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In einer Einspielung mit der japanischen Pianistin Megumi Sano werden nach langer Zeit wieder einmal Werke des Königsbergers Adolf Jensen einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Wir veröffentlichen aus dem Begleitheft Auszüge des Textes von Joachim Dra- heim über den zu Unrecht vergessenen Komponisten:
Drei bedeutende Komponisten der Romantik wurden im 19. Jahrhundert in Königsberg, der alten Krönungsstadt der preußischen Könige und Heimat des Philosophen Immanuel Kant , geboren: Otto Nicolai (1810-1849), Adolf Jensen (1837-1879) und Hermann Goetz (1840-1876). Alle drei starben jung und wurden nicht lange nach ihrem Tod vergessen oder blieben nur mit einem einzigen Werk im Bewußtsein der Nachwelt. Während aber Otto Nicolai mit seiner anmutigen Spieloper "Die lustigen Weiber von Windsor" wenigstens im deutschen Sprachraum bis heute bekannt ist und einige seiner Ouvertüren und Chorwerke wieder- entdeckt wurden, erlebte das vielgestaltige Schaffen von Hermann Goetz (die geistvolle Shakespeare-Oper "Der Widerspenstigen Zähmung", Orchesterwerke, Kammermusik) zumindest auf Tonträgern sogar eine kleine Renaissance.
Nur Adolf Jensen ist so gut wie ganz vergessen, obwohl seine Lieder bis ins frühe 20. Jahrhundert denen von Schubert, Schumann, Brahms und Robert Franz an die Seite gestellt wurden und in vieler Hinsicht auf Hugo Wolf vorausweisen, seine zwei- und vierhändige Klavierwerke in keinem bürgerlichen Haushalt fehlten und in zahlreichen Neu- und Sammelausgaben verschiedener Verlage erschienen. Daß dies nicht an der Qualität seiner Musik liegt, sondern das Ergebnis von Bequemlichkeit, Ignoranz, Phantasielosigkeit und Vorurteilen ist, die das heutige Musikleben in weiten Teilen beherrschen, hat vor kurzem eine CD mit der jungen japanischen Pianistin Megumi Sano, Preisträgerin zahlreicher Klavierwettbewerbe in Japan und Europa, bewiesen (Ars FCD 368 389), die von der Fachpresse bereits mit viel Lob bedacht wurde. Sie bietet in Erstaufnahmen einen Einblick in das Klavierschaffen Jensens, kann aber angesichts von dessen reicher Fülle nur bedingt als repräsentativ gelten.
Wie fast alle Komponisten seiner Generation begann Jensen stilistisch unter dem Einfluß Schumanns, der ihm sicher auch von seinem Lehrer Louis Ehlert, einem Schumannianer der ersten Stunde, vermittelt wurde. Später wandte er sich bewußt, aber keineswegs in sklavischer Abhängigkeit Wagner, Liszt und der "Neudeutschen Schule" zu, deren Kompositionen, namentlich Wagners "Meistersinger", "Tristan" und den gerade entstehenden "Ring", er mit gespannter Aufmerksamkeit studierte.
Sein erstes veröffentlichtes Klavierwerk waren die "Inneren Stimmen" op. 2, die 1861 bei Fritz Schuberth in Hamburg erschienen. Die "Stille Liebe", das letzte Stück des Zyklus, war im 19. Jahrhundert so populär, daß es dem Komponisten, der andere, bedeutendere seiner Werke deswegen vernachlässigt sah, zuviel wurde.
Ein anmutiges Charakterstück von salonhafter Eleganz ist die aus der Königsberger Zeit (1860- 1866) stammende Berceuse G-Dur op. 12. Sie wurde dem Fürsten Nicolas Youssoupoff in St. Petersburg gewidmet, sozusagen als Entschädigung für die nicht angetretene Stelle als Hauskapellmeister. Die "Lieder und Tänze" op. 33 erschienen 1872 bei Kistner in Leipzig und sind der Tochter Elsbeth, die damals acht Jahre alt war, gewidmet. Sie haben noch länger als seine technisch anspruchsvolleren Werke, die für den Konzertsaal oder den Salon bestimmt waren, als wertvolles Unterrichtsmaterial gedient (wie übrigens auch Jensens vorzügliche Etüden op. 32), werden aber inzwischen von den Klavierpädagogen in unverzeihlicher Ignoranz fast gänzlich übersehen.
Die besondere Begeisterung für die Literatur der Antike war der Nährboden für zwei großangelegte Zyklen von Klavierstücken ("Idyllen" op. 43 und "Eroticon" op. 44), denen z. T. Zitate aus der altgriechischen Literatur als Motti vorangestellt sind. Die "Idyllen" op. 43, die einen Tagesablauf in arkadischer Landschaft schildern, erschienen 1873, der Zyklus "Eroticon" op. 44 noch im gleichen Jahr. Dieses technisch anspruchsvolle Meisterwerk spätromantischer Klaviermusik fand im Februar 1874 in der "Berliner Musik- zeitung Echo" eine auch heute noch gültige Würdigung: "Eine neue werthvolle Gabe des hochbegabten Componisten; für diejenigen, welche gern im Voraus den Standpunkt wissen möchten, den ein neues Werk etwa einnimmt, sei die vielleicht gewagte Behauptung ausgesprochen, daß dies sowohl Schumannsches als Wagnersches Element enthält. Schwung und Feuer, Poesie, dabei eine meisterhafte Faktur, kennzeichnen den Verfasser."
Adolf Jensen (1837-1879): Neben Otto Nicolai und Hermann Gustav Goetz zählte Jensen zu den bedeutenden Komponisten der Romantik; zu Unrecht ist er heute meist vergesse |
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