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Geradezu euphorisch und vielleicht nur aus der Zeit heraus zu verstehen muten die Worte an, die Günther Kraft vor einem halben Jahrhundert in der Festschrift der Hochschule für Musik in Weimar zum 350. Geburtstag Alberts fand: "In der Musik von Heinrich Albert vereinigen sich edelste Elemente der deutschen Volkskunst. Die Kraft seiner Kunst hat Heinrich Albert in den Wirren des 30jährigen Krieges und dem damit verbundenen allgemeinen Niedergang bewußt in den Dienst des Kampfes um die Freiheit des deutschen Volkes gestellt. Darum erschließt sich aus dieser Musik ungemein viel von den positiven Werten des deutschen National charakters, von jenen Werten, die vom Streben des Volkes nach Glück und Frieden und nationaler Einigung nicht zu trennen sind."
Heinrich Albert - dieser Name ist heute meist nur noch eingeweihten Musikfreunden ein Begriff. Oft verbindet man seinen Namen mit dem seines Freundes, des Memelers Simon Dach. "Ännchen von Tharau", ja, das Lied läßt aufhorchen. Dach hatte es geschrieben, und Albert vertonte das noch heute bezaubernde Liebeslied und veröffentlichte es 1642 im fünften Heft seiner Arien. Bekannt aber wurde Heinrich Albert als Mitglied des Königsberger Dichterkreises und durch die Veröffentlichung der "Musicalischen Kürbs-Hütte", einer Liedsammlung, "welche erinnert Menschlicher Hinfälligkeit" und die 1645 gedruckt wurde.
In der Albert gehörenden Kürbislaube auf dem Weidendamm zwischen Pregel und Lindengraben trafen sich im Sommer die Freunde Simon Dach, Robert Roberthin, Christoph Kaldenbach und andere, lasen sich ihre neuesten Verse vor und musizierten. - "Lyrik mit einem Jenseitsblick, sanfte Schwermut, zarte Fröhlichkeit, aber auch Aufgeschlossenheit gegenüber dem Königsberger Alltag und den Freuden der Natur, das sind die Kennzeichen dieses im Idyll sich auslebenden Kreises von Königsberger Dichtern, Musikern und Musikliebhabern", erläutert Erwin Kroll das Geschehen im Königsberger Dichterkreis, der unter dem Einfluß von Martin Opitz entstanden war. "Sie alle haben das Aufblühen des neuen einstimmigen deutschen Liedes begünstigt, das zunächst weniger bei den Königsberger Bürgern als bei der Jugend, bei den Studenten Anklang fand."
Am 8. Juli 1604 in Lobenstein im Vogtland geboren, wurde Heinrich Albert von seinem Vetter Heinrich Schütz in Dresden schon früh musikalisch unterrichtet. Der Leipziger Thomaskantor Johann Heinrich Schein förderte den jungen Mann, der zunächst Jura und Literatur studierte. 1626 ging Albert nach Königsberg, um dort seine Studien fortzusetzen.
Albert war ein vielseitig interessierter Mann. So beteiligte er sich an einer diplomatischen Mission, die ihn nach Warschau führte, wo er für ein Jahr in schwedische Gefangenschaft geriet. An den Pregel zurück-gekehrt, widmete er sich dem Studium der Befestigungsanlagen, die Königsberg vor dem Angriff der Schweden schützen sollten. Die Musik jedoch bestimmte sein Leben. Ende des Jahres 1630/31 wurde Heinrich Albert auf die Stelle des Domorganisten auf dem Kneiphof berufen, zugleich war er zuständig für die musikalische Gestaltung von akademischen Festakten. Trotz dieses verantwortungsvollen Amtes fand er die Zeit, sich bei Johann Stobäus (1580-1646), Domkantor und Hofkapellmeister, weiter in Kompositionslehre unterrichten zu lassen. Nur einmal verließ er Königsberg, um mit seinem Vetter Heinrich Schütz nach Kopenhagen zu reisen und dort an den Festlichkeiten anläßlich einer fürstlichen Hochzeit teilzunehmen.
Als Heinrich Albert am 6. Oktober 1651 in Königsberg starb, hinterließ er neben der "Musicalischen Kürbs-Hütte" eine stattliche Reihe weiterer Kompositionen, darunter auch viele Vertonungen der Texte von Simon Dach. Fachleute sind sich einig: ohne Albert wäre Dach nicht über die Grenzen Königsbergs hinaus bekannt geworden. Das hatte Dach zweifellos auch erkannt, denn im Grabgedicht seines Freundes Albert bekannte er: "Mein Arbeit zog durch deine Weisen/ In Wahrheit newe Kleider an."
Alberts musikalisches Hauptwerk waren denn auch die 1638-1651 herausgegebenen Arien in acht Teilen - nahezu 200 Kompositionen zu Gedichten von Simon Dach (125 Texte), Heinrich Albert selbst (18), Robert Roberthin (ebenfalls 18) und anderen. "Als Komponist", so Musikkenner, "steht Albert janusköpfig in seiner Zeit. In seinen Werken halten sich die einstimmige (monodische) und mehrstimmige (polyphone) Gestaltung fast die Waage, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß er in reiferen Jahren unter dem Einfluß von Johannes Eccard und Johannes Stobäus stärker als in der Frühzeit zu der prima pratica, dem alten polyphonen Stil, tendierte. Verbindendes Element beider Stile ist der fehlende Generalbaß ... In manchen Sololiedern erreicht Albert eine erstaunliche Beseeltheit der musikalischen Sprache und eine hohe Noblesse der melodischen Linie, die von einer keineswegs alltäglichen harmonischen Grundierung getragen wird ..."
Einig sind sich die Fachleute in der Bewertung der Arien Alberts. So schrieb Hermann Kretzschmar in den "Denkmälern deutscher Tonkunst" (1903/04): "Der Hauptwert der Sammlung liegt doch in den kürzeren, in einfacher Liedform gehaltenen Solokompositionen, namentlich den weltlichen." Die acht Teile der Arien seien so zum Anfang der "Geschichte des modernen deutschen Liedes" zu zählen (zitiert nach Alfred Kelletat in "Simon Dach und der Königsberger Dichterkreis", Reclam 1986). - Eine gerade erschienene kleine Broschüre von Edwin Steinhardt schildert Leben und Werk des Komponisten (Agentur des Rauhen Hauses, Postfach 1260, 22802 Nor-derstedt, Best. Nr. 1 8094-4, 24 Seiten, 6 farbige Abb., 1,85 Euro).
Peter van Lohuizen
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