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Vor der neuen Bundesregierung liegen Aufgaben, die selbst die Sagenfigur Herkules in die Knie zwingen könnten. Von der europäischen Präsidentschaft über den Abbau der Arbeitslosigkeit bis hin zur Steuerreform in Deutschland haben Kanzler Gerhard Schröder und seine rotgrüne Mannschaft schwer zu tragen, um durch das Jahr 1999 zu kommen.
Europa ist das wohl schwierigste Terrain, weil Schröder auf dieser Bühne relativ unerfahren ist und der dunkle Anzug von Joseph Fischer noch nichts über dessen Qualitäten als Außenminister aussagt. Die deutschen Ziele erscheinen widersprüchlich: Einerseits will Schröder die Arbeitslosigkeit mit EU-weiten Programmen senken, die viel Geld kosten. Andererseits will der SPD-Kanzler den deutschen Nettobeitrag an die Brüsseler Kassen von jährlich rund 28 Milliarden Mark spürbar senken.
Der berechtigte Ruf nach Beitragssenkung konkurriert mit dem Ziel, die Aufnahme mittel- und osteuropäischer Länder in die EU zu verwirklichen. Denn diese "Osterweiterung" wird so viel kosten, daß die EU-Kommission bereits in ihrer Agenda 2000 schreibt, daß sich die Nettobeiträge der heutigen Zahler wie Deutschland kräftig erhöhen und die Zahlungen an Empfängerländer in Südeuropa verringern werden.
Das in fast allen europäischen Politikbereichen vorherrschende Prinzip der Einstimmigkeit könnte angesichts auseinanderstrebender Interessen die deutsche Präsidentschaft zu einer Phase des Stillstandes werden lassen bis auf das Euro-Problem. Der Euro wird in Europa für Bewegung sorgen. Die neue Währung macht Preise und Leistungen vergleichbar. Zuerst werden das die börsennotierten Unternehmen zu spüren bekommen, deren Kurse im Euro-Bereich nicht mehr in nationalen Währungen, sondern nur noch in der neuen Währung angegeben werden. Internationale Anleger fragen weniger nach dem Markennamen, sondern nach der Rendite. Wenn zum Beispiel ein deutscher Energieversorger pro Aktie 2,50 Euro Dividende ausschüttet und ein französischer Stromkonzern fünf, dann wird der deutsche Stromriese unter Druck geraten, weil die Rendite nicht mehr stimmt.
Zusammen mit der Liberalisierung der Strommärkte, die Firmen und selbst kleineren Wohnungsbaugesellschaften den Einkauf von billigem Strom im Ausland für die Mieter ermöglicht, gerät das Ökosteuer-Projekt der rotgrünen Regierung in Gefahr. Die Lenkungswirkung (weniger Energieverbrauch) ist sowieso dahin, wenn die Belastungen die neue Steuer durch niedrigere Strompreise neutralisieren können. Da Frankreich zum Beispiel nicht daran denkt, seine preiswert arbeitenden Atomkraftwerke stillzulegen, wirkt der Bonner Umweltminister Jürgen Trittin mit seiner Abgabe auf Kernbrennstäbe wie der Ritter Don Quichotte bei seinem Kampf gegen Windmühlenflügel.
Gerade der Euro wird sich zur Peitsche entwickeln, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der im "Euroland" vereinigten Länder auf Tempo gebracht werden wird. Das mögen Aktienanalytiker gut finden, vielleicht auch Bosse internationaler Konzerne. Aber wo nur noch das Prinzip Kostensenkung regiert, bleibt wenig Platz für Solidarität und Schutz der Schwachen. Das deutsche Sozialsystem, trotz seiner Überfrachtungen immer noch vorbildlich, ist nicht auf globalen Wettbewerb ausgelegt. Im Gegenteil: Es handelt sich um ein geschlossenes System, das schon durch die Öffnung der Grenzen ins Wanken geriet. Und: Die rotgrüne Koalition hat fast alle zaghaften Reformversuche der alten Regierung wieder rückgängig gemacht.
"Zusammen mit den anstehenden Tarifverhandlungen, die Lohnerhöhungen befürchten lassen, die über den Produktivitätsfortschritt von zwei Prozent hinausgehen, wird die Kostenbelastung der Unternehmen merklich steigen", warnt bereits der Bundesverband deutscher Banken. Dagegen kann auch ein "Bündnis für Arbeit" im Bonner Kanzleramt nicht ankommen. Und die Arbeitslosigkeit kann die Altherrenrunde sowieso nicht verringern. Die notwendige Senkung der Sozialbeiträge müßte durch Einsparungen finanziert werden und nicht durch Umschichtungen aus einer zweifelhaften Ökosteuer.
Auch die dreistufige Steuerreform 2002 mit einer Entlastung von 15 Milliarden Mark gibt den Deutschen kaum die Steuern zurück, die infolge der "kalten Progression" bis dahin anfallen werden. Und die ständigen Gerüchte um Steuererhöhungen und Planungsänderungen zeigen, daß die Koalitionsvereinbarung altem Denken entsprungen ist. Schröder wird als Kanzler eines weltoffenen Landes nicht umhinkommen, von Umverteilungspolitik Abschied zu nehmen. So könnte 1999 für den neuen Kanzler zum Jahr der Nachbesserung werden.
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