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Aufstehen

 
     
 
Zur regelgerechten Inszenierung zum Tag der Einheit hätte eigentlich nur noch die geschickt plazierte Meldung gehört, daß die Verurteilung von Schalck-Golodkowski unmittelbar bestehe. Das unterblieb. Vermutlich deswegen, weil zehn Jahre doch eine lange Zeit sind. Da darf man – aus der Perspektive der politisch Mächtigen gesehen – durchaus schon mit der Vergeßlichkeit der Untertanen spekulieren.

Wer vorgestern noch als Hundsfott galt, wenn er gegen die Einheit Deutschlands in den Grenzen von 1937 war, verfiel gestern der öffentlichen Mißachtung, wenn er mit seiner Vereinigungshoffnung in den achtziger Jahren die "nach dem Krieg geschaffenen Realitäten" und die politische Behaglichkeit der Verantwortlichen in Zweifel zog. Seit letzter Woche soll nun der deutsche Michel umgekehrt davon überzeugt werden, daß unsere westdeutschen Politiker sich in ihrer abgrundtiefen Sehnsucht nach Vereinigung verzehrt und aufgerieben haben.

Regierungsparteien und Opposition boten das seltene Schauspiel, sich als jeweils treibende national
e Kräfte in Szene zu setzen. Wer seine fünf Sinne in den letzten Jahrzehnten beieinander hatte, wußte es freilich besser. War doch gerade Wochen zuvor zum Kampf gegen den Rechtsextremismus als Kampagne von allen im Bundestag vertretenen Parteien aufgerufen worden, der eigentlich alle abweichenden Regungen, darunter nationale, bekämpfen möchte. Als Vorwand diente ein noch immer ungelöstes Attentat in Düsseldorf, von dem inzwischen halblaut geflüstert wird, daß es sich vermutlich um einen Schlagabtausch rivalisierender russischer Banden handelte.

Natürlich wissen auch diese im Bundestag vertretenen Kräfte, die steten Zugang zu allen innenpolitisch bedeutsamen Informationen besitzen, daß weder NPD noch andere Splittergruppen tatsächlich machtvolle Gegenbewegungen darstellen. Letztlich geht es doch um ein innenpolitisches Spiel mit hohem Einsatz: der immer noch schwelende Vorbehalt gegen massenweise Zuwanderung von außen her soll gebrochen werden. Auf diesem Feld gibt es übrigens auch den Konsens mit der Opposition, was darauf schließen läßt, daß hier Vorstellungen von höherer Warte Gestalt annehmen sollen. So ließ es die CDU/CSU geschehen, daß in Berlin 400 ehemalige Söldner der Südlibanesischen Armee (SLA) im Juli in Berlin Aufnahme finden konnten, obschon von ihnen, wie die US-Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" meldete, schwerste Kriegsverbrechen begangen worden sind. Der Konsens wirkt auch auf einem scheinbaren Nebenkriegsschauplatz fort. So durfte Kulturstaatsminister Naumann "parteiübergreifend" Bedenken gegen ein "Zentrum gegen Vertreibungen" äußern.

Jenseits davon tobt ein seit der Amtsübernahme Schröders im Bunde mit den Grünen geführter Kampf gegen noch bestehende nationale und konservative Kreise, die in unserem Volk selbstverständlich weithin, wenn auch unorganisiert bestehen. Kampf auch gegen die in den Oppositionsparteien vereinzelt noch bestehenden konservativen Kräfte, die mit etatistischen Elementen eine Gegenfront aufzubauen versuchen. Zu diesem Zweck muß von den Linksparteien der Begriff des sogenannten Rechtsextremismus immer umfassender formuliert werden, was die CDU/CSU längst zu spüren bekommt. In Kürze dürfte die Neuauflage der "Antiwehrmachtsausstellung", neu munitioniert mit "wissenschaftlichem" Anstrich und diversen unanfechtbaren Galionsfiguren, folgen, die der militärischen Tradition und dem Wehrgedanken als Ausdruck nationaler Selbstbehauptung endgültig den Garaus machen dürfte.

Hierzu gehört auch, daß die PDS in einem Langzeitkonzept insbesondere mittels der Person des jetzt ausscheidenden Gregor Gysi immer salonfähiger gemacht worden ist. Erstes Ergebnis dürfte wohl eine baldige Aufkündigung der Großen Koalition in Berlin sein, der ein Bündnis SPD/PDS folgen könnte.

Da neue Parteien bekanntlich Geld, Geld und nochmals Geld benötigen, richtet sich angesichts der vor aller Augen liegenden Konsequenz der Blick abermals auf Bayern. Die dort ebenso mächtige wie erfolgreiche deutsche Regionalpartei wäre vermutlich bei bundesweiter Ausdehnung derzeit die einzige Kraft, die das große Spiel um den zukünftigen Weg unseres Volkes aufgreifen könnte. Die SPD hat das wohl begriffen: Nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" wurde das Feuer schon im August durch den Genossen Stiegler mit der These eröffnet, daß die CSU zu den "geistigen Wegbereitern und Stichwortgebern der rechtsextremistischen Täter" gehöre. Die Münchner Antwort, ein NPD-Verbot anzudienen, war falsch. Natürlich. Was den umtriebigen Bundestagspräsidenten Thierse sofort ermunterte, den Angriff auszudehnen und die Meinung zu verbreiten, daß gut die Hälfte unseres Volkes dem Rechtsextremismus anhänge. In München müßte man allmählich in Klausur gehen ...

 
     
     
 
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