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Vor 30 Jahren, am 1. April 1976, übernahm der durch das Palais Schaumburg verwöhnte damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt einen architektonisch schlichten Neubau der Planungsgruppe Stieldorf als neues Kanzleramt. Wenig begeistert verglich der erste Hausherr den Charme seines neuen Dienstsitzes mit dem einer Sparkasse. Das war zwar spöttisch gemeint, aber ich meine, daß man diesen Vergleich durchaus auch als ungewolltes Lob interpretieren kann.
Wir werden nicht müde zu beklagen, daß unsere politische Klasse abhebt und die Bodenhaftung verliert. Und wir schmunzeln über die "Grande Nation", deren Präsidenten sich wie der Sonnenkönig Ludwig XIV. höchstpersönlich gebärden. Beides tun wir meines Erachtens zu Recht. Dann sollten wir uns allerdings, so meine ich, auch nicht beschweren, wenn der politisch erste Mann im Staate in einem Ambiente wie ein Sparkassenmitarbeiter arbeitet. Generalisierend würde ich sogar soweit gehen wollen, die These zu vertreten, daß die Qualität eines Staates nicht zuletzt auch daran festzumachen sei, inwieweit das Lebensumfeld (und damit auch das Arbeitsumfeld) der Staatsführung jenem des Durchschnittsbürgers ähnelt. Insofern war mir beispielsweise das Schweden Olaf Palmes, wo der Regierungschef wie Otto Normalverbraucher mit der Taxe fuhr, sympathischer als das Zentralafrikanische Kaiserreich Bokassas I., wo das Staatsoberhaupt wie das Oberhaupt einer Großmacht repräsentierte, während das Volk hungerte.
Nun mag man durchaus die Ansicht vertreten, daß die Staatsräson für das eigene Volk und / oder das Ausland staatlichen Pomp als Kompensation gebieten kann, wenn eine Nation ihren Großmachtstatus eingebüßt und breite Bevölkerungsschichten verarmt sind. Ich denke hierbei etwa an das Großbritannien der Nachkriegszeit oder das Rußland der postsowjetischen Ära. Staatlichen Pomps als Mittel der Staatsräson bediente sich auch der Preuße Friedrich der Große, wenn er nach dem Siebenjährigen Krieg, der den Staat fast seine Existenz gekostet hätte, das Neue Palais bauen ließ. Er selber nannte die Prunkanlage bezeichnenderweise "Fanfaronade", was soviel heißt wie Prahlerei. Der kluge König wollte mit dieser "Prahlerei" signalisieren, suggerieren, kommunizieren, daß sein Staat trotz des opferreichen Krieges immerhin noch potent genug sei, sich derartigen Luxus leisten zu können. Doch hat die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile derart an Prestige verloren und ist die Verarmung in der Republik inzwischen schon soweit fortgeschritten, daß es einer solchen Kompensation, einer solchen Prahlerei bedarf? Ich meine (noch zumindest) nicht.
Und selbst wenn man der Meinung ist, daß die Bundesrepublik Deutschland repräsentativer Bauten bedarf, stellt sich noch die Frage, ob dieses die Dienstsitze der Staatsführung sein müssen, oder ob es einer demokratischen Republik nicht besser anstehen würde, für die Repräsentation des Staates dessen Souverän, sprich dem Volk, zugängliche und von ihm genutzte Bauten wie beispielsweise Flughäfen, Bibliotheken oder Bahnhöfe zu verwenden.
Ich jedenfalls finde die "Sparkassenarchitektur" des Bonner Kanzleramts sympathischer, demokratischer und auch preußischer als die des neuen Berliner Kanzleramts, das sich meines Erachtens eher durch Größe denn durch Großartigkeit auszeichnet und das Verdikt der Prahlerei verdient. D. Beutler |
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