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Mitte August traf sich alles, was in der Hauptstadt Rang und Namen hat, vor dem Auswärtigen Amt. Auf der freien Fläche, auf der bis zu seinem Abriß das DDR-Außenministerium gestanden hatte, steht nun ein Kleinod preußischer Baukunst vor dem Wiederaufbau: Friedrich Schinkels Bauakademie.
Der Regierende Bürgermeister ist da, Oppositionsführer Nikolas Zimmer auch. Presse, Politiker und Partygäste bestaunen die Schaufassade vor dem Gebäude. Und eine Ecke steht auch schon.
Schinkel war die herausragende Figur der deutschen Architekt ur. Zwischen 1832 und 1835 wurde die Akademie gegenüber dem Stadtschloß errichtet. Das im Weltkrieg zerstörte Gebäude sollte schon nach Kriegsende wiederaufgebaut werden. 1962 beschlossen die Kommunisten jedoch den Abriß der Ruine, um Platz für das Hochhaus zu schaffen, in dem dann Ulbrichts und Ho-neckers Diplomaten Platz nahmen. 1995 wurde das häßliche Monstrum entfernt.
Die Bauakademie galt als architektonisches Juwel. Die jetzige Schaufassade sieht aus wie das Original. Der Gerüstkubus ist eine 46 mal 46 mal 21 Meter große Attrappe, die dem Betrachter vorgaukelt, das Gebäude stehe bereits. Insbesondere bei einsetzender Dämmerung wirkt die Täuschung.
Angesichts der Finanznot der Stadt beteiligt sich Berlin nicht am Wiederaufbau. Ausschließlich private Initiativen und Spenden werden eingesetzt. Die Idee zur Wiedererrichtung der Akademie kam von den Star-Architekten Hans Kollhoff und Peter Kleihues sowie Bernd Evers, Direktor der Kunstbibliothek. Vor drei Jahren haben sie den Verein "Internationale Bauakademie Berlin" gegründet. Mit der Fassade haben sie sich nun einen "Traum erfüllt", wie sie in einer Pressemitteilung erklärten. Kollhoff ergriff dann auch als erster das Wort. "Architektur geht alle an", sagte er. Klaus Wowereit hört ihm zu, schwankt ein wenig und lächelt die Zuschauer dabei an. Er kann den Moment nicht abwarten, endlich seinen eigenen großen Auftritt zu haben.
"Wie geht es weiter?" fragt Kollhoff. Zwar hat Daimler-Chrysler sich mächtig ins Zeug gelegt und das Projekt mit viel Geld unterstützt, aber natürlich finanziert der Autobauer nicht den ganzen Bau. Deswegen suchten Kollhoff und seine Kollegen weitere Sponsoren. Auch ein Spendenkonto wurde eingerichtet.
Um das Projekt für Berliner und auswärtige Architekturfreunde interessant zu machen, wollen Kollhoff und Kollegen die Baustelle "lebendig halten." Demnächst wird ein Schauraum eingerichtet. Abends läuft dreimal hintereinander der Kurzfilm "Vom Bauhaus zur Bauakademie" auf einer großen Leinwand. Das ist kreativ und sehr professionell. Man spürt, wie ernst es den Architekten mit ihrem Anliegen ist.
Klaus Wowereit schwankt immer noch - so als hätte er ein paar Bier zu viel getrunken. Kollhoff bedankt sich noch bei den anderen Sponsoren. Da ist die Wall-AG, eine der erfolgreichsten Berliner Unternehmensgründungen der vergangenen Jahre. Und neuerdings Arbeitgeber von Michel Friedman. Auch der ehemals städtische Stromversorger Bewag, der inzwischen zu Vattenfall gehört, ist beteiligt. Osram hat die Glühbirnen geliefert.
Endlich ist der große Moment für Klaus Wowereit gekommen. Die Vermutung, er habe ein Glas zu viel getrunken, bestätigt sich nicht. Gewohnt souverän ergreift er das Wort, macht einen Scherz. Solche Momente würde er gerne öfter erleben. Daß private Investoren freiwillig dem Staat öffentliche Aufgaben abnehmen.
Wowereit sagt ein Wort, das in seinen Reden immer sehr oft vorkommt: "bürgerschaftliches Engagement". Er hat das Rad neu erfunden. Statt "Gemeinwohl-orientiert" oder "wohltätig" spricht Klaus Wowereit immer von "bürgerschaftlich". Jedenfalls dankt er den Architekten für ihr "bürgerschaftliches Engagement." Er erinnert an die Stadtschloß-Fassade, die in den 90ern wenige Meter entfernt das Verlangen nach dem Wiederaufbau des ehemaligen Hohenzollern-Sitzes anheizen sollte. Daß das Stadtschloß bis heute nicht wieder errichtet worden ist, sagt er nicht.
"Alle Wünsche können nicht mehr vom Staat finanziert werden", referiert das Stadtoberhaupt. Womit er wieder in der Realität von Finanzknappheit und Schuldenstand angekommen ist. Trotzdem sei er optimistisch. Schließlich sei auch das frühere Kommandantenhaus (Unter den Linden 1) rekonstruiert worden. Von Bertelsmann. Der Medienkonzern nutzt das Gebäude jetzt als Hauptstadtrepräsentanz.
Als Klaus Wowereit mit seiner Rede fertig ist, ist es fast dunkel. Es gibt dezenten Applaus. Noch lange stehen die Partygäste in und vor den riesigen Zelten, plaudern und trinken. Als es richtig dunkel ist, wird der Film gezeigt. Danach löst sich die Gesellschaft langsam auf. Wenn doch alle Tage für Klaus Wowereit so einfach wären wie dieser!
Vor allem in der Dämmerung wirkt die Attrappe fast wie echt: Nach dem Vorbild der Stadtschloßfassade von 1993 haben nun auch die Freunde der Berliner Bauakademie am anderen Spreeufer vorerst nur ein "Luftschloß" errichtet. Ganz rechts am Bau: Die einzige bereits real wiederaufgebaute Ecke des berühmten Schinkel-Werks. Foto: Gläser
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