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Die Greencard-Falle

 
     
 
Groß war die Erregung - zuerst über den Alarm wegen mangelnder Computer-Fachleute, dann über den Ruf nach „Indern“ und natürlich über jenes bekannte Schlagwort, das sofort mit der Moralkeule niedergeknüppelt werden mußte. Mittlerweile herrscht weniger Aufregung, dafür aber gibt es überzählige „grüne Karten“ - und Kündigungen.

Ob es den vielbeklagten „Mangel“ tatsächlich gab und gibt? Wenn es die Wirtschaft sagt, wird es stimmen - könnte man meinen. Doch jeder weiß, daß jeder Wirtschafts
treibende jammert! Wenn er über Personalmangel klagt, meint er eigentlich, daß er die gewünschten Qualifikationen nicht zu einem ihm genehmen Preis einkaufen kann, denn er träumt von Leuten, die doppelt so gut oder halb so teuer sind. Auch die Arbeitnehmer jammern über Preise und träumen von höheren Löhnen, was ebenso verständlich und legitim ist. Problematisch wird es erst, wenn Interessenvertreter - oft wider besseres Wissen - anderen nach dem Mund reden und dann, als Träger politischer Verantwortung, entweder nationale Interessen oder die eigene Klientel verraten müssen.

Tatsache ist, daß ein überhöhtes Lohnniveau Arbeitsplätze vernichtet, ob durch Rationalisierung oder durch Abwanderung von Betrieben oder durch Konkurse. Tatsache ist weiters, daß ein gedrücktes Lohnniveau weniger Kaufkraft bedeutet und damit wieder auf Preise, Umsätze, Gewinne und Steueraufkommen drückt. Und Tatsache ist schließlich, daß alle Lenkungsmaßnahmen, so auch eine gezielte Einwanderung, mit „externen Kosten“ oder „Folgekosten“ verbunden sind. Diese aber werden stets von Dritten getragen - und daher gerne vergessen! Voraussetzung für vernünftige Lösungen ist es daher in erster Linie, Unwissen abzubauen, wobei es um folgende Fragenkreise geht:

Was ist ein Computer-Fachmann, EDV- oder IT-Spezialist? Welche Qualifikationen hat er und wie erwirbt er sie? (IT - „Informations-Technologie“ - ist der modernere und präzisere Begriff, denn Prozessoren, die entwickelt und programmiert werden müssen, stecken längst nicht nur in Computern.)

Welche Rolle spielen „Inder“ auf diesem Gebiet? Welche Vorteile und Nachteile haben sie? („Inder“ ist eine plakative, aber vertretbare Vereinfachung, denn Indien ist das volkreichste aller in Frage kommenden „Quellenländer“ für den ersehnten IT-Nachschub.)

Wie kann - allen Klischees von der freien Marktwirtschaft zum Hohn - in einem überdurchschnittlich hoch bezahlten Bereich Personalmangel entstehen? Was hindert Schulabgänger oder Umschulungsfähige daran, in die Nische vorzustoßen? Ist es Bequemlichkeit oder Mangel an Intelligenz oder nur eine Frage der Ausbildungskosten?

Als der Autor dieses Beitrags in den sechziger Jahren seine ersten Programme schrieb (in „Assembler“, einer durch Übersetzungshilfen lesbar gemachten Maschinensprache), hatte er die Ehre, an einem der größten Computer Europas zu arbeiten. Der verfügte über 128 KB - jawohl, ganze 128 Kilobytes Arbeitsspeicher! Es war damals noch möglich, quasi jedes Byte per Vornamen und Nachnamen zu kennen, während es beim Programmieren darauf ankam, Platz zu sparen, damit alles „hineinpaßt“. Und dieser Groß-Computer (Platzbedarf und Klimaanlage waren ehrfurchterweckend) kostete etwa das 5000fache meines Monatsgehalts.

Laufbahnbedingt hatte ich später den direkten Kontakt zum Computer aufzugeben, um ihn erst durch PC und Internet wieder zu kriegen. Und siehe da, heute bekommt man bereits für ein Anfängergehalt zwei bis drei PCs, die obendrein um Größenordnungen leistungsfähiger sind, als es „mein“ Großrechner je war. „Wie’s da drinnen aussieht“, weiß allerdings kaum noch wer, denn man bewegt sich nur mehr auf einer „Benutzeroberfläche“.

