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Wer mit der Erwartung in die Rhein-Mosel-Halle in Koblenz kam, einen geschlagenen und verbitterten Euro-Gegner anzutreffen, wurde enttäuscht. Vor allem der Ausblick in die Zukunft und die Gefahren der neuen Währung nahmen im Vortrag Prof. Karl Albrecht Schachtschneiders, den er auf Einladung des Christlich-Konservativen Deutschland-Forums (CKDF) am Tag der Verabschiedung des Vertrags von Nizza hielt, großen Raum ein. Spontanen Beifall bekam er gleich zu Anfang aus dem Publikum, als er der „Euro-Episode“ maximal zehn Jahre gab und damit den Erwartungen des US-amerikanischen Notenbankpräsidenten Alan Greenspan recht gab.
Als größten Fehler der Regierung Kohl bezeichnete er die Aufgabe des Prinzips „erst die politische Union, dann die Währungs- union“. Gerade das Beispiel der USA zeige, daß ein Staat lange vorher geeinigt sein muß, bevor eine gemeinsame Währung Gültigkeit erlange. Immerhin liegen zwischen der Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1776 und der allgemeinen Durchsetzung des US-Dollar Anfang des 20. Jahr- hunderts ein Bürgerkrieg und mehr als 130 Jahre. Die weitverbreitete Vorstellung, die Abschaffung der Sklaverei sei der Hauptgrund dieses Krieges gewesen, entkräftete Schachtschneider, der 1993 und 1998 gegen den Euro geklagt hatte, durch den Hinweis, daß dies nur ein Symptom für eine Inkompatibilität zweier unterschiedlicher Wirtschaftssysteme war. Erst der Sieg der Nordstaaten habe die Durchsetzung der heute bekannten Wirtschaftsform und des US-Dollar eingeleitet.
Während jedoch in den USA die Einheit mittels politischer und militärischer Mittel bewerkstelligt wurde, scheine man in Europa dank nationaler Ressentiments in den Mitgliedsstaaten einen anderen Weg gehen zu wollen: die Erzwingung der Einheit durch den Euro.
Dabei ist der Euro nur der Hebel zu einer immer stärker voranschreitenden Integrationspolitik, gegen die es in Deutschland keine artikulierte Opposition gibt.
Dabei verpflichteten sich Bun-desrat und Bundestag in feierlichen Erklärungen zu einer „engen und strikten Auslegung“ der Stabilitätskriterien. Als erkennbar wurde, daß diese Kriterien unerreichbar waren, verzichtete man einfach auf die Prüfung. So kam es dann, daß Luxemburg das einzige Land der Europäischen Union war, welches am Stichtag die Konvergenzkriterien erfüllte, bei allen anderen reichte die „anzunehmende Tendenz“ aus.
In der Praxis riß beispielsweise Italien die 60-Prozent-Hürde der Staatsverschuldung glatt mit 130 Prozent. Schachtschneider wies darauf hin, daß die Stabilitätskriterien auch heute noch gültig seien und die Situation inzwischen in sämtlichen Ländern - außer Luxemburg - sogar eine negative Tendenz aufweise.
Im Gegensatz zu den Stabilitätskriterien ist der danach vereinbarte Stabilitätspakt völlig unverbindlich geblieben, Sank- tionen oder auch nur Mißbilligungen sind nicht durchsetzbar.
Für Deutschland ergeben sich im wirtschaftspolitischen Korsett der EU verfassungsrechtliche Probleme. So hat das sogenannte „Magische Viereck“ aus Stabilität, Wachstum, Vollbeschäf- tigung und au-ßenwirtschaftlichem Gleichgewicht für die Bundesregierung verpflichtenden Rang. Während noch unter Karl Schiller eine Ar- beitslosigkeit von mehr als 0,8 Prozent als verfassungswidrig angesehen wurde, macht man sich heute in erster Linie Gedanken darüber, wie viele Millionen in „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ (ABM) oder Weiter- und Fortbildung versteckt werden können. Bei Investitionen und Wachstum ist Deutschland das Schlußlicht in Europa. Relative Preisstabilität erreichen wir nur durch eine „partielle Deflation“, die eine „partielle Inflation“ in anderen Bereichen neutralisiert.
Natürlich geht es vielen Staaten Europas nicht besser, Frankreich etwa hat bereits zu Förderungsmaßnahmen und Subventionen gegriffen, um seine Situation zu stabilisieren. Interessant dürfte die Reaktion Brüssels auf diese EU-widrigen Maßnahmen sein.
Schädlich für die Zukunft Europas dürfte neben den fehlenden einheitlichen Entscheidungen und der fehlenden Sozialunion auch der Verzicht auf einen gemeinsamen Finanzausgleich werden. Diesen Ausgleich, der in Deutschland Verfassungsrang erreicht hat (und den es im übrigen auch zwischen den Bundesstaaten der USA gibt), hat bei auffällig unterschiedlichen Lebensverhältnissen eine nicht zu unterschätzende politische Befriedungsfunktion. In der EU bildet man sich hingegen ein, es ginge auch ohne sozialen Ausgleich. Diesen bislang fehlenden finanziellen Konsequenzen haben es die Parteien in Deutschland zu verdanken, daß es trotz einer 70-Prozent-Mehrheit gegen den Euro noch nicht zu Demonstrationen gekommen ist.
Mit der Einführung des Euro hat die Salami-Taktik der EU auf dem Weg zu einem Verfassungsstaat Europa eine relativ große Scheibe bewältigt. Da die Entstaatlichung der Nationen und damit die Staatlichkeit der EU nur durch ein Verfassungsreferendum der beteiligten Völker erreichbar ist (und dieses keinerlei Aussicht auf Erfolg hat), ist dieser Weg der schleichenden Entstaatlichung der einzig gangbare. Sein Ende wird er in der sozialen Frage finden. Mit der Europäischen Grundrechtscharta versucht die EU bereits dem Bundesverfassungsgericht viele Entscheidungen aus der Hand zu nehmen. In Koblenz bezeichnete Schachtschneider diese Grundrechtscharta unter Hinweis auf die fehlende Eigentumsgarantie und das fehlende uneingeschränkte Recht auf Leben am Anfang und Ende als „den schäbigsten Verfassungstext der Welt“.
Dänemark und Großbritannien waren dementsprechend auch nur bereit dazu, den Text als Deklaration und nicht als verbindliche Charta zu sehen. Dagegen will der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Charta zur Grundlage seiner künftigen Arbeit machen. Am EuGH wird der Text bereits als die „Verfassung Europas“ bezeichnet. