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Eingebettet zwischen Meer und Wald, von der Natur reich gesegnet, nahe der Hansestadt Danzig gelegen, darf sich das Weltbad Zoppot mit Recht die „Perle am Ostseestrand“ nennen. Wer über See von Pillau nach Zoppot kam, beispielsweise mit dem modernen Fahrgastschiff „Preußen“ des Seedienstes Ostdeutschland, wurde von dem 600 Meter langen Seesteg empfangen, dem längsten in Europa. Die dreieinhalbstündige Fahrt kostete sechs Reichsmark. Vom Seesteg fiel der Blick auf den großzügigen Bau des 1927 eröffneten Kasino-Hotels. Links davon, direkt am Strand, die einladenden Kuranlagen, mit dem spitzgiebeligen Kurhaus in der Mitte. Im Kurhaus befanden sich die elegant ausgestatteten Räume der Spielbank, wo nach international en Regeln Roulette und Baccara gespielt wurde. Die seit 1931 staatlich konzessionierte Zoppoter Spielbank hatte das ganze Jahr über geöffnet. Gegen Vorlage von Paß oder Personalausweis wechselte man sein Geld in Jetons um.
Als weiteren Ruhm kann die „Perle an der Ostsee“ für sich in Anspruch nehmen, die Oper der Naturbühne zugeführt zu haben. Im Angesicht der bewaldeten Höhen Zoppots schwärmte schon der schlesische Dichter Joseph Freiherr von Eichendorff von der schönen Landschaft. Sie inspirierte ihn während seines mehrjährigen Aufenthaltes als Regierungsrat im Dienste der westpreußischen Provinzialregierung zu der bezaubernden Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“. 86 Jahre später entstand inmitten des herrlichen Waldes eine der bekanntesten deutschen Festspielstätten, die Zoppoter Waldoper.
Das in die Geschichte Danzigs tief einschneidende Ende des Ersten Weltkrieges erzwang eine Pause in den Waldopernspielen. Zwar blieb Zoppot als ein Teil der von den Siegermächten proklamierten Freien Stadt Danzig dem Deutschtum erhalten, aber niemand wußte, wie sich die nahe polnische Grenze auswirken würde. Zwischen der westlichen Freistaatgrenze und dem amputierten Deutschen Reich schob sich der polnische Korridor bis an den Ostseestrand vor. Von der Zoppoter Waldbühne bis zur polnischen Grenze waren es gerade 1,3 Kilometer Weglänge. Würde man trotz der Abspaltung vom deutschen Vaterland die Besucherzahlen halten können und würde überhaupt der kleine Freistaat die notwendigen Mittel zum Erhalt der Festspiele aufbringen?
Der Kurort Zoppot, mit 33000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Freistaat Danzig, löste mit Bravour diese anstehenden Fragen. Wie ein Mann standen die rund eine halbe Million Freistaatbewohner hinter ihrer Staatsführung. Schon immer war man sich in Danzig seiner kulturellen Vorpostenstellung im deutschen Osten bewußt gewesen und bewies mit der Berufung von Hermann Merz zum künstlerischen Festspielleiter eine glückliche Hand. Mit genialem Blick für die Möglichkeiten, welche die Naturbühne bot, baute Merz, von seiner Ehefrau Etta fachmännisch unterstützt, in zielbewußter Arbeit die Waldoper zu einer Richard-Wagner-Festspielbühne aus. Er berief bekannte Orchesterdirigenten wie Hans Knappertsbusch, Karl Tutein, Hans Pfitzener und Max von Schillings nach Zoppot. Der Chor zählte bis zu 300 Mitwirkende, rund 8000 Zuschauer fanden in dem von Bäumen umsäumten Naturrund Platz. Eine auf Schienen bewegliche, riesige Laubwand aus geflochtenen Eichenblättern bildete den Bühnenvorhang. 1927 spielte man die „Götterdämmerung“ aus der Trilogie „Der Ring der Nibelungen“, 1928 das Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ und 1929 „Die Meistersinger von Nürnberg“. Das Jubiläumsjahr 1934 – 25 Jahre „Nordisches Bayreuth“ – bescherte der Waldoper eine Rangerhöhung zur „Reichswichtigen Festpielstätte“. Eigentlich ein Kuriosum, denn Zoppot gehörte seit Versailles nicht mehr zum Reich. Am 16. August 1942 fiel der Bühnenvorhang zum letzten Mal, der totale Krieg beendete die Geschichte der Zoppoter Waldoper.
Doch zurück zum Gesellschaftsleben im „mondänsten Seebad des deutschen Sprachraumes“. Bereits im 19. Jahrhundert war Zoppot eine beliebte Sommerfrische für Danziger Patrizierfamilien. Den Aufstieg zum Seebad verdankte es dem Arzt Dr. Haffner, der die erste Badeanstalt schuf und eine Kurbehandlung mit Seewasser propagierte. Das 1901 von Kaiser Wilhelm II. zur Stadt erhobene Ostseebad Zoppot entwickelte sich zu einer Hochburg des Sports. Internationale Tennis- und Tanzturniere, Segelregatten und Motorbootrennen, Pferderennen, Schwimmfeste, zogen Tausende von Menschen an. Blumen- und Autokorsos sowie große Modenschauen boten einem begüterten Publikum Zerstreuung und Vergnügen. Der gepflegte, weißsandige Strand trug neben dem unvergleichlichen Klima zur Entwicklung eines internationalen Badelebens bei.
All dem bereiteten die Sowjets mit der am 22. März 1945 erfolgten Eroberung ein Ende. Im Gegensatz zum benachbarten Danzig hatte Zoppot weniger Kriegszerstörungen zu beklagen. Nach der Vertreibung der angestammten Bevölkerung dämmerte das einstmalige Weltbad jahrzehntelang vor sich hin. Die prächtigen Villen und herrschaftlichen Sommersitze verkümmerten. Abwässer verwandelten die schönen Badeplätze an der Ostsee zu kloakenähnlichen Tümpeln. Erst nach der demokratischen Wende in Polen besserten sich die Verhältnisse. In den 90er Jahren gab die polnische Verwaltung Teile des Zoppoter Bade-
strandes wieder frei. Heute bringen S-Bahnzüge in rascher Folge die Besucher aus Danzig in das auf halbem Wege nach Gdingen liegende Ostseebad. Flaniermeile ist wieder die frühere Seestraße, deren schmucke Häuser infolge des frischen Anstrichs in allen Farben erstrahlen. Zahlreiche Diskotheken und Pubs berieseln das Publikum mit lauter Musik. In der Waldoper findet jährlich das internationale Jazz-Festival statt. Der gepflegte Promenadeweg von Zoppot nach Brösen eröffnet weite Ausblicke auf die Danziger Bucht. Man sieht am Horizont große Tankschiffe, die dem Nordhafen zustreben, von wo das Rohöl zu den Erdölraffinerien in Danzig und Plock an der Weichsel gepumpt wird.
Mitwirkende der Zoppoter Waldoper: Auf den Stühlen sitzen (von links nach rechts) der Intendant Hermann Merz, dessen Ehefrau Etta Merz und der Dirigent Max von Schillings.
Zoppot: Landungssteg mit dem Strandhotel Seebad |
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