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Der Berliner Tierparkdirektor Professor Dr. Heinrich Dathe (1910-1991) war für DDR-Bürger eine Institution, heute ist er eine Legende, oft verglichen mit Bernhard Grzimek in Westdeutschland. Nebenher war er in zahllosen Radio- und Fernsehsendungen präsent. In Erinnerung geblieben ist er als ein liebenswerter älterer Herr mit heiserem sächsischen Idiom und wandelndes Brehm-Lexikon . Dathe war von Anfang an, seit 1954, Direktor des Tierparks im Ostberliner Bezirk Lichtenberg. Er ist der größte in Europa. Als 1990 Schließungsgerüchte die Runde machten, setzte er sich mit Verve und Erfolg für seinen Erhalt ein.
Er erfuhr viel Zuneigung, erlebte aber auch Anfeindungen. Man stellte ihn als Begünstigten des SED-Regimes dar. Richtig ist, daß der Tierpark nicht gegen die SED ver- wirklicht werden konnte. Für seine auch international vielbeachtete Arbeit erhielt Dathe Ehrungen und Orden - er hatte sie sich verdient. Sonst war er unpolitisch, der SED hat er nie angehört. Es erschütterte den 80jährigen schwer, daß man ihn aus seiner Dienstwohnung auf dem Tierparkgelände weisen wollte. Am 6. Januar 1991 starb er an gebrochenem Herzen.
Die Benennung einer Straße und eines Platzes nach Heinrich Dathe, wie sie bisher geplant war, wäre eine posthume Wiedergutmachung. Doch jetzt meinen Putzteufel, die NSDAP-Mitgliedschaft Dathes unter dem Teppich hervorkehren zu müssen. Dabei war sie nie ein Geheimnis gewesen. Dathe schildert in seinen Lebenserinnerungen, daß er, aus nationalem Elternhaus stammend, im September 1932 der NSDAP beigetreten war. In dem biographischen Lexikon "Wer war wer in der DDR?", das die Bundeszentrale für Politische Bildung massenhaft verbreitet hat, ist die Mitgliedschaft ebenfalls vermerkt. Weder in der DDR noch im "Dritten Reich" war Dathe Politiker, sondern Zoologe. Seine 1936 verfaßte Dissertation handelt von stachelschweinartigen Nagetieren. Mit knapp 30 Jahren wurde er stellvertretender Direktor des Leipziger Zoos, mit Kriegsbeginn wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Bis 1947 befand er sich in Kriegsgefangenschaft. Danach setzte er seine Arbeit in Leipzig und dann in Ostberlin fort.
Es galt als verbindlich, daß die NSDAP-Mitgliedschaft bei der Beurteilung von Person und Werk Dathes keine Rolle spielt, bis der Soziologe Olaf Kappelt, der dem Verein "Institut für Biographie-, Regional- und Institutionenkunde" angehört und ein "Braunbuch DDR - Nazis in der DDR" herausgegeben hat, der Lichtenberger Bürgermeisterin Christina Emmerich (PDS) einen Brief schrieb. Dathe sei ein "Alt-Nazi", nach dem kein Platz benannt werden dürfe. Unterstützung kam vom Berliner Politik-Professor Hajo Funke, Verfasser von bahnbrechenden Werken wie "Politik und Paranoia. Rechtsextremismus in der Berliner Republik" oder "Die Perspektiven der braunen Gefahr". Angesichts dieser geballten Sachkompetenz kam Emmerich zu der Auffassung, "daß ein aktives NSDAP-Mitglied hier keinen Namen bekommen kann". Damit setzte sie sich in Gegensatz zum Chef des Lichtenberger Kulturausschusses, einem Historiker, der ebenfalls der PDS angehört und der Dathes "NS-Aktivitäten" für unbedeutend hält. Ein Zeitungsbericht darüber hat wütende Reaktionen ausgelöst. In einem Leserbrief werden die Dathe-Jäger "Widerlinge" genannt. Und Frau Emmerich, "die sich nicht entblödet, einen verdienstvollen Wissenschaftler wegen angeblicher politischer Bedenken überprüfen zu wollen", sei selbst SED-Mitglied gewesen.
Die PDS erlebt wieder ihren klassischen Konflikt: Ihre Wählerstimmen heimst sie als Interessenvertreterin der früheren DDR-Bürger ein. Ihre politische Akzeptanz im System aber hat sie erlangt, indem sie den verlogenen DDR-Antifaschismus in die nicht minder verlogene Antifa-Ideologie des Westens transformierte. Das wird noch spannend: Ob sie in der "Causa Dathe" ihren Wählern folgt - oder sich mit Kammerjägern aus einem unappetitlichen altwestberlinerischen Milieu gemein macht. |
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