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Das wohl am häufigsten mißdeutete Dichterwort lautet "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht". Denn was Heinrich Heine damals, 1843 im Pariser Exil, um den Schlaf brachte, war nicht tiefe Sorge um den Zustand Deutschlands, sondern unbändige Liebe zum Vaterland: "Deutschland hat ewigen Bestand, es ist ein kerngesundes Land!" und "Das Vaterland wird nie verderben" - schöner kann Patriotismus
aus Dichtermund kaum klingen. Gleichwohl hatte der Rheinpreuße Heine seine Probleme mit Preußen, dem neben Österreich mächtigsten der deutschen Staaten. Seine Schriften waren verboten, ihn selber hatte man aus der rheinischen Heimat an die Seine verjagt. Ihm gegenüber hatte sich Preußen von seiner häßlichen Seite gezeigt - keine Spur mehr von jener Toleranz, Glaubens- und Meinungsfreiheit, für die wir Friedrich den Großen rühmen.

Wir, die wir heute die Wiederbelebung der alten preußischen Tugenden fordern - ein zentrales Anliegen dieser Zeitung -, haben keine Veranlassung, die negativen, die weniger vorbildlichen Seiten des Preußentums zu verschweigen oder schönzureden; damit würde das Positive, das auch heute noch Bespielhafte unglaubwürdig. Die wichtigste dieser Tugenden nämlich, die allen anderen zugrunde liegt, heißt Ehrlichkeit.

Ehrlichkeit gegenüber anderen, vor allem aber gegenüber sich selbst, Ehrlichkeit gegenüber der Geschichte, der eigenen wie der anderer Völker, Ehrlichkeit auch da, wo die Lüge bequemer oder vorteilhafter wäre - das ist das Vermächtnis der großen Preußen, das hat Preußen befähigt, mit starken Gegnern, aber auch mit eigenen Schwächen fertig zu werden. Und die Tugenden, die daraus erwuchsen (ohne "Sekundärtugenden" zu sein), haben Preußen die Kraft gegeben, drei Jahrzehnte nach Heines Nachtgedanken den Traum von einem einigen Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen.

Heute leben wir in einem Deutschland, das nach der Katastrophe zweier Weltkriege gezwungen wurde, ohne Traditionen neu heranzuwachsen. Die Siegermächte wollten ganz bewußt ein Deutschland ohne Preußen; sie haben eben nicht nur mit der formellen Auflösung des Landes einen staatsrechtlichen Verwaltungsakt vollzogen, sondern systematisch die Idee Preußen demontiert und diskriminiert - mit fatalen

Folgen. Bei allen Schwächen, die Preußen unbestreitbar hatte: Vieles, was wir in diesen aufgeregten Wahlkampfzeiten erleben und erleiden, wäre zu Zeiten des Alten Fritz nicht denkbar gewesen. Vor allem eben die vielen Verlogenheiten - von Politikern, die dem Volk versprechen, was sie nicht halten können, von Meinungsmachern, die Wort und Bild zur gefährlichen Waffe machen, von egoistischen Interessenvertretern, die um des eigenen Vorteils willen das Land im Abgrund versinken lassen, nicht zuletzt von den Protagonisten des sogenannten Geisteslebens, die den Verfall traditioneller Werte und Bindungen teils befördern, teils bewußt inszenieren, zumindest aber widerstandslos geschehen lassen - dies alles ist absolut unpreußisch, und gerade deshalb wäre "etwas mehr Preußen" genau das, was Deutschland heute braucht.

Dafür hat man sich stets eingesetzt, darum nennt sie sich , und das Bewußtsein, daran mitgewirkt zu haben, läßt mich nun mit Befriedigung und Stolz in den Ruhestand gehen. Auf diese Jahre in Diensten Preußens und Ostdeutschlands blicke ich zurück mit der Befriedigung, einiges bewegt und bewirkt zu haben, mit der Erinnerung an höchst interessante Erfahrungen und Begegnungen, allerdings auch an mancherlei schwere Zeiten, in denen mir Zuspruch und konstruktive Kritik aus dem Kreise der Leser und Abonnenten oft eine wertvolle Hilfe waren - dafür möchte ich Ihnen allen danken. Halten Sie dieser Zeitung, ihrer engagierten und im besten preußischen Sinne hochmotivierten Redaktion und meinem Nachfolger die Treue - sie alle haben es verdient!
 
     
     
 
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