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Es war so beruhigend. Muslimische Vereinigungen in Großbritannien und auch in Deutschland hatten sich vehement gegen Terror im Namen des Islam ausgesprochen, man war gemeinsam betroffen. Die Jünger des Multikulturalismus in Europa atmeten auf, im Geiste wurde der Terror eingehegt und damit fast schon wieder verdrängt. Und jetzt der erneute Anschlag, der nur durch Glück nicht so verheerend wirkte wie die Attentate vom 7. Juli. Der Terror meldete sich zurück, wieder im Namen des Islam.
Europa, vor allem Deutschland und Großbritannien, debattiert wieder über den Dialog mit dem Islam. Aber was wirklich nötig ist, ist ein innerislamischer Dialog. Viele Europäer reden sich wieder ein, daß die wirtschaftliche Rückständigkeit in islamischen Ländern der Grund für den Ausbruch des islamischen Terrors sei. Andere betonen die Notwendigkeit der Integration. Es ist eine Illusion. Die vier Attentäter von London waren gebürtige Briten, ihre Geburtsurkunden wurden in allen Zeitungen veröffentlicht. Es waren eingewanderte Muslime der dritten Generation, die ihre islamischen Wurzeln wieder entdeckt hatten und sich selbst im Namen Allahs in das Denken des siebten Jahrhunderts zurückbombten. Nun sind viele verwundert, man war doch so tolerant gerade mit den Muslimen. In Frankreich ist man schon wacher und wachsamer, die Geheimdienste kooperieren auch enger als ihre europäischen Kollegen mit den amerikanischen. Trotz Irak - im Kampf gegen den Terror steht Frankreich enger an der Seite Washingtons als London, konstatiert lobend selbst der europakritische Daniel Pipes. Die Härte zeigt sich in Gesetzen und in der Standhaftigkeit gegenüber Erpressungen durch Entführungen. Die Briten dagegen wanken, auch im Irak. Äußerlich gelassen, sind die Bomben des 7. Juli aber auch im Bewußtsein explodiert. Man ist tief verunsichert über den Umgang mit den eigenen Muslimen. Schlimmer als die Bomben waren die britischen Lebensumstände der Attentäter. Kann der Islam sich auch nach zwei Generationen nicht integrieren und assimilieren?
Zwei große Grundströmungen lassen sich heute in ganz Europa in der innerislamischen Debatte ausmachen. Wort und Tat - der gewalttätige Dschihad und die Predigt des Koran. Beiden Strömungen, Wort und Tat aber ist eines gemeinsam: das Ziel, Europa zu islamisieren. Der von der traurigen Gestalt des Londoner Bürgermeisters empfangene radikale Prediger Al Quaradawi, der Selbstmordattentate von Islamisten in Israel als Zeichen der Gerechtigkeit Allahs bezeichnet, sagt es ganz offen: "Der Islam wird nach Europa zurückkehren, als Sieger und Eroberer. Zweimal wurde er vertrieben, diesmal wird die Eroberung nicht mit dem Schwert, sondern durch Predigt und Ideologie geschehen."
Der Glaube an die Rück-kehr ist allen gemeinsam, er ist die Grundlage des Terrors. Deshalb sagt der Islamkenner Hans Peter Raddatz: "Es ist ein weitverbreiteter Irrtum zu glauben, daß man den gewalttätigen Islamismus vom eigentlichen Islam trennen könnte. Die beiden sind ursächlich miteinander verbunden und deshalb stehen wir auch vor einem unerschöpflichen Täterreservoir." Es sei "keineswegs so, daß die Muslime weltweit genauso empfinden würden wie wir und voller Abscheu stünden vor dieser Tat. Seit wir Umfragen haben im Nahen Osten über die Einstellung der Masse zu ihren Islamisten, gibt es Zahlen über die Position dieser Massen. Eine deutliche Mehrheit, nach dem 11. September waren es 88 Prozent, zeigt sich eins mit den Tätern." Die Muslime an sich seien "selbstverständlich keine Täter. Die große Masse von Ihnen will in Ruhe gelassen werden. Sie wehren sich sogar teilweise gegen den Druck der Islamisten in der Region, aber dennoch kommen Sie alle aus einer Ideologie und das ist der Islam."
