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Das Deutsche Museum wird eröffnet

 
     
 
Das wilhelminische Deutschland war reif für ein den Naturwissenschaften und der Technik gewidmetes Museum. Naturwissenschaften und Technik hatten in den vorausgegangenen Jahrzehnten in Europa im allgemeinen und in Deutschland im besonderen einen enormen Bedeutungsgewinn erfahren. Das Land hatte eine industrielle Revolution erlebt. Diese Revolution war nicht denkbar ohne den technischen Fortschritt, und der technische Fortschritt war nicht denkbar ohne die immensen Fortschritte und Erkenntnisgewinne in den grundlegenden Naturwissenschaften.

Die technische Intelligenz war größtenteils bereit, sich in Staat und Gesellschaft zu integrieren, und die Staatsführung, nicht zuletzt der in vielerlei Hinsicht moderne Kaiser Wilhelm II.
, war intelligent genug, diese aufstrebende Gruppe eine angemessene Rolle in der Gesellschaft spielen zu lassen. Genannt seien hier der Ausbau der Realgymnasien, der technischen Fachschulen und der Technischen Hochschulen sowie das Promotionsrecht der Ingenieure. In Wilhelms liebstem Kind, der Kaiserlichen Marine, konnten bürgerliche Ingenieure nun auch Offiziere werden, ein traditionelles Adelsprivileg. Seit 1852 gab es das Germanische Nationalmuseum für Kunst und Kultur. Warum sollte es nun nicht auch ein vergleichbares Nationalmuseum für Naturwissenschaften und Technik geben als Krönung der Etablierung und Gleichberechtigung?

Auch im internationalen Vergleich war Deutschland dafür reif. Die beiden alten großen Industrienationen Großbritannien und Frankreich hatten mit dem "Kensington-Museum" und dem "Conservatoire des Arts et Métiers" bereits entsprechende Einrichtungen. Seitdem das Volk der Dichter und Denker auch seinen Nationalstaat erhalten hatte, holte es den Vorsprung der Briten und Franzosen auf technisch-naturwissenschaftlichem Gebiet auf und setzte sich auf vielen Gebieten sogar an die Spitze.

Die sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen für ein deutsches "Conservatoire des Arts et Métiers", ein deutsches "Kensington-Museum" waren geschaffen - was nun noch fehlte war eine handelnde Person. Sie fand sich in dem Königlichen Baurat Dr. Oskar von Miller. Der 1855 in München geborene Miller, bürgerlicher Herkunft und erst später geadelt, hatte sich als Wasserkraftpionier in Wissenschaft und Industrie einen Namen gemacht, hatte es mit von ihm realisierten Großbauprojekten zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Als Ausstellungsorganisator profilierte er sich 1882 und 1891 bei der Organisation der elektrotechnischen Ausstellungen in München und Frankfurt am Main, die er durch elektrotechnische Attraktionen und Vorführungen in die Presse brachte und zu Publikumsmagneten machte.

Diese positiven Erfahrungen ließen in Miller den Plan reifen, sich nicht mit temporären Ausstellungen zu bescheiden, sondern ein Museum aufzubauen. Eine Möglichkeit hierzu bot die Tagung des "Vereins Deutscher Ingenieure" (VDI) im Jahre 1903. Sie fand in München statt und als "Vorsitzender des Bayerischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure" war er der faktische Gastgeber. So viele Ingenieure würde er wohl nie wieder um sich versammeln können. Miller nutzte diese Chance.

Zwei Monate vor dem VDI-Kongreß, am 1. Mai 1903, verschickte er ein Rundschreiben an einen Kreis ausgewählter Repräsentanten aus Stadt, Staat, Wissenschaft und Technik, in dem er als Vorsitzender des Bayerischen Bezirksvereins unter Hinweis auf den bevorstehenden Ingenieur-Kongreß die Suggestivfrage stellte, ob nicht in München, "wie für die Meisterwerke der Kunst und des Gewerbes, auch für die Meisterwerke der Wissenschaft und Technik eine Sammlung in Deutschland angelegt werden sollte, wie dies bereits in Frankreich und England mit großem Erfolg im Conservatoire des Arts et Métiers und im Kensington-Museum geschehen ist". Für "die vorbereitenden Schritte zur Gründung eines solchen Museums" lud er die Adressaten des Schreibens für den 5. Mai zu einer Besprechung in den Sitzungssaal der Königlichen Obersten Baubehörde. Bereits dieser Besprechungsort ist symptomatisch für Millers vorzügliche Beziehungen zu Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und seine Bereitschaft, diese in den Dienst seiner Museumsidee zu stellen. Millers Erfolgsrezept besteht denn nicht zuletzt auch darin, Männer, die dem Museum nützlich sein können, für das Projekt zu gewinnen und an es zu binden.