Über Jahrzehnte hinweg unverändert geblieben ist das Grundproblem, das zugleich die meisten Kosten verursacht und wegen der Komplexität der Materie noch weitaus stärker zum Tragen kommt als in jedem anderen Wirtschaftszweig: Es ist das Mißverstehen, das aneinander Vorbeidenken der Beteiligten! Denn der Personenkreis reicht von mathematischer und physikalischer Grundlagenforschung über die Entwicklung von Hardware (Rechnern), Systemsoftware (Programmen) und Anwenderpaketen, über Wartung und Kundenbetreuung bis hin zum Benutzer, der nur wissen will, wie ihm das Gerät helfen kann, und nicht, wie er sich ändern muß, damit es funktioniert! Verschärft wird das Problem durch hohe Personal-Fluktuation und mangelhafte Dokumentation.

Wie Menschen an ein Problem herangehen - wenn sie es überhaupt als solches erkennen - ist nicht durch eine abstrakte, mathematische Logik, sondern durch eine pragmatische bestimmt, und diese ist personenbedingt. Alt und Jung denken verschieden - wie man an den eigenen Kindern feststellen muß, selbst wenn sie Informatik studieren. Männer und Frauen denken verschieden, selbst wenn das manche Ideologen nicht wahrhaben wollen. Und natürlich gibt es auch soziale, bildungsmäßige und nationale Unterschiede.

Womit wir bei den Indern sind: Wer sich an anglo-amerikanischen Universitäten umsieht, wird auf etliche Inder stoßen, darunter ausgesprochene Spitzenleute. Nicht erstaunlich, denn ein altes Kulturvolk, das ein Sechstel der Weltbevölkerung stellt, wird wohl auch Könner hervorbringen. Und natürlich geht man aus einem Entwicklungsland, in welchem Englisch die Lingua franca ist, primär dorthin, wo man mit dieser Sprache durchkommt. (Eine „Green Card“ in Deutschland ist also gleich doppelt fragwürdig!)

Inder produzieren auch einen beträchtlichen Teil der weltweit verwendeten Software - doch nicht als Gastarbeiter! Denn so wie die Industrie längst schon auf Zukauf („outsourcing“) und auf Auslagerung in Billiglohn-Länder („off-shore manufacturing“) setzt, erteilen zunehmend auch Hardware- und Software-Hersteller Entwicklungsaufträge an indische Firmen, die in Indien zu indischen Bedingungen indische Arbeitskräfte einsetzen. Der Auftraggeber legt Spezifikationen fest, hat aber mit dem lokalen Personal ebensowenig zu tun wie ein Teppichkäufer mit den Knüpferinnen.

Beachten sollte man weiters, daß Inder mit mittlerer Bildung ein - vorsichtig ausgedrückt - großes Selbstbewußtein besitzen. Nicht erstaunlich, denn in ihrer Heimat ist das Gefälle zwischen oben und unten ungleich stärker als in Mitteleuropa. Und wer je mit Leuten aus einstigen Kolonialgebieten arbeitete, kennt auch deren überdurchschnittliche Empfindlichkeit auf Kritik - der Rassismus-Vorwurf hängt stets im Raum! Den Betriebspsychologen stehen interessante Aufgaben ins Haus, denn von der Gefügigkeit philippinischer Krankenschwestern sollte man keinesfalls auf andere Berufe und Nationalitäten schließen!

So wie über einen Mangel an IT-Fachkräften klagt man gerne auch über einen Mangel an Facharbeitern. Und das führt zum Kern des Problems, denn die meisten IT-Leute können durchaus als Facharbeiter bezeichnet werden, nur eben mit anderem Werkzeug. Was aber macht den Facharbeiter aus? Ist es das Fachwissen? Sicherlich kommt dem Fachwissen Bedeutung zu, doch technischer Fortschritt läßt es rasch veralten. Geht es also um die Bereitschaft, ständig zu lernen? Auch das ist wichtig, doch Fachmann wird man nicht durch Schnellsiederkurse.

