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Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr in Strausberg bei Berlin ist eigentlich keine Adresse für spektakuläre Nachrichten. Die Wissenschaftler dort befassen sich mit dem Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft, das zu Zeiten der alten Bundesrepublik angespannter war als etwa heute, wo der Einsatz deutscher Truppen in Bosnien und im Kosovo weitgehend unumstritten ist. Doch kürzlich kamen die Sozialwissenschaftler mit einer brisant en Untersuchung heraus: Junge Männer im Süden Deutschlands sind intelligenter als ihre norddeutschen Kollegen, wobei zum Süden der Republik interessanterweise auch Thüringen und Sachsen gerechnet werden. Ihre Brisanz erhält die Studie dadurch, wenn man die politische Landkarte mit den Ergebnissen vergleicht: Überall dort, wo die Union regiert, sind die jungen Männer intelligenter. Anders ausgedrückt: Wo die SPD allein, mit den Grünen oder mit der PDS am Werke ist, schneiden junge Männer bei Intelligenztests nicht so gut ab.
Die Untersuchung der Bundeswehr-Sozialwissenschaftler ist keine Zufallsstichprobe, sondern ein Massentest, den pro Jahr rund 220 000 junge Männer bei den Kreiswehrersatzämtern absolvieren müssen. Daher konnten die Sozialwissenschaftler keine Erkenntnisse über junge Frauen vorlegen, die bekanntlich keinen Dienst bei der Bundeswehr absolvieren müssen. Der Vergleich der Eignungsuntersuchungen und Eignungsfeststellungen (EUF) bei der Bundeswehr seit 1992 hatte zunächst ein starkes Gefälle zwischen alten und neuen Bundesländern ergeben. Das verwundert auch nicht weiter: Die jungen Wehrpflichtigen des Jahres 1992 östlich der Werra hatten den größten Teil ihrer Schulzeit unter dem SED-Regime verbracht. Da waren abgesehen von den wichtigen Grundfertigkeiten wie Rechnen und Schreiben westliche Bildungsstandards weniger gefragt, so daß die jungen Männer aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen hinter ihren Altersgenossen aus dem Westen zurückbleiben mußten. Im Westen wurden damals die besten Intelligenzleistungen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen registriert. Im Norden glänzte nur noch das Land Schleswig-Holstein mit überdurchschnittlichen Leistungen seiner jungen Wehrpflichtigen.
Sechs Jahre später (im Jahre 1998) hatte sich das West-Ost-Gefälle bei den Intelligenztests der Bundeswehr praktisch eingeebnet. "Die neuen Bundesländer haben im Vergleichszeitraum im Leistungsniveau deutlich zugelegt", heißt es in der Studie. Doch die Aussage gilt nicht für alle neuen Länder gleichermaßen. Die Leistungen in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg wurden zwar besser, kamen jedoch gerade mal an das westdeutsche Niveau schlechterer Länder wie Bremen, Hamburg und Niedersachsen heran. Anders die Thüringer und Sachsen: Sie zogen an allen westdeutschen Durchschnittsländern vorbei und liegen jetzt nur noch knapp hinter den bayerischen und baden-württembergischen Spitzenergebnissen. In Thüringen und Sachsen hatte die CDU ihre Mehrheiten behalten und damit die Schulpolitik maßgeblich bestimmen können, während in den anderen neuen Ländern die anfänglichen CDU-Regierungen von SPD-Kabinetten abgelöst wurden.
In Westdeutschland hingegen wurden die schlechtesten Ergebnisse dort registriert, wo sich SPD-Bildungspolitik mit gleichmacherischen Ideen über Jahrzehnte hinweg verwirklichen konnte. Besonders schlecht sind die Ergebnisse in Bremen, was aber nicht überraschend ist: So werden etwa in Bremen erworbene Examina außerhalb des Stadtstaates entweder gar nicht oder nur nach dem Ablegen zusätzlicher Prüfungen anerkannt. Auch Nordrhein-Westfalen, wo schon in den 70er Jahren der SPD-Kultusminister Jürgen Girgensohn auf das Leistungsniveau drückte, indem er die Gesamtschulen zügig ausbauen ließ, waren die Ergebnisse schon 1992 unterdurchschnittlich und sackten bis 1998 noch weiter ab. Kleine Pointe am Rande: Girgensohn schickte seine Kinder nicht auf die Gesamtschule, sondern auf ein traditionelles Gymnasium. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Im SPD-regierten Schleswig-Holstein wurden zwischen 1992 und 1998 konstante Intelligenzleistungen erzielt. Geprüft wurden übrigens das muß der Vollständigkeit halber angegeben werden die "allgemeine Intelligenz", das technische Verständnis sowie Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit. Neben der schulischen Vorbildung wurden darüber hinaus auch das schriftliche und mündliche Ausdrucksvermögen getestet.
Mit Erklärungen taten sich die Wissenschaftler naturgemäß schwer. Eine Bundesbehörde wie das Sozialwissenschaftliche Institut ist nicht unabhängig. Daher darf sie keine Erklärungen präsentieren, die Rückschlüsse auf bessere und schlechtere Schulpolitiken in den Ländern zulassen würden. In Strausberg bemühte man sich um andere Erklärungsmuster. Allerdings liefen die Unterscheidungsversuche zwischen ländlichen und städtischen Regionen ins Leere. In ländlichen Regionen Süddeutschlands waren die Testergebnisse besser als in ländlichen Gebieten Norddeutschlands, und in den nördlichen Städten schnitten die jungen Männer schlechter ab als in den Städten Süddeutschlands. Als Erklärung gereicht wurden schließlich die ökonomischen Faktoren: "Da die südlichen Länder vor allem durch eine starke Wirtschaftskraft gekennzeichnet sind, wird postuliert, daß wirtschaftliche Prosperität die förderlichen Rahmenbedingungen schafft, in denen sich die Leistungspotentiale junger Menschen entfalten und die mehr als andere Einflußgrößen regionale Unterschiede im Leistungsverhalten erklären können."
Doch auch mit dieser Erklärung kommen die Wissenschaftler keinen Zentimeter weiter, sondern verschieben nur die Frage in den ökonomischen Bereich: Sind die Bayern, Baden-Württemberger, Sachsen und Thüringer nicht vielleicht deshalb im wirtschaftlichen Wettbewerb erfolgreicher als andere, weil ihre Schulbildung besser ist? Schon lange weisen zum Beispiel die Handwerkskammern darauf hin, daß bayerische Hauptschulabgänger die Grundrechenarten und die Rechtschreibung noch gut bis befriedigend beherrschen, während die Hauptschulen an Rhein und Ruhr abgesehen von einigen ländlichen Ausnahmen bereits zu Restschulen verkommen sind. In Ballungsgebieten macht ein hoher Ausländeranteil in Brennpunkten bis zu 70 Prozent einen normalen Deutschunterricht sowieso unmöglich.
Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hatte in seiner leider vergessenen Aufbruch-Rede im Berliner Hotel Adlon im Jahre 1997 einen "neuen Aufbruch in der Bildungspolitik" gefordert, "um in der kommenden Wissensgesellschaft bestehen zu können". Sein Ruf verhallte damals ungehört. Das Staatsoberhaupt hatte Bildungspolitik nicht primär als Frage des Geldes bewertet, wie dies die Gewerkschaften gerne tun, für die sich die Qualität der Bildung an der Höhe der Haushalte und der Zahl der Lehrer-Planstellen festmacht. Herzog damals: "Zuerst brauchen wir weniger Selbstgefälligkeit: Wie kommt es, daß die leistungsfähigsten Nationen der Welt es schaffen, ihre Kinder die Schulen mit 17 und die Hochschulen mit 24 (Jahren) abschließen zu lassen? Es sind wohlgemerkt gerade diese Länder, die auf dem Weltmarkt der Bildung am attraktivsten sind. Warum soll nicht auch in Deutschland ein Abitur in zwölf Jahren zu machen sein? Für mich persönlich sind die Jahre, die unseren jungen Leuten bisher verlorengehen, gestohlene Lebenszeit", sagte Herzog damals.
Doch die bildungspolitische Debatte in Deutschland nahm die Ermahnungen des früheren Bundespräsidenten nicht zur Kenntnis. Vergeblich warnte der Berliner Soziologe Alexander Schuller: "Anstatt auf Neugier und Begabung zu zielen, zielt unsere Bildungspolitik auf Planstellen und Mittelmaß; anstatt auf Leistung, zielt sie auf Chancengleichheit. Inzwischen weiß aber jeder, daß nichts die Lebenschancen unserer Kinder so gründlich ruiniert wie das Konzept der Chancengleichheit. Das verstehen vor allem jene Politiker, die Chancengleichheit, Gesamthochschule und Gesamtschule in ihre Parteiprogramme schreiben, ihre Kinder aber auf altsprachliche Gymnasien schicken. Auch sie wissen, daß die Gesamtschule längst zum Hort der Verwahrlosung verkommen, längst geoutet ist."
Trotz der Erkenntnis, daß die Gesamtschule trotz besserer Ausstattung mit Lehrkräften und Lehrmaterial schlechtere Ergebnisse bringt als herkömmliche Schulen, halten selbst große Teile der CDU an dem Konzept fest. Das neue bildungspolitische Programm der CDU erteilt der Gesamtschule keine Absage, sondern akzeptiert diese Schulform ausdrücklich. Damit nimmt die Partei Rücksicht auf den nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers, der davor zurückschreckt, den zahlreichen Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen im Falle einer Regierungsübernahme der CDU das Ende anzukündigen. Rüttgers hat statt dessen eine andere Philosophie: Wer das Abitur haben will, soll es auch bekommen. Diese Art Bildungspolitik haben die Sozialdemokraten in NRW bereits seit Jahrzehnten praktiziert. Die Ergebnisse lassen sich dann beim Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr nachlesen.