Auch andere Islamkenner weisen auf diese gemeinsame Grundlage hin. Sie ist deswegen so bedeutsam, weil es im Islam keine oberste Lehrmeinung gibt, die im Namen aller den islamistischen Terror verurteilen könnte. Im Gegenteil, die gerade in Deutschland wieder in Talkshows herumgereichten üblichen Experten oder Vertreter des Islam repräsentieren mit ihren Organisationen keine zehn Prozent der Muslime in Deutschland. Es geht um das Denken. Es geht bei diesem Denken nicht, wie in den sogenannten zivilisierten Ländern des griechisch-jüdisch-christlichen Kulturkreises, um die Herrschaft des Rechts, das Primat des Rechtsstaates oder die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative. Es gibt noch keinen islamischen Montesquieu, Locke oder Hobbes. Kemal Atatürk hat es versucht, aber die Türkei, so kann man sagen, versucht es immer noch und die Tendenz geht derzeit eher wieder in die islamistische Richtung. Dieses Denken ist geprägt von der Schmach des Islam im achten und im 14. Jahrhundert, als der Islam aus Europa vertrieben wurde. Es ist ein Denken, das in Schriften und Predigten verbreitet wird. In London, Paris und auch in Berlin findet man sie, die Schriften des Raschid Rida, des Hassan als Bana und vor allem des Sayed Qutb. Dieser ägyptische Autor, dessen Werk gelegentlich mit Lenins "Was tun?" verglichen wird, spitzte die Thesen gegen das Abendland zu. Man solle die westliche Lebensweise und Kultur nicht nur ablehnen, sondern den Westen auch bekehren. Und zwar nicht nur mit dem Wort, sondern auch mit dem Schwert. Dieses Schwert solle aber auch gegen schwache und prowestliche arabische Regime gezogen werden, denn der islamischen Welt mangele es an Glauben.
Die Einheit des Islam ist ein Traum und der Traum hat einen Namen: Eurabia. Er wird in London offen gelehrt. London ist überhaupt die Metropole des Islamismus. Schon oft haben sich Sicherheitsbehörden in Ägypten und Jordanien beschwert, daß London die radikalen Haßprediger schütze und nicht ausliefere. In der Tat hat London auch unter Blair immer neue Konzessionen an diese 1,8 Millionen Muslime in Großbritannien gemacht, so daß die Parallelgesellschaften in kleineren und größeren Städten zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Aus diesen Vorstädten kamen die Attentäter des 7. Juli. Noch heute behauptet der Londoner Polizeichef Sir Ian Blair, der islamische Fundamentalismus sei nicht anstößig, man müsse nur fragen, "wie wir den anfälligen Jugendlichen helfen können, die sich von der Gewalt angezogen fühlen". Wer so denkt, hat weder etwas vom Islam noch von den Islamisten verstanden - und sich selbst schon unbewußt aufgegeben. In genau dieser Gefahr steht das politisch-mediale Establishment in Europa. Man fragt sich, statt die Muslime. Man fordert einen Dialog mit ihnen, statt den Dialog unter ihnen selbst, man akzeptiert die Lehre des Koran, statt zu fordern, daß der Koran so wie die Bibel auch in seinen historischen Umständen, seiner Entstehung und Exegese einmal wissenschaftlich erforscht werde. Raddatz fordert es in Deutschland, Alexandre del Valle in Frankreich. Es sind Einzelstimmen der Vernunft. Sie gewinnen Terrain, die Fakten lassen sich nicht wegdiskutieren. Die Jünger des Multikulturalismus dagegen gleichen dem Pilatus. Sie waschen ihre Hände in Unschuld und sehen nicht, daß das Wasser sich schon blutrot färbt. |
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