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Die Entstehung der Stuttgarter Erklärung hat ihre Vorgeschichte, sowohl in den Tagungen des im Aufbau begriffenen Ökumenischen Rates de Kirchen (ÖRK) als auch in den verschiedenen Verlautbarungen der Kirchlichen Synoden un Konferenzen in Deutschland nach dem Zusammenbruch. In der Ökumene war man sich klar, da eine Gemeinschaft, die nach Beendigung des Krieges die Kirchen der jetzt noch miteinande kämpfenden Völker vereinen sollte, deren Versöhnung zur Voraussetzung haben mußte Eine solche schien nicht ohne ein Wort der Schuld denkbar. Der an sich naheliegend Gedanke, wonach alle am Kampf beteiligten Mächte ihren Schuldanteil an der große Katastrophe anzuerkennen hätten, stieß auf den energischen Widerspruch der Englände und der Kirchenvertreter der von den Deutschen besetzten Gebieten. Der englische Baptis M. E. Aubry erklärte dazu unmißverständlich im März 1944: "In this country ou Christian folk do not believe that they have to repent themselves or for thei nation."

Bemerkenswert an dieser Diskussion ist nicht nur die Einstellung gegenüber de Deutschen, sondern ebenso der hier verwendete Schuldbegriff, der nur kollektiv
zu verstehen sein sollte. Lange bevor die deutschen Kirchenmänner in Stuttgart ihr Erklärung abgaben, stand die kollektive Schuldauffassung fest.

Da das ökumenische Problem auf diese Weise nicht zu lösen war, faßte man eine anderen Weg ins Auge. Unmittelbar nach der deutschen Kapitulation wurde im Vorläufige Ausschuß des ÖRK ein Beschluß gefaßt, mit den deutschen Kirchenführern dieserhal Kontakt aufzunehmen, wobei man allerdings nur an die Vertreter der Bekennenden Kirche (BK dachte, die man allein als legitimiert für solche Verhandlungen ansah. Denn bei ihne konnte man ganz sicher sein, daß sie zu dem von Visser’t Hooft erwartete "spezifischen" Wort deutscher Buße bereit sein würden.

Wie recht man mit dieser Erwartung hatte, zeigte die im Juli 1945 tagende Berline Bekenntnissynode in Spandau, auf der in diesem Sinne bereits kräftig zur Buße gemahn und neben der "aktive(n) Versündigung des Nationalsozialismus" die "passive Mitschuld der Christenheit in Deutschland" festgestellt wurde Allerdings blieb diese Schuld noch auf die Christen beschränkt, sicher aus der richtige Einsicht, daß ein Schuldgefühl im christlichen Sinne niemandem zugemutet werden kann der kein Christ sein will. Und das war damals eine nicht unerhebliche Zahl.

Der Reichsbruderrat, der im August 1945 in Frankfurt/Main tagte, erweiterte dann die Schuld auf das ganze deutsche Volk und verwandte wohl erstmalig öffentlich jen theologische Kategorie, die für seine Interpretation der deutschen Katastroph entscheidend geworden ist. Es war, wie er formulierte, "das gnädige Gerich Gottes", dem man sich gehorsam zu beugen habe. Demgegenüber nahmen die deutsche lutherischen Kirchen keine Stellung zur Schuldfrage.

Um die Situation in dem nach der Kapitulation von den Alliierten besetzten Deutschlan zu erkunden und die Absicht des ÖRK im Hinblick auf das erwartete deutsch Schuldbekenntnis im Zusammenhang mit der Aufnahme der deutschen in die volle ökumenisch Gemeinschaft kundzutun, schickte Visser’t Hooft den ehemaligen nordamerikanische Gesandtschaftspfarrer Stewart Herman mit einem Brief vom 25. Juli 1945 an den Bischo Dibelius in Berlin, in dem es hieß, daß für die volle Wiederaufnahme der Deutschen noc gewichtige innere Schwierigkeiten zu überwinden (seien), besonders bei den Kirchen, die so tief gelitten haben unter der deutschen Besetzung. Es würde darüber ein brüderliche Gespräch notwendig sein. Dieses Gespräch würde aber sehr viel leichter sein, wenn die Bekennende Kirche Deutschlands sehr offen spricht – nicht nur über die Missetat de Nazis, sondern auch besonders über die Unterlassungssünden des deutschen Volkes einschließlich der Kirche.

