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Anachronistisch und absurd?

 
     
 
Nach Artikel 7 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) nämlich kommt den Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern die sogenannte "Anscheinsvollmacht" zu. Sie werden ohne weiteres als bevollmächtigte Vertreter ihres Staates angesehen. Diese in der WVK für Verträge kodifizierte allgemeine Regel gilt nach der Rechtsprechung des IGH auch bei einseitigen Rechtsgeschäfte
n. Auch einseitig abgegebene Erklärungen durch seine bevollmächtigten Vertreter können im Einzelfall einen Staat rechtlich binden. Die Äußerungen Fischers könnten somit vielleicht bereits als völkerrechtlicher Verzicht Deutschlands auf die vermögensrechtlichen Ansprüche der Vertriebenen gewertet werden.

Der Würzburger Völkerrechtler Dieter Blumenwitz verweist in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf den 1933 vom Ständigen Internationalen Gerichtshof entschiedenen Ostgrönland-Fall. Damals hatte der norwegische Außenminister Ihlen bei einem Cocktail-Empfang gegenüber dem dänischen Botschafter erklärt, er werde Dänemark in der Ostgrönlandfrage "keine Schwierigkeiten machen". Der StIGH befand, diese Äußerung binde Norwegen rechtlich.

In Analogie könnte die rotgrüne Regierung bereits Rechtspositionen der Vertriebenen vernichtet haben. Daß man in Warschau und Prag Aussagen von Vertretern der Bundesregierung zu den Eigentumsansprüchen der deutschen Vertriebenen sehr sorgsam registriert, darf angenommen werden. Wie mir Urban auf Nachfrage mitteilte, hat Fischer seine Äußerung in Warschau bei einer Begegnung mit Journalisten getan. Dies hätte dann juristisch wohl nicht die gleiche Wertigkeit wie gegenüber polnischen Regierungsvertretern. Doch wie man Fischer kennt, ist es gut denkbar, daß er sich auch gegenüber oder im Beisein polnischer offizieller Vertreter genauso oder ähnlich geäußert hat. Besonders fatal ist dabei, daß eine rechtliche Bindung Deutschlands auch etwa durch Äußerungen eines deutschen Außenministers beim Tête-à-tête mit seinen Amtskollegen entstehen könnte, ohne daß davon die Öffentlichkeit überhaupt zunächst erfährt. In einem Interview mit der Zeitung "Zycie" hat Fischer laut einer Meldung des polnischen Rundfunks vom 9. Dezember 1998 auch erklärt, es seien "alle Formen der in die Vergangenheit gerichteten Anspruchspolitik abzulehnen". Es gibt vielleicht weitere gegen die Interessen der Vertriebenen und damit aller Deutschen gerichtete Äußerungen Fischers, die bei uns nur nicht bekannt sind.

Die Vertriebenen werden prüfen müssen, ob für sie eine neue Rechtslage entstanden ist. Auch eine offizielle Feststellung, daß dem nicht so sei, könnte dabei von Wert sein. Staatsminister Verheugen hatte letzten Dezember in Dresden auf eine gezielte Frage hin erklärt, es sei "klar", daß entsprechend Geist und Wortlaut der deutsch-tschechischen Erklärung die Bundesregierung gegenüber der tschechischen Regierung keine Vermögensansprüche geltend machen werde. Nun verfügt ein Staatsminister im Auswärtigen Amt nicht wie ein Außenminister über die "Anscheinsvollmacht", aber immerhin.

Zur Schadensbegrenzung müßte jetzt die Bundesregierung – etwa im Bundestag – gefragt werden, ob Fischers zitierte Äußerungen zutreffend sind. Denn es kann nicht angehen, daß die Regierung im Inland weiter gegenüber den Vertriebenen erklärt, diese Fragen seien offen, während sie vielleicht im Ausland bereits neue völkerrechtliche Fakten schafft. Ansonsten bliebe nur der schwierige Weg nach Karlsruhe, aber ob die Opposition im Bundestag nachfragt, scheint ebenso unwahrscheinlich wie die Begleitung der Vertriebenen nach Karlsruhe.

 
     
     
 
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