A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Zwischen Ertrinken und Verdursten

 
     
 
Ein Mitarbeiter des spanischen Senders "El Mundo TV" wollte es wissen: Fernando Quinitela hat eine Gruppe illegaler Zuwanderer begleitet auf ihrer abenteuerliche Reise zu den Kanarischen Inseln. Unter der Überschrift "Das Höllenboot" veröffentlichte er seine dramatischen Erlebnisse, beschreibt Hoffnung, Bangen und schließlich blanke Todesangst der "Wirtschafts
flüchtlinge".

In Sierra Leone spricht der Journalist zwei junge Männer, Kay und Gbssay, an und gibt sich als Journalist zu erkennen, der eine Reportage über ihre Fahrt zu dem spanischen Archipel machen will. Die beiden sind einverstanden, daß er sie begleitet. So durchquren sie zunächst eine 5000 Kilometer lange Landstrecke bis zur Hafenstadt Nouadhibou direkt an der Grenze zur marokkanisch besetzten, einst spanischen Westsahara.

Versprochen war, daß sie in einem 16 Meter langen und drei Meter breiten, neuen Boot zu den Kanaren gebracht würden. 12000 Liter Benzin und 270 Liter Trinkwasser würden gebunkert, und viermal am Tag würde Milch ausgeschenkt. Zudem erhalte er, der Journalist, ein abschließbares Fach für seine Ausrüstung.

Nichts davon. An der Pier in Noudhibou erwartete ihn ein uralter, etwa zwölf Meter langer Seelenverkäufer, der offenbar erst kürzlich notdürftig geflickt worden war, mit zwei antiquierten 40-PS-Motoren. Für alle dicht gedrängten 41 Passagiere gab es bloß 50 Liter eigentlich untrinkbares Wasser und es waren auch nur 760 Liter Benzin gebunkert, berichtet Quintela. Von einem abschließbaren Fach für die Reporterausrüstung war keine Rede.

Die Begrüßung unter allen Mitreisenden sei sehr freundschaftlich gewesen. Die Fahrt wird schließlich nur 16 Stunden dauern. Doch die sollten für Quintela und seine Mitreisenden zum Horrortrip werden.

Gleich nach Verlassen der schützenden Bucht erfaßten das Boot heftige Wellen, denen der Kahn kaum gewachsen war. Allen wurde schlecht. Als er sich über das Wasser beugte, um sich zu erbrechen, wäre er fast von einer Welle weggerissen worden. Kay hielt ihn gerade noch an den Beinen fest. Von da an erbrach sich Quintela nur noch über den Rücken des Mannes zu seiner rechten, wie sich sein Nachbar zur linken über ihn erbrach. Die Gewässer im kühlen Kanarenstrom vor der westafrikanischen Küste sind eiskalt. Sofort völlig durchnäßt zeigte Quintela Zeichen von Unterkühlung. Seine beiden Gefährten versuchten, ihn einigermaßen warm zu halten.

Mit Tagesanbruch wurde die Lage nicht wie erhofft besser, die Wellen türmten sich statt dessen zu hohen Wänden auf. "Ich zitterte am ganzen Körper. Kay flog von Steuerbord nach Backbord und schlug sich heftig den Kopf auf. In diesem Moment verloren viele die Nerven." Auch die beiden aus Sierra Leone, die sich bislang als sehr stark erwiesen, begannen nun in Todesangst zu schreien - denn inzwischen hatten sich zu allem Überfluß noch zwei Lecks aufgetan, und sie konnten kaum so viel Wasser hinausschöpfen, wie durch die Löcher und über die Bordwand nachlief. Jetzt schon viele Stunden in der aufgepeitschten See, ließen etliche die Hoffnung fahren.

Fernandez Quintela organisierte nun, gegen den heftigen Widerstand des Bootsführers, der als Schleuser nicht entdeckt werden wollte, per Satellitentelefon und GPS-Peilung Hilfe. Erst Stunden später konnte sie die kanarische Küstenwache aus dem nassen Inferno ziehen. Wären sie, wie es ihr "Kapitän" vorhatte, ohne GPS-Peilung weitergefahren, hätten sie frühestens fünf bis sechs Tage später Land gesehen, klärten Quintela seine Retter später auf - ein sicheres Todesurteil.
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Gedenken an den Bildhauer Stanislaus Cauer

Neue Dimensionen öffnen

Letzte Ruhe im Wald

 
 
Erhalten:
kanarische politiker
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv