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Seit dem sogenannten Gaskrieg Anfang des Jahres - Rußland kappte der Ukraine die Gaszufuhr - sollte Versorgungssicherheit ganz oben auf der energie- und wirtschaftspolitischen Tagesordnung der EU stehen. Doch Europa und vor allem Deutschland tun sich schwer, der wachsenden Abhängigkeit zu entgehen. Das Beispiel Ukraine zeigt, wie gefährlich das sein kann.
Die Ukraine verbrauchte 2005 zirka 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas, davon stammten 24 Milliarden vom russischen Erdgasmonopolisten "Gasprom". 80 Prozent des für Westeuropa bestimmten Gases kommen durch die Ukraine. Das Land weigerte sich, die Exportleitungen Rußland zu überlassen, daraufhin hob der Kreml den Gaspreis. Kiew mußte einlenken. Ist die Abhängigkeit also einmal da, sei es im Falle Georgiens oder der baltischen Staaten, bestimmt Rußland die Preise für Gas- und Öllieferungen. Aus dem Erdgaskrieg ging Rußland ebenso wie aus den anderen Fällen gestärkt hervor. Die Ukrainer bekommen jetzt vergleichsweise erschwingliche Preise, mußten sich dafür aber energiepolitisch Rußland unterordnen. Deutschland steht langfristig Ähnliches bevor, auch wenn die Abhängigkeit von russischen Rohstofflieferungen nicht so hoch ist wie im Fall der Ukraine - noch.
Die Firma "Rosukrenergo" mit Sitz in der Schweiz ist sichtbares Ergebnis des Gasstreits. Um das junge Unternehmen mit nur 35 Mitarbeitern ranken sich wilde Gerüchte, dubiose Hintermänner würden durch "Rosukrenergo" Geschäfte machen. Der Geschäftsführer Konstantin Tschuitschenko versuchte nun in der "Neuen Zürcher Zeitung" das Image seiner Aktiengesellschaft zu verbessern. Sie gehört zur Hälfte der russischen "Gasprombank" (bald "Gasprom" selbst), zur anderen zwei ukrainischen Investoren. Bei "Gasprom" wiederum hält der russische Staat die Aktienmehrheit. Die Ukrainer hätten nur deshalb so günstige Preise für das von Rußland gelieferte Gas bekommen, weil dies "die ökonomische Kompensation für alle diese wirtschaftlichen und politischen Vorteile, die ,Gasprom und Rußland mit dem Abkommen erhalten hätten", sei, so Tschuitschenko.
"Gasprom" übt nun die Kontrolle aus, hat die Schlüsselstellung der Ukraine übernommen. Der Mann weiß, was er sagt, denn er ist nebenbei Mitglied der "Gasprom"-Geschäftsleitung. Die Vorteile, die er beschreibt, verdeutlichen, wie langfristig und umfassend Rußland sich Energiemärkte zu sichern beabsichtigt - von der Rohstoffquelle bis zum Endverbraucher: Zentralasiatische Staaten können dank "Rosukrenergo" nicht direkt an die Ukraine liefern, Rußland hat nun Zugriff auf den ukrainischen Gasverteilermarkt samt Speicherkapazitäten. Es führt kein Weg mehr vorbei an russischen Konditionen, denn "natürlich wird ein Übergang zu Marktpreisen unvermeidlich sein". Das alles findet ohne Umweltschutz nach westlichen Standards statt, versteht sich.
Deutschland droht mit der geplanten Ostseegaspipeline eine vergleichbare Abhängigkeit. Die direkte Leitung an Polen und den baltischen Staaten vorbei schaltet diese nicht nur als Transitländer aus. Deutschland wird wichtigster Verteilermarkt und somit Hauptangriffsziel der russischen Energieexpansion. Schon jetzt bedient Rußland die osteuropäischen Märkte Polens, Ungarns und Rumäniens über "Rosukrenergo" mit Reexporten zu Weltmarktpreisen - ein möglicher Übungslauf für künftige russische Liefer-Regie aus Deutschland.
Während hierzulande noch über Kernenergie diskutiert wird und Energieversorger wie "E.on" darüber nachdenken, den wachsenden deutschen Energiebedarf mit neuen Windparks in Dänemark zu decken, plant der Kreml eifrig seine Energievision für Deutschland und Europa. Selbst Konzerne wie "E.on" sind das Ziel. Während der noch versucht, die spanische "Endesa" zu übernehmen, meldet sich die "Gasprom": Die Russen wollen aus dem Übernahme-Poker als lachende Dritte hervorgehen, verhandeln über den Tausch von Unternehmensanteilen mit "E.on" und nebenbei noch mit BP, "Eni" und BASF.
Deutschland, einst Exporteur von Energie, ist ohnehin längst Importeur. Beim Strom hat das Land den Anschluß schon verschlafen. Statt wie einst Strom nach Frankreich zu liefern, werden von dort jährlich 15481000000 Kilowattstunden, importiert - Kernenergie. Statt neue Kraftwerke, auch Kernkraft, wie die IEA sie empfiehlt, zu bauen, ergeben die Deutschen sich der Hoffnung auf Spareffekte und saubere Energie, verringern gar Kapazitäten. Dabei braucht jede alternative Energie den Mix mit anderen, um in Spitzenzeiten oder bei witterungsbedingtem Ausfall nicht Abhängigkeiten zu schaffen.
Bis 2020 fehlen Europa solche ausgleichenden Kraftwerke. 167 Kernkraftwerke à 1600 Megawatt oder 242 Braunkohlekraftwerke à 1100 Megawatt oder eben 333 Gaskombikraftwerke rechnet der "Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreichs" vor, wären demnach nötig, um einen Versorgungsnotstand zu verhindern. Die russische Seite kennt diese Defizite als Erfolgsbilanz der Gasrechnung und wird Europa gern behilflich sein. |
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