|
Schon an den Stellwänden wird deutlich, daß Reemtsmas „neue“ Ausstellung darauf abzielt, die Wehrmacht zu diskriminieren, wo immer es geht. Bei der Darstellung ihrer Greueltaten wird immer wieder auf die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen hingewiesen, obwohl die Erschießung von Geiseln im Verhältnis eins zu zehn gewohnheitsrechtlich akzeptiert war und auch von den Alliierten höhere Quoten bis zum Verhältnis von eins zu zweihundert angedroht wurden. Es wird nicht darauf hingewiesen, daß die Verhängung von Repressalien auch in der Wehrmacht reguliert war.
Da es der Zweck der Repressalien war, der Bevölkerung klar-zumachen, daß die Besatzungsmacht keine Völkerrechts- verletzungen oder Verstöße gegen ihre Anordnungen hinnehmen werde, mußte bei der Frage, welche Repressalien anzuwenden waren, die Situation am Ort berücksichtigt werden. Die deutsche Heeresdienstvorschrift 2 g besagte beispielsweise: „Bei der Auswahl von Geiseln wird zu beachten sein, daß ihre Festnahme nur dann in Frage kommt, wenn die aufsässigen Teile der Bevölkerung ein Interesse am Leben der Geiseln haben. Die Geiselnahme wird nur auf solche Personen anzuwenden sein, von denen anzunehmen ist, daß ihr Schicksal die Aufrührer beeinflussen wird.“
Wenn eingewendet wird, das sei eine Papierbestimmung und die Realität sei weit davon entfernt gewesen, dann darf man auch nicht davon ausgehen, daß die verbrecherischen Befehle - Barbarossabefehl, Kommunistenbefehl, Kommissarbefehl - so ausgeführt wurden, wie sie auf dem Papier standen.
Für die Ausstellungsmacher ist völlig klar: Die Deutschen mordeten „auf brutale Weise wahllos Männer, Frauen und Kinder“. Sie verübten „Massaker“. Die Partisanen waren ehrenwerte Widerstandskämpfer. Daß auch sie ganze Dörfer ausrotteten und in Asche legten, ist nicht erwähnenswert.
Ein weiteres Beispiel dafür, daß den Deutschen mit aller Kraft Unverhältnismäßigkeit bei ihren Maßnahmen nachgewiesen werden soll, ist die Schilderung des Falls Pancevo im April 1941 in Jugoslawien. Abgesehen davon, daß die wenigen Sätze dem Problem nicht gerecht werden, wird in der Ausstellung erzählt, daß als Vergeltung für den Tod „mindestens“ eines deutschen Soldaten, der „unbekannten Tätern“ zum Opfer fiel - in Wirklichkeit waren es vier -, bei den folgenden Razzien sogar ein Junge gefangengenommen wurde, der den „Paradesäbel seines Vaters verstecken wollte“.
Von anderen Gefangengenommenen wird nichts erzählt. Kein Wort davon, daß die Frau, die den „unbekannten Tätern“ in ihrer Gastwirtschaft Unterschlupf gab, unter dem Verband am Unterarm eine Pistole verborgen hatte oder daß sich die Partisanen, die auf deutsche Soldaten geschossen hatten, in einer Friedhofsgruft versteckt hatten. Die Partisanen werden geschont, die Deutschen verteufelt. Da verwundert es nicht mehr, daß die neun Volksdeutschen, die am Gerichtstag beerdigt wurden, von der jugoslawischen Armee nicht ermordet worden waren, sondern „getötet worden sein sollen“, als ob dieses Faktum nicht eindeutig bewiesen wäre.
Wenn die Verwüstungen geschildert werden, welche die deutschen Truppen bei ihren Rückzügen in der Sowjetunion anrichteten, fehlt der Hinweis, daß die Politik der verbrannten Erde von der Roten Armee bei ihren Rückzügen 1941 vorexerziert wurde. Der Besucher soll mit dem Eindruck nach Hause gehen, daß so etwas nur die Wehrmacht tut und sonst niemand.
Die historische Wahrheit sieht anders aus: Am 1. Juli 1941 befahl das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Weißrußlands wie die der anderen westlichen Bezirke auf Weisung aus Moskau, „Straßen und Brücken zu sprengen oder zu beschädigen, Treibstoff- und Lebensmittellager, Kraftfahrzeuge und Flugzeuge anzuzünden ...“, und Stalin sagte in seiner berühmten Rundfunkrede vom 3. Juli 1941, daß den deutschen Invasoren alles zu entziehen sei, was ihnen nützen könne. „... dem Feind darf keine einzige Lokomotive, kein einziger Waggon, kein Kilogramm Getreide, kein Liter Treibstoff überlassen werden.“ Die neu gegründeten Diversionseinheiten sollten Straßen und Brücken unbrauchbar machen, Telefon- und Telegraphenverbindungen zerstören und Wälder niederbrennen.
Mit solchen Maßnahmen wurde nicht nur den deutschen Truppen die „Ernährung aus dem Land“ unmöglich gemacht, sondern auch der Zivilbevölkerung die Lebensgrundlage entzogen. Marschall Timoschenko rief am 6. August 1941 sogar die Bevölkerung in den bereits von Deutschen besetzten Gebieten auf, Häuser und Wälder anzuzünden, damit der Feind kein Unterkommen findet. Wo man den Dorfbewohnern mißtraute, wurden Vernichtungskommandos aus Kriminellen zusammengestellt, die keine Skrupel hatten, wie im Dorf Sjenno bei Witebsk. Von den Anstrengungen, welche die deutsche Besatzungsmacht unternahm, um in den verwüsteten Gebieten nicht nur die Soldaten, sondern auch die Zivilbevölkerung zu ernähren, ist in der Reemtsma-Ausstellung nichts zu finden. Der Wiederaufbau des von der Roten Armee gesprengten Kraftwerks Saporoschje bis Ende 1942 zur Energiegewinnung für das ganze Donezbecken ist ebensowenig einer Erwähnung wert wie die Wiederherstellung anderer industrieller und landwirtschaftlicher Anlagen, die nicht nur der Besatzungsmacht zugute kamen, sondern auch den Einheimischen.
Angesichts dieser SchwarzWeiß-Malerei verläßt man die Ausstellung mit Unbehagen. Der Wahrheit wäre mit einer Ausstellung gedient, welche die Völkerrechtsverbrechen aller Kriegführenden des Weltkriegs darstellt. Dann würde deutlich, wie ausgewogen das Maß an Grausamkeiten gegen Soldaten und Zivilisten auf beiden Seiten war. n
Der Autor lehrte Militärgeschichte an der Universität der Bundeswehr München.
Nach sowjetischer Dokumentation wurden etwa 550.000 Wehrmachtsoldaten von Partisanen „liquidiert“: Propagandapostkarte der amtlichen TASS von 1941: „Tags befahl der Faschist dem Bauern ,Hut runter vom Kopf‘. Nachts nahm der ihm den Helm ab mitsamt dem Schädel“
|
|