändert.
 
     
     
 
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