Dieses zeigte auch die von Miller einberufene Versammlung am 5. Mai. Sie wählte einen vorbereitenden Ausschuß, der sich wie ein "Who is Who" der Münchner Gesellschaft liest. Auch heute noch namhafte Männer wie Diesel, Linde und Röntgen gehörten ebenso zu diesen 34 wie der Münchner Oberbürgermeister und der Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Als zweiten Vorsitzenden neben sich selber konnte Miller den Rektor der Technischen Hochschule München gewinnen. Nicht zu unterschätzen ist auch, daß Prinz Ludwig - der zweite Mann in Bayern hinter Prinzregent Luitpold, welcher wiederum mit Millers Bruder Ferdinand befreundet war - das Protektorat über das zu gründende Museum übernahm.

Als Protektor leitete der spätere Bayernkönig Ludwig III. auch die Gründungssitzung des "Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik", dem heutigen Deutschen Museum, zu der "gewissermaßen als Vorfeier" der VDI-Versammlung für den 28. Juni 1903 in die Akademie der Wissenschaften zu München gebeten wurde. Nachdem die Versammlung dem Satzungsentwurf zugestimmt hatte, stellte Prinz Ludwig die Annahme der Satzung und damit die Konstituierung des Museums fest.

In den Vorstand wurde neben den beiden Vorsitzenden des vorbereitenden Ausschusses noch der Gründer und Namensgeber der Linde AG, Carl von Linde, gewählt. Daneben wurden noch ein Vorstandsrat und ein Ausschuß gewählt, deren primärer Zweck darin gesehen werden darf, Wirtschafts- und Wissenschaftsgrößen wie Röntgen, Siemens und Diesel an das Museum zu binden. Miller war jedoch nicht so naiv, bei der Finanzierung seines Projektes nur auf Sponsoren aus der Wirtschaft zu bauen, und so wurden gleich mehrere Staatsminister zu Ehrenpräsidenten gemacht, auf daß die Zuschüsse des bayerischen Staates nicht zu knapp ausfielen.

Schließlich wurde auf der Gründungssitzung auch noch für die Unterbringung des Museums sowohl eine kurzfristige als auch eine langfristige Perspektive aufgezeigt. Miller wußte in seinem Bericht über die Arbeit des vorbereitenden Ausschusses mitzuteilen, daß dank des Prinzregenten dem Museum "die freien Räume des Alten Nationalmuseums in provisorischer Weise zur Verfügung gestellt" wurden. Und Münchens Oberbürgermeister gab einen Beschluß seiner Gemeindekollegien bekannt, "für den Fall der Notwendigkeit einer anderweitigen Unterbringung des Museums in weitgehendstem Maße entgegenzukommen, sei es, daß zu diesem Zwecke ein Teil der Kohleninsel in Aussicht genommen würde ..., sei es, daß ein anderer, im Besitz der Stadtgemeinde befindlicher Platz ... dem Unternehmen zu überlassen wäre".

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Bayerns standen also hinter Millers Projekt. Der Münchner dachte jedoch über Bayerns Grenzen hinaus, und so wurde noch auf der Gründungsversammlung eine Depesche an den Deutschen Kaiser zu dessen Unterrichtung über die Museumsgründung beschlossen. Wilhelm II. reagierte wie das von ihm regierte Reich positiv. Wie Bayern beteiligte sich auch das Deutsche Reich an den Museumskosten, und analog zur bayerischen durften sich nun auch in der Reichsregierung gleich mehrere Mitglieder Ehrenpräsidenten nennen.

Am 12. November 1906 war es soweit. Das Museum wurde in seiner provisorischen Unterbringung im Alten Nationalmuseum eröffnet. Eingeleitet wurden die Feierlichkeiten in Anwesenheit Prinz Ludwigs im Festsaal der Akademie der Wissenschaften, um dann am Nachmittag mit dem Besuch Wilhelms II. im Museum einschließlich zweistündigem Rundgang einen weiteren Höhepunkt zu finden. Am nächsten Morgen legten der Deutsche Kaiser und der Prinzregent von Bayern im Beisein Prinz Ludwigs und Oskar von Millers den Grundstein für einen Neubau auf der Kohleninsel. Dieser wegen Krieg, Inflation und Wirtschaftskrise erst 1925 fertiggestellte Bau wurde im Zweiten Weltkrieg zwar zu vier Fünftel zerstört, doch nach dem Krieg wieder aufgebaut und beherbergt noch heute das Deutsche Museum, von dem Wilhelm II. wie Luitpold ganz im Sinne Oskar von Millers meinten, daß es "den Bahnbrechern zu Dank und Ruhm gereichen, den Nachstrebenden aber Vorbild und Aneiferung zu neuem segensreichem Schaffen auf den Gebieten der Naturwissenschaft und Technik bieten möge!"

"Die Grundsteinlegung": Georg Waltenbergers Gemälde zeigt am Grundstein von rechts nach links Kaiser Wilhelm II. (mit dem Hammer) Prinz Ludwig, den späteren König Ludwig III., die Kaiserin, Prinzregent Luitpold und Ludwigs Ehefrau sowie im Hintergrund - mit einem Dokument in den Händen - Oskar von Miller. (Archiv)
 
     
     
 
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