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Die Koalition der Unglaubwürdigen

 
     
 
Staaten und Regierungen gehen an zwei Dingen zugrunde, an Krieg und an schlechten Finanzen - solch ein Satz kann eigentlich nur von einem Banker stammen. Gesprochen hat ihn Hjalmar Schacht 1968 im Rückblick auf seine zwei Amtszeiten als Reichsbankpräsident. Bemerkenswert heute ist nicht nur der Inhalt, sondern auch das Datum: Mitten in der Legislaturperiode der ersten Großen Koalition. Sie mündete, wie man weiß, in einem sozialliberalen Bündnis, und genau das droht der Union auch heute. Sie ist es, die vom Verlust der Glaubwürdigkeit am stärksten betroffen sein wird. Das hat nicht nur mit den Finanzen zu tun, deren Verwaltung simpler und brutaler nicht sein kann: Steuern rauf, daß die Schwarte kracht. Das hat auch zu tun mit der Profillosigkeit. Da kommt man leicht ins Rutschen, selbst wenn das Erscheinungsbild im Ausland glänzend ist. Aber mit Außenpolitik ist in Deutschland keine Wahl zu gewinnen, die Ostpolitik
1972 war eine Ausnahme, die durch tagesaktuelle Umstände verzerrt wurde und im historischen Rückblick noch einer Aufarbeitung bedarf.

Die Außenpolitik wird Frau Merkel nicht retten. Sie mag in Washington, Moskau, Peking, Paris, Brüssel und London noch so eine gute Figur abgeben. Es spricht sich herum, daß sie an diesen Baustellen eigentlich nur Reparaturarbeiten bewerkstelligt, weil ihr Vorgänger die deutsche Außenpolitik nach dem Gusto des Tages und nicht nach den Interessen des Landes betrieb und dabei offenbar seinen persönlichen Ambitionen Vorrang einräumte.

Die Fassade des Hauses Deutschland ist jetzt wieder in Ordnung. Nun wartet man auf die Reparaturarbeiten im Innern. Beim ersten Schritt hat die Union nicht aufgepaßt. Das Antidiskriminierungsgesetz geriet zum Rohrkrepierer. Überhaupt verfestigt sich der Eindruck, daß die SPD der Innen-, Gesellschafts-, und Wirtschaftspolitik den Stempel aufdrückt und Frau Merkel die Zeche bezahlt, sprich die Steuern erhöht.

Dieser Eindruck ist fatal. Wenn er sich weiter verfestigt, wird er zur Versuchung für die SPD. Sie könnte, wenn es bei der Gesundheitsreform nicht zur Einigung kommt, den Bruch wagen und die FDP für ein konstruktives Mißtrauensvotum gewinnen. Die Liberalen hätten dabei nichts zu verlieren. Sie könnten einwilligen mit dem Argument, man müsse Rot-Rot-Grün verhindern und die Fahrt in den Wahnsinn abbremsen. Die Grünen würden mitmachen und jede Kröte schlucken, nur um wieder an der Macht beteiligt zu sein. SPD-Chef Kurt Beck könnte auf diese Weise zwei Jahre regieren und eine sozial-liberale Koalition vorbereiten.

Natürlich ist es noch zu früh für dieses Szenario. Aber sobald die Konjunktur einbricht, ist es mit der Harmonie vorbei, wird das gebrechliche Gebilde namens Große Koalition der Realität nicht mehr standhalten. In solchen Situationen kommt es darauf an, eigene Positionen und Profil zu zeigen, ja, sie überhaupt zu haben. Hier wird die Schwäche der Union offenkundig werden. Sie hat nur dann eine Chance, wenn ihre Stärke nicht in Ämtern und tagespolitischer Taktik liegt, sondern in Profil und Programm. Die Regionalkonferenzen über das künftige Grundsatzprogramm haben jedoch gezeigt, daß es genau hier hapert. Viele Menschen, Mütter und Hausfrauen zumal, fühlen sich bei der Familienpolitik verraten und im Stich gelassen. Viele Arbeitnehmer verstehen nicht die Notwendigkeit der größten Steuererhöhung seit dem Krieg in einer Phase des konjunkturellen Aufschwungs. Alle sehen, daß es der Regierung an Konzepten mangelt und sie nur darauf aus ist, die Kassen zu füllen.

Die Spekulationen über die Gesundheitsreform werden nach der Weltmeisterschaft das Sommerloch füllen. Im Spätsommer und Herbst wird es ernst. Dann wird man sehen, daß die Konjunktur nicht hält, was die Prognosen versprochen haben. Von zupackender Aufbruchstimmung ist wenig zu spüren. Das wird der Großen Koalition und insbesondere der Union angelastet werden.

Ein weiterer Aspekt ist der Mangel an einer großen, auch im Bundesrat handlungsfähigen Opposition, der dazu führt, daß sich Widerstand außerhalb des Parlamentes formiert: in den Verbänden, die keine Subventionen aus Berlin erhalten oder auch sonst nichts zu verlieren haben. Hinzu kommt die Wand, auf die unsere Sozialsysteme zurasen. Noch ist etwas Geld und Zeit vorhanden. Aber der demographische Moloch frißt es unentwegt weg, und strukturelle Reformen sind nicht in Sicht. Das beunruhigt die Menschen. Erst recht, wenn die Glaubwürdigkeit in das handelnde politische Personal mit rasender Geschwindigkeit verloren geht.
 
     
     
 
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