Doch die rot-grünen oder rot-roten Versuche, den Bildungsstand weiter zu drücken, sind noch keineswegs vorbei. In Mecklenburg-Vorpommern hat die dortige SPD/PDS-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die vierjährige Grundschule um eine zweijährige Orientierungsstufe auf sechs Jahre zu verlängern.
Erst nach der sechsten Klasse soll künftig entschieden werden, ob die Kinder auf der Haupt- oder Realschule beziehungsweise auf dem Gymnasium weiterlernen sollen. Auch in Bayern sammelten sich linke Lehrer und Eltern in einer landesweiten Protestbewegung: Vergeblich versuchten sie zu verhindern, daß die Realschule im Freistaat künftig mit der fünften statt wie bisher mit der siebten Klasse beginnt. Die bayerischen Bildungspolitiker hatten festgestellt, daß die Realschulkinder zu viel Zeit auf der Hauptschule verlieren. Das Gymnasium beginnt in Bayern traditionell mit der fünften Klasse.
Die Verlängerung der Grundschulzeit bedeutet für unterschiedlich begabte Kinder jedoch nur eine unnötige Verlängerung der gemeinsamen Lernzeit. Während sich etliche Kinder bei mittlerem Lerntempo permanent überfordert fühlen dürfen, langweilen sich die Begabteren. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Nordrhein-Westfalen weist zum Beispiel nach, daß Realschüler in der siebten Klasse im Vergleich zu Gesamtschülern (die eine Art Orientierungsstufe in der 6. und 7. Klasse durchlaufen müssen) einen Wissensvorsprung von einem Jahr haben.
Aber die Bildungsnivellierer mit ihrem Grundsatz "Abitur für alle" sind gerade in Nordrhein-Westfalen schon erheblich weitergekommen. In den Grundschulen gibt es faktisch keine Schulnoten mehr, so daß Eltern den Leistungsstand ihrer Sprößlinge mühsam aus "Gutachten" der Lehrer herauslesen müssen. Eindeutige Empfehlungen, welche weiterführende Schule das Kind nach der vierten Klasse besuchen soll, gibt es auch nicht mehr. In Berlin machte man in diesem Zusammenhang eine interessante Erfahrung. Bereits 1950 wurde die Grundschulzeit in der Hauptstadt auf sechs Jahre verlängert. Einige Gymnasien durften jedoch weiterhin Schüler von der fünften Klasse an aufnehmen. Diese Einrichtungen entwickelten sich zu regelrechten Eliteschulen, weil sie aufgrund des starken Andrangs die jeweils besten Schüler aussuchen konnten.
Die Versäumnisse in der deutschen Bildungspolitik sind kaum noch aufzuholen. Die Kraft der südlichen Bundesländer reicht kaum aus, denn man muß wissen, daß jedes vierte deutsche Schulkind allein in Nordrhein-Westfalen eingeschult wird. Kanzler Gerhard Schröder verlegt sich mit seiner Idee, ausländische Computerfachkräfte ins Land zu holen, auf das Kurieren von Symptomen. Denn das beschriebene Bild der deutschen Schullandschaft setzt sich nahtlos an den Universitäten fort: In den Instituten regieren Reglementierung und Bürokratie, es herrscht ein leistungsfeindliches Klima. Alt-68er machen Jagd auf alles, was nur den geringsten Anschein überdurchschnittlicher Intelligenz und Leistungsbereitschaft erweckt. Tatsache ist doch, daß in den vergangenen Jahren etliche Experten der Informationstechnologie-Branche ausgewandert sind überwiegend in die Vereinigten Staaten, wo die Forschung nicht behindert ist und wo es noch möglich ist, in der Garage des eigenen Hauses die Fundamente für einen Weltkonzern zu legen. In Deutschland wäre Microsoft-Gründer Bill Gates bereits in frühestem Stadium an der Gewerbe- und Bauaufsicht gescheitert.
Der bereits zitierte Berliner Soziologe Alexander Schuller glaubt, den Gründen der Bildungsfeindlichkeit auf die Spur gekommen zu sein: "Es begann, wie so manches andere, auf das wir ahnungslos stolz sind: 1933. Damals wurde die Vorstellung geboren, daß die Wissenschaft nicht der Wahrheit, sondern der Gesellschaft, nicht der Erkenntnis, sondern irgendeinem Nutzen zu dienen habe. Jegliche Form von geistiger Exzellenz ist uns seither suspekt. Wir sind gerade dann, wenn wir von der Demokratisierung der Wissenschaft schwärmen treue Gefolgsleute unserer nationalsozialistischen Vordenker."
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