Entscheidend ist die persönliche Einstellung! Es ist das Wissen darum, daß vom Produkt der eigenen Arbeit das Funktionieren eines ganzen Systems abhängen kann. Es ist echtes Verantwortungsbewußtsein, nicht bloß schaumschlägerisches „Teamwork“-Gefasel. Es ist Ordnungsliebe - und zwar nicht um ihrer selbst willen, sondern als solide Grundlage aller künftig notwendigen Anpassungen und Weiterentwicklungen. Es ist das sorgfältige Beachten von Einzelheiten, ohne sich im Unwesentlichen zu verlieren. Es ist die Bereitschaft, die eigene Kreativität auch in Knochenarbeit umzusetzen - selbst die genialsten Dichter und Komponisten kamen nicht ums lästige Niederschreiben herum!

Daß diese Qualifikationen Mangelware sind, ist die direkte Folge sogenannter Bildungsreformen. Die von den „Achtundsechzigern“ angerichtete ideelle Verwüstung sowie der als Ersatzreligion praktizierte Umweltkult haben eine doppelbödige Technikfeindlichkeit entstehen lassen: Man verteufelt die Technik - aber man bedient sich ihrer trotzdem. Die Ausbildungs- und Charaktermängel von heute sind in Elternhaus, Kindergarten, Schule und Universität herangezüchtet! Wie aber soll ein Programmierer die Plausibilität eines Ergebnisses abschätzen, wenn er nicht einmal das kleine Einmaleins kann? Wie soll er verständliche Bedienungsanleitungen oder Bildschirmmeldungen formulieren, wenn er nicht einmal die eigene Muttersprache beherrscht? Wie soll er sich in der Vielfalt seines Fachgebietes zurechtfinden, wenn mangelndes „Auswendiglernen“ in der Kindheit seine Merkfähigkeit verkümmern ließ?

Ohne entsprechende Basis können auch Umschulungsprogramme wenig helfen. Die Wirtschaft sollte daher vor allem darauf bestehen, daß das Bildungs- und Ausbildungswesen von schädlichen Elementen gesäubert wird. Und sie sollte ganz besonders darauf achten, welche Wertvorstellungen der Jugend in jenen Medien vermittelt werden, derer sie sich zur Propagierung der eigenen Produkte bedient: Denn bloße Konsumtrottel, die zu keiner qualifizierten Arbeit fähig sind, werden auch nicht das Geld verdienen, um diese Produkte kaufen zu können! Und Computer-Spiele erzeugen keine IT-Fachkräfte.

Daß Wanderungen eine „Bereicherung“ für alle Beteiligten darstellen können, ist durchaus richtig - vorausgesetzt, daß sich alles abspielt wie einst unter Handwerkern und Scholaren, d. h. individuell und in jede Richtung. Massenbewegungen hingegen, insbesondere solche in Einbahnrichtung, schaffen erfahrungsgemäß mehr Probleme, als sie vielleicht zu lösen vermögen. Der einzelne „Inder“ ist also sicher kein Problem - und auch keine Lösung. Eine importierte „IT-Kaste“ hingegen - womöglich in Kombination mit einem heimischen Sozialschmarotzer-Subproletariat - ist gesellschaftlicher Sprengstoff!

Abschließend noch zur „Moral“, die auch beim Thema Zuwanderung gerne ins Spiel gebracht wird, wenn rationale Argumente versagen: Die seltsame Interessengemeinschaft aus christlichen Illusionisten, rot-grünen Internationalisten und ebenso internatio- nalistischen Kapitalisten übersieht einige wesentliche Fakten bzw. will diese nicht wahrhaben! Wenn man nämlich massenhaft Fachkräfte aus Entwicklungsländern oder aus Osteuropa „absaugt“, macht man diese Länder, die für die Ausbildungskosten aufzukommen hatten, noch ärmer. Man schwächt den dort ohnehin unterentwickelten Mittelstand, verhindert so die Überbrückung sozialer Gegensätze und hilft, korrupte bis verbrecherische Regierungen zu zementieren.

Zum „Ausgleich“, quasi nach dem Prinzip des Ablaßhandels, wird Entwicklungshilfe gewährt, die direkt und indirekt auch wieder diesen Machthabern nützt.

 
     
     
 
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