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Die Jugend - besser als ihr Ruf

 
     
 
Ältere neigen dazu, Jugendliche als wenig ernsthaft, oberflächlich, leichtfertig anzusehen, und auf den ersten Blick scheint die heutige Jugend diese Vorurteile zu bestätigen. Überträgt man das Bild, das in Fernsehspielen von Jugendlichen geboten wird, auf die Wirklichkeit, dann wären junge Leute stets mißgelaunt, lägen in ständigem Streit mit ihren Familien, gingen ihren beruflichen Pflichten nur gezwungen und lustlos nach und widersetzten sich ständig ihrer Umwelt.

Nun muß man sich hüten, solche Klischees der Fernsehmacher ernst zu nehmen. In deren Milieu gilt offenbar eine solche verweigernde Haltung als wünschenswert, doch muß man, wenn man in Kontakt mit Jugendlichen kommt, bezweifeln, ob diese Darstellung der Realität entspricht.

Immer einmal wieder werden in großem Rahmen Jugenduntersuchungen durchgeführt, so vor einigen Jahren von der Deutschen Shell AG, vom Deutschen Jugendinstitut oder von der IBM. Jetzt legt die Industriegewerkschaft Metall eine ganz frische Studie vor, die den Titel hat "Neue Orientierungen und Engagement
formen bei jungen Arbeitnehmer/innen".

Damit verbindet die Gewerkschaft die Absicht herauszufinden, wie sie besser als bisher Jugendliche erreicht. Die Gewerkschaften fühlen sich immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Sie sind - und diese Befürchtung herrscht vor allem bei ihren führenden Funktionären vor - nicht mehr wesentlich mitbestimmend in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen Deutschlands. Das hat natürlich zu tun mit der riesigen Zahl von Arbeitslosen, die in der Regel den Gewerkschaften den Rücken kehren. Aber weit darüber hinaus reicht eine Entwicklung, die die Unterschiede der sozialen Schichten immer mehr eingeebnet hat. Auch die politisch gewollte Globalisierung mindert deutlich die Einflußmöglichkeiten der Gewerkschaften.

Von den 1.042 Jugendlichen, die als repräsentativer Querschnitt in der Studie befragt worden sind, ist ein knappes Drittel Mitglied einer Gewerkschaft, was noch nicht viel heißt, denn bei der Frage, ob sie sich schon einmal engagiert haben, antworten nur elf Prozent, daß das in einer Gewerkschaft geschehen sei. Der Rest der 30 Prozent, die Gewerkschaftsmitglieder sind, dürfte sich dann aus nur zahlenden Mitgliedern zusammensetzen. Befragt wurden ausschließlich im Beruf stehende Jugendliche, nicht jedoch Schüler und Studenten. Die Ergebnisse der Studie sind von allgemeinem Interesse und - das sei vorweg gesagt - in vielen Punkten überraschend.

Verkörpern die zwischen 16 und 27 Jahre alten Jugendlichen die "Spaßgesellschaft"? Geht ihnen der "Spaß" über alles? Haben sie ansonsten keine ernsthaften Ziele und Interessen? 55 Prozent der Befragten antworten, die Arbeit stehe für sie im Vordergrund, während 45 Prozent die Freizeit an die erste Stelle rücken. 52 Prozent der Jugendlichen beschäftigen sich auch in ihrer Freiheit mit Themen, die ihre Arbeit betreffen. 83 Prozent geben an, mit ihrer derzeitigen Arbeits- bzw. Ausbildungssituation zufrieden zu sein, und 82 Prozent geben eine positive Antwort auf die Frage: "Wie siehst du das Verhältnis zwischen Ausbildern und Auszubildenden?" Das Verhältnis zu den Kollegen bezeichnen 92 Prozent als "eher solidarisch" und nur neun Prozent als "eher konkurrierend". Nur zehn Prozent sehen sich im Beruf überfordert, 73 Prozent aber eher herausgefordert.

Das sind Antworten, die ein anderes Bild zeichnen als das, was in Fernsehspielen übermittelt wird. Diese Jugend ist offenbar überwiegend in die Arbeitswelt integriert, sie ist nicht mürrisch und leistungsunwillig, sondern zum größten Teil bereit, die gestellten Aufgaben zu bewältigen.

