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O reisen, reisen! Wer doch sein ganzes Leben umherflattern könnte! - Ja, ich fühle, die Welt ist mein Heim, und ich werde, ich muß mich in diesem Heim tummeln ..." Der dies schrieb war ein Heimatloser, ein unermüdlich Rastloser, der die meiste Zeit seines Lebens in Postkutschen und Eisenbahnen verbrachte, der in Hotels oder bei Freunden und Bekannten lebte, der sich erst im hohen Alter eine eigene Wohnung gönnte. Der dänische Märchendichter Hans Christian Andersen (1805-1875) war stets auf der Flucht in die Ferne, um "frei atmen zu können". Doch fühlte er sich keineswegs immer wohl auf diesen Reisen in ferne Länder; oft wurde der empfindsame Mann von Ängsten und Neurosen geplagt, etwa wenn an den damals strengen Passkontrollen sein Ausweis verlangt wurde. Auch fürchtete er sich, sein Gepäck zu verlieren - kaum vorstellbar bei den riesigen Ausmaßen der damaligen Koffer. Einen Strick zum Abseilen, sollte das Hotel, in dem er weilte, in Brand geraten, führte er ohnehin immer mit sich. Beide - Koffer und Strick - sind derzeit in einer überaus stimmungsvoll gestalteten Ausstellung im Altonaer Museum Hamburg zu sehen, die dort noch bis zum 12. Juni zu Ehren des Dänen zu sehen ist (dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr). Im Anschluß geht die Ausstellung nach Flensburg, wo sie auf dem Museumsberg vom 26. Juni bis 4. September gezeigt wird (dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr).
Unter dem Titel "Märchen eines Lebens - Mit Hans Christian Andersen durch das malerisch e Europa" sind in Altona zahlreiche Gemälde von Künstlern versammelt, die Andersen auf seinen Reisen kennenlernte und die Motive auf die Leinwand gebannt haben, die der Dichter so aus seinem Postkutschenfenster gesehen haben mag: den Brocken im Harz, den er 1831 auf seiner ersten Auslandsreise besuchte, die Sächsische Schweiz, Berlin, Frankreich, das Salzburger Land, Tirol, Italien. Bis in den Vorderen Orient führten Andersens Wege. Viele einfache Menschen lernte er auf diese Weise kennen. Er beobachtete ihren Alltag, um später darüber zu schreiben. Aber auch berühmte Zeitgenossen suchte er auf, so in Paris Heinrich Heine, in London Charles Dickens. Er begegnete Ludwig Tieck und Adelbert v. Chamisso, traf sich mit Carl Maria v. Weber und den Schumanns, kam mit Alexander von Humboldt und den Brüdern Grimm zusammen, wurde sogar von regierenden Häusern empfangen. 1845 war Andersen im Berliner Stadtschloß zu Gast; ein Jahr später folgte er einer erneuten Einladung Friedrich Wilhelms IV. und las im Potsdamer Schloß drei seiner Märchen ("Der Tannenbaum", "Das häßliche Entlein", "Der Schweinehirte"). Aus dem häßlichen Entlein, für das Andersen sich selbst hielt, war schließlich ein umworbener Schwan geworden. König Friedrich Wilhelm IV. zeichnete ihn sogar mit dem Roten Adlerorden aus. Preußen selbst schien Andersen, der an die grünen Auen seiner Heimat Dänemark gewöhnt war, nicht so sehr zu gefallen, schrieb er doch ein Spottgedicht über den Sand in Preußen, sprich Brandenburg. Auch Berlin war offensichtlich nicht nach seinem Geschmack: "Schnurgerade Straßen, Palais an Palais, ich werd müde vom gehen und dem, was ich seh ... Die Stadt dreht man sie kreuz und quer, ist für Verse viel zu schwer." Ohnehin schien man es dem Auge des Dichters nicht recht machen zu können, so urteilte er selbst über Venedig, wenn auch schmeichelhaft, so doch kritisch: "Venedig ist ein toter Schwan, der auf dem Wasser schwimmt."
Die Auszüge aus Tagebüchern und Reiseschilderungen, die in der Ausstellung die Bilder ergänzen, geben einen ganz persönlichen Einblick in die europäische Welt zur Zeit der Romantik. Der Besucher ist angehalten, sich auf eine poetische Reise zu begeben und nachzuspüren wie es war, als noch Postkutschen und Dampflokomotiven das Tempo bestimmten. Peter van Lohuizen
Andreas Juuel: Hünengrab bei Roskilde (1844) Fotos (2): Altonaer Museum
Franz Catel: Gondel vor Venedig (um 1839) |
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