Hinter der glatten diplomatischen Sprache verbarg sich, dennoch deutlich erkennbar, die Mahnung, die vorhandenen "gewichtigen, inneren Schwierigkeiten" für die voll ökumenische Mitgliedschaft der deutschen durch ein klares, eindeutiges deutsche Schuldbekenntnis zu beseitigen. Doch stieß diese Mahnung vorerst auf taube Ohren in weiten Kreisen der evangelischen Kirche.

Das wurde besonders deutlich auf der Kirchenführerkonferenz zu Treysa vom 27. bis 31 August 1945, auf der die ziemlich verworrenen Verhältnisse der evangelischen Kirche ne geregelt werden sollten. Auf ihr wurde ein zwölfköpfiger Rat als Spitze de Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt, der sie hinfort auch nach auße vertreten sollte.

Es verdient festgehalten zu werden, daß es in Treysa nicht zu einem Schuldbekenntni gekommen ist. Wäre ein solches dort abgegeben worden, dann hätte das den großen Vorzu gehabt, aus deutscher Initiative entstanden zu sein und als freie, eigene Entscheidun ohne ökumenische Nachhilfe gelten zu können. Das ist nicht geschehen. Zwar wurden zwe Entwürfe, ein "Wort an die Gemeinden" und ein "Wort an die Pfarrer" von M. Niemöller vorgelegt. Die Konferenz hat sich lange und eingehend mit ihne beschäftigt, konnte sich aber nur dazu entschließen, das "Wort an die Gemeinden" zu verabschieden. In ihm ist nicht von Schuld, sondern lediglich vo "Versäumnissen der Kirche und des Volkes" die Rede, während in dem "Wor an die Pfarrer" deutlich von Schuld des Volkes und der Kirche gesprochen wird.

Wenn die Konferenz den Entwurf in dieser Fassung ablehnte, hat sie dami unmißverständlich eine Kollektivschuld für das gesamte deutsche Volk verneint. Das is gerade in dieser Negation von einer bis heute nicht genügend gewürdigten Tragweite. Ein Konferenz maßgeblicher deutscher Kirchenvertreter unter Beteiligung aller damalige Gruppen des deutschen Protestantismus und selbst in Gegenwart der für die BK höchste theologischen Autorität, des Schweizer Theologieprofessors Karl Barth, hat kein Veranlassung gesehen, ein alle Deutschen einbeziehendes kirchliches Schuldbekenntnis zu verkünden. Damit ist eigentlich alles über den Wert der dann im Oktober 1945 unte erheblichem ökumenischen Druck zustande gekommenen Stuttgarter Erklärung gesagt Offengeblieben war in Treysa die Frage nach der Mitgliedschaft der neuen deutsche evangelischen Kirche in der Ökumene; und bei diesem Akt hatten deren Vertreter ein Wor mitzureden.

Um das Zustandekommen einer deutschen Schulderklärung zu beschleunigen, griff nunmeh doch Karl Barth ein und drängte seinen Freund Martin Niemöller in einem Brief vom 28 September 1945, sich dafür einzusetzen. Er meinte, daß das christliche Ausland jetz eine offene Schulderklärung von seiten der deutschen evangelischen Kirche erwarte un schlug dafür u. a. folgendes vor: Die vorläufige Leitung der evangelischen Kirch in Deutschland erkennt und erklärt, daß das deutsche Volk sich auf einem Irrweg befand als es sich 1933 politisch in die Hände von Adolf Hitler begab. Sie erkennt und erklärt daß die Not, die seither über Europa und über Deutschland selber gekommen ist, ein Folge dieses Irrtums ist ...

Es solle kein Schuldbekenntnis im streng theologischen Sinne sein, müsse aber die Mitverantwortung der evangelischen Kirche betonen.

Was mit dem etwas verschwommenen Begriff des "Irrweges" in Wahrheit gemein war, kam gut zwei Wochen später in einem am 14. Oktober gehaltenen Vortrag in Zürich-Wipkingen zum Ausdruck, wo Barth deutlicher von einer "offenen Erklärung de deutschen Schuld und Verantwortlichkeit" sprach. Der politische Charakter diese Erklärung müsse dadurch gesichert werden, daß sie "auch von den alliierte Regierungen und Völkern zur Kenntnis genommen werden könnte und müßte". Si "müßte vor Gott und vor den Menschen ausgesprochen werden, um hilfreich, u luftreinigend zu werden". Wenn erst ein solcher Schritt von deutscher Seite vorläge täten auch die anderen Kirchen gut daran, ihre Völker zur Buße zu rufen.

Zweierlei ist damit deutlich geworden: Einmal ist hier die Kollektivschuldidee zu Grundlage der geforderten deutschen Erklärung gemacht, mag sie nur offen als "Schuld" oder verhüllter unter dem Begriff des "Irrweges" ausgesprochen sein. Sodann war der zweideutige Doppelcharakter der Erklärung bereits hie festgelegt, wenn sie zugleich "vor Gott und den Menschen" abzugeben sei. Dies programmierte Zweideutigkeit hat sich in einem bis heute feststellbaren Schwanken in de Interpretation der Stuttgarter Erklärung wiederholt. Während man auf der einen Seit ihren rein religiösen Charakter betont, wird andererseits gerade ihre politisch Konkretheit als Abkehr von der bisherigen nationalen Tradition der evangelischen Kirch gerühmt.

Am folgenden Tag brach die ökumenische Delegation nach Stuttgart auf. Denn mit de für den 18. und 19. Oktober 1945 festgesetzten ersten Zusammenkunft des neugewählte Rates der EKD bot sich für den ÖRK die letzte Gelegenheit, das gewünschte und bishe immer noch nicht zustande gekommene deutsche Schuldbekenntnis zu erhalten. Man konnte da geschickt mit der Aufnahme in die volle ökumenische Gemeinschaft verbinden. Ohne e besonders auszusprechen, war damit die Beziehung beider Punkte zueinander festgelegt. E waren, wie Visser’t Hooft das bereits in seinem Brief an Bischof Dibeliu ausgesprochen hatte, noch "einige gewichtige innere Schwierigkeiten" – zu ergänzen: für die Aufnahme in die Ökumene – "zu überwinden".

Wenn es sich nur um die ökumenische Frage gehandelt hätte, wie später immer wiede versichert wurde, dann hätte es genügt, wenn der Generalsekretär des Ökumenische Rates, Visser’t Hooft, oder ein vom Rat Beauftragter erschienen wäre. Das hätt auch den üblichen Gepflogenheiten im diplomatischen Verkehr entsprochen. Daher hatte de Ratsvorsitzende, Bischof Wurm, auch nur den englischen Bischof Bell erwartet. Aber ma wollte mehr, denn für die volle Aufnahme in die ökumenische Gemeinschaft war die deutsche Schulderklärung Voraussetzung. Da es unklar blieb, ob die Deutschen dazu berei sein würden, genügte die Anwesenheit des Generalsekretärs allein nicht; sie mußt durch Kirchenvertreter aus den Staaten der Siegermächte verstärkt werden, um den Druc auf die Deutschen zu erhöhen.

Diese Delegation umfaßte folgende Personen: 1. Willem A. Visser’t Hooft als Generalsekretär des Ökumenischen Rates; 2. Samuel McCre Cavert Generalsekretär der christlichen Kirchen Nordamerikas; 3. G. C. Michelfelder Präsident des Rates der Lutherischen Kirchen Nordamerikas; 4. Alphons Koechlin Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes; 5. Pfarrer Pierr Maury Vertreter der Französischen Reformierten Kirche; 6. Marcel Sturm, reformierte Feldbischof der französischen Besatzungstruppen; 7. Professor Hendrik Kraemer Abgesandter der Niederländischen Reformierten Kirche; 8. Bischof Dr. Bell vo Chichester.

Die Notwendigkeit dieses Schrittes wurde dadurch bestätigt, daß man deutscherseit auch diesmal das Schuldproblem nicht auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Jetzt in de Konfrontation mit einer achtköpfigen ökumenischen Delegation mußten die Deutschen Farb bekennen.

Vorher jedoch mußten die Mitglieder der Delegation sich über ein gemeinsames Vorgehe verständigen. Sie hatten sich daher – ohne den englischen Bischof Dr. Bell au Chichester, der wegen dichten Nebels in London am Abflug gehindert war – am 15 Oktober in Baden-Baden getroffen. Für diese Besprechung hatte Visser’t Hooft ei Papier mitgebracht, das in dankenswerter Offenheit die Taktik verriet, mit der man die Verhandlung führen wollte. Dieses Dokument ist entlarvend und vermag wie kein anderes die wahre Situation in Stuttgart zu beleuchten. Deshalb möge es hier im Originaltext folgen:

"Um Beziehungen vollen Vertrauens zwischen der deutschen Kirche und den andere Kirchen zu ermöglichen, war man übereingekommen, daß es nötig sein würde, von de deutschen Kirche einige Aussagen zu erhalten hinsichtlich ihrer Stellungnahme zu Taten die im Namen des deutschen Volkes begangen worden waren. Andererseits war man ebenso zu der Einsicht gelangt, daß es unmöglich sein würde, diesen Wunsch für eine Bedingung zu erklären, da dann die von den deutschen Kirchenführern abgegebene Erklärung nicht meh den Charakter echter Spontaneität besitzen würde. Daher entschied man sich so, daß die erste Annäherung darin bestehen sollte zu sagen, daß die Delegation gekommen sei, u brüderliche Beziehungen wieder herzustellen, daß aber (hierfür) noch einige Hinderniss beseitigt werden müßten."

Dieser Text sagt mit erfreulicher Klarheit dreierlei. Einmal: Die Aufnahme de deutschen Kirche in die volle ökumenische Gemeinschaft war nicht selbstverständlich sondern an eine entscheidende Bedingung geknüpft. Darunter war sodann eine deutsch Stellungnahme verstanden, welche die Verbrechen des ehemaligen deutschen Regimes als in Namen des ganzen deutschen Volkes begangen erklären müßte. damit ist de Kollektivschuldgedanke bereits deutlich formuliert. Da man schließlich nicht ganz siche war, ob die Deutschen dazu bereit sein würden, sollte über diesen Punkt zunächst nicht gesagt werden. Vielmehr wollte man vorgeben, daß der Zweck des Besuches lediglich die Wiederaufnahme der so lange unterbrochenen ökumenischen Verbundenheit sei. Indessen wa man sich darüber klar, daß das nur ein Vorwand war, um die wahre Absicht zu verschleier und die gewünschte deutsche Schulderklärung zu erhalten. Es dürfte wohl schwer zu bestreiten sein, daß hier nicht mit offenen Karten gespielt wurde.

Während man sich auf seiten der ökumenischen Delegation über Vorgehen un Verhandlungsziel einig war, blieb es unklar, welche Reaktion man dazu auf deutscher Seit in dem neugewählten Rat der EKD zu erwarten hatte. denn die evangelische Kirche stellt zu diesem Zeitpunkt durchaus keine einheitliche Größe dar. In ihr gab es zwischen de sogenannten Bruderräten der BK, den entschiedenen Lutheranern und einer vermittelnde Gruppe erhebliche Spannungen. Daher schien es angebracht, auch hier Vorsorge zu treffen Aus diesem Grunde traf sich Visser’t Hooft mit den beiden radikalsten Vertretern de BK, Martin Niemöller und Hans Asmussen, vor der gemeinsamen Zusammenkunft mit dem ganze Rat in Stuttgart in einem Café, um dort gegenseitig ihre Meinungen auszutauschen und sic über das Vorgehen auf der offiziellen Tagung zu verständigen. Von den elf deutsche Ratsmitgliedern wußten also nur diese beiden um das eigentliche Anliegen de ökumenischen Gäste. Daher ist die allseitige Überraschung über deren plötzliche Auftauchen in so starker Besetzung durchaus verständlich.

Den anderen Teilnehmern des Rates war die eigentliche Absicht der ökumenische Delegation nicht gleich klar geworden, weshalb Lilje, der spätere Landesbischof vo Hannover, der offenbar von der vorangegangenen Sonderzusammenkunft der drei nichts wußte seine Landsleute als naiv bezeichnete.

Wir Deutschen haben einen Hang zur Naivität und freuen uns über alle Probleme hinwe über solche menschliche Begegnung; erst der weitere Verlauf des Gesprächs mach deutlich, daß hier noch mehr von uns erwartet wurde als die Freude über da wiederhergestellte Verhältnis zwischen den anderen christlichen Kirchen und uns ... (e war) doch ganz klar, daß sie mit großem Ernst darauf bestehen mußten, ein klärende Wort von unserer Seite zu hören, das die Vergangenheit bereinigte.

Dieses klärende Wort war nichts anderes als das "spezifische Wort der Buße" von Visser’t Hooft.

Ein solches Dokument wurde dann auch verfaßt, wobei Niemöller die Aufnahme eines vo ihm formulierten Satzes in den von Dibelius verfaßten Entwurf durchsetzen konnte. Diese Satz lautete: "Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Lände gebracht worden."

Die Stuttgarter Erklärung erhielt folgenden Wortlaut: "Der Rat der EKD begrüß bei seiner Sitzung am 18./19. Oktober 1945 in Stuttgart Vertreter des Ökumenischen Rate der Kirchen: Wir sind für diesen Besuch um so dankbarer, als wir uns mit unserem Vol nicht nur in einer großen Gemeinschaft der Leiden wissen, sondern auch in eine Solidarität der Schuld. Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Lei über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeug haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahr hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistische Gewaltregime seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wi nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nich brennender geliebt haben.

Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden. gegründet auf die Heilig Schrift, mit ganzem Ernst ausgerichtet auf den alleinigen Herrn der Kirche, gehen si daran, sich von glaubensfremden Einflüssen zu reinigen und sich selber zu ordnen. Wi hoffen zu dem Gott der Gnade und Barmherzigkeit, daß er unsere Kirchen als sein Werkzeu brauchen und ihnen Vollmacht geben wird, sein Wort zu verkündigen und seinem Wille Gehorsam zu schaffen bei uns selbst und bei unserem ganzen Volk.

Daß wir uns bei diesem neuen Anfang mit den anderen Kirchen der ökumenische Gemeinschaft herzlich verbunden wissen dürfen, erfüllt uns mit tiefer Freude.

Wir hoffen zu Gott, daß durch den gemeinsamen Dienst der Kirchen dem Geist der Gewal und der Vergeltung, der heute von neuem mächtig werden will, in aller Welt gesteuer werde und der Geist des Friedens und der Liebe zur Herrschaft komme, in dem allein die gequälte Menschheit Genesung finden kann.

So bitten wir in einer Stunde, in der die Ganze Welt einen neuen Anfang braucht: Veni creator spiritus! Stuttgart, 18./19. Oktober 1945. Unterschrieben war die Erklärung von Landesbischof D. Wurm, Pastor Niemöller D. D., Landesbischof D. Meiser Landesoberkirchenrat Dr. Lilje, Bischof D. Dr. Dibelius, Superintendent Held, Pastor Li Niesel, Superintendent Hahn, Pastor Asmussen D. D., Dr. Dr. Heinemann, Smend D. Dr.

Nach der Verlesung wurde diese Erklärung der ökumenischen Delegation durch Asmusse mit den Worten übergeben: "Wir sagen es Ihnen, weil wir es Gott sagen. Tun Sie da Ihrige, daß diese Erklärung nicht politisch mißbraucht wird, sondern zu dem dient, wa wir gemeinsam wollen!"

Es ist bemerkenswert, daß Asmussen bei dieser Gelegenheit offen von der Möglichkei eines politischen Mißbrauchs sprach, der damit nach seiner Auffassung doch wohl nich ganz ausgeschlossen schien. Sollte hier etwas von dem wahren Zweck, dem die Erklärun dienen sollte, anklingen? Über ihren religiösen Wert wird noch zu sprechen sein.

Die Alternative, vor die der Rat sich gestellt sah, war: "spezifisches Wort de Buße" oder keine ökumenische Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft bedeutete aber auc materielle Hilfe vor allem aus den USA. Dieser großzügigen Hilfsaktion, durch die ei Strom von Care-Paketen in das zerstörte Deutschland floß, soll hier in Dankbarkei gedacht werden. Aber man darf wohl annehmen, daß die amerikanischen Gemeinden ihre nobl Spendengemeinschaft kaum von jenem vorausgegangenen "spezifischen Wort" deutscher Buße abhängig gemacht haben. Man sieht, daß der Rat in der damalige Situation höchster deutscher Not und Bedrängnis nicht leichten Herzens auf diese Hilf hätte verzichten können. Man muß wohl auch diese Umstände berücksichtigen, um die deutsche Bereitwilligkeit für die ökumenische Forderung richtig zu würdigen Andererseits erscheint die christliche Gesinnung der ökumenischen Delegation in eine eigenartigen Licht. Vor allem aber wäre zu fragen, wer den Rat der EKD ermächtigt hatte in dieser Situation sich zum Sprecher des gesamten deutschen Volkes zu machen Schließlich gab es in ihm auch eine bedeutende katholische Kirche, mit der bei diese Gelegenheit Kontakt aufzunehmen keinem in den Sinn kam. Und außer den Katholiken wa schließlich noch eine nicht unerhebliche Zahl von Deutschen vorhanden, die überhaup keiner kirchlichen Gemeinschaft angehörten, weil sie das Christentum ablehnten und ein andere Weltanschauung besaßen. Es war kaum zu bezweifeln, daß der ganz Vorstellungskreis von Schuld, Buße und Versöhnung, wie er von den Kirchen vertrete wurde, bei ihnen auf Ablehnung stieß.

So entstand die seltsame Lage, daß elf evangelische Kirchenmänner in einer Situation wo es keine deutsche Regierung gab, für das gesamte deutsche Volk in allen Konfessione und Weltanschauungen in einer für sein weiteres Schicksal grundlegenden Frage Stellun nahmen. Und dies nicht etwa aus eigenem Entschluß, sondern auf die Aufforderung vo Kirchenvertretern der Siegermächte
 
     
     
 
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