Das heißt aber nun nicht, daß die Jugendlichen blauäugig in die Zukunft blicken. Fast 80 Prozent fühlen sich beunruhigt, weil die Zukunft so unsicher sei. 45 Prozent sehen für sich wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ganz offensichtlich lassen sie sich davon aber nicht entmutigen. 83 Prozent stimmen, wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen, der Feststellung zu, daß ihre Zukunft gut aussieht. Auf die Frage, ob ihnen ihr Leben sinnvoll erscheint, meinen 85 Prozent, das sei durchaus der Fall. Sie wollen sich also anstrengen, um aus ihrem Leben etwas zu machen. Diese erfreuliche Haltung gilt für deutsche wie für ausländische Jugendliche. Von den befragten Jugendlichen stammen 29 Prozent von ausländischen Eltern ab, wenn auch 15 Prozent einen deutschen Paß haben.

Seit geraumer Zeit verkehrt sich der bis Ende der 80er Jahre geltende Trend, daß Jugendliche nach links neigen, ins Gegenteil. Die Autoren der Studie schreiben dazu: "Linke politische Bewegungen und linke Argumentationsweisen verloren an Attraktivität." Die seit einigen Jahren festzustellende Entwicklung verstärkte sich weiter. So stimmen dem Satz "Wer in Deutschland lebt, sollte sich auch an die deutsche Kultur anpassen" 73 Prozent der Jugendlichen zu. Daß sie damit keineswegs Ausländer diskriminieren wollen, zeigen zumindest 68 Prozent, wenn sie dem Satz zustimmen "Ausländer, die in Deutschland leben, müssen gleich- berechtigt wie Deutsche behandelt werden."

Daß die Jugendlichen eine Sehnsucht nach Werten haben, geht aus den Reaktionen auf den Satz "Wir sollten uns wieder mehr an den deutschen Tugenden wie Fleiß, Ordnung und Sauberkeit orientieren" hervor. Dem stimmten 78 Prozent zu.

Bemerkenswert auch, wie positiv das Verhältnis der Jugendlichen zu ihrer Familie ist. Auf die Frage, welche Probleme der Jugendliche zur Zeit hat, antworten nur 18 Prozent, sie hätten Probleme mit ihrer Familie. 82 Prozent erklären, sie kämen mit ihrer Familie zurecht. 87 Prozent erklären, sie seien fest in ihre Familie eingebunden. Die in den Fernsehfilmen ständig ihre Eltern beschimpfenden Jugendlichen sind also Kunstfiguren, die mit der deutschen Wirklichkeit wenig zu tun haben. (Es stellt sich am Rande die Frage, welches Ziel die Fernsehmacher mit ihrer destruktiven Darstellung der Familie verfolgen.)

Aufgefordert, sich politisch "links" oder "rechts" einzuordnen, erklären 14 Prozent, sie fühlten sich als "links" oder doch "eher links als rechts". 31 Prozent hingegen sagten von sich, sie stünden "rechts" oder doch "eher rechts als links". Auf die Frage, welche zukünftige Entwicklung der Gesellschaft sich die Jugendlichen wünschen, stimmen 64 Prozent für eine "nationale Gesellschaft".

Politik wird von den Jugendlichen weitgehend als Parteipolitik verstanden, die die weitaus meisten den Berufspolitikern überlassen wollen. Dabei dürfte Resignation eine Rolle spielen: 51 Prozent meinen, es brächte nichts, sich in öffentlichen Angelegenheiten zu engagieren; nur fünf Prozent sind Mitglied einer Partei.

Nur wenige verfügen über Sachkenntnisse über politische Vorgänge. Sie interessieren sie auch nicht. Viele aber schimpfen auf Politiker, und das zum Teil exzessiv. Aus weitergehenden Fragen und Antworten geht hervor, daß die politische Bildung an Schulen, in Gewerkschaften und Zentralen der politischen Bildung, im Fernsehen, in Zeitungen usw. ein Schlag ins Wasser ist. Bei den beruflich tätigen Jugendlichen jedenfalls haben die unzähligen Broschüren, Flugblätter, Seminare, Vorträge und Unterrichtsstunden in dieser Richtung nur dazu geführt, daß sie sich abwenden, so daß die Autoren der Studie von der "politischen Verwahrlosung" der Jugendlichen meinen sprechen zu müssen. 55 Prozent halten politische Bildung in den Gewerkschaften für unwichtig.

Dort, wo die Jugendlichen einen klaren Rahmen erkennen, da wo sie ihre Umwelt überblicken und beurteilen können, also in ihrem Betrieb oder in der Familie, da erscheint die große Mehrheit wohlmotiviert, positiv eingestellt und leistungswillig zu sein. Von der Politik als Parteipolitik haben sie sich weitgehend abgewendet. Nach den Gründen zu fragen, war nicht Aufgabe der Studie, und so muß sich darüber jeder selbst ein Urteil bilde
 
     
     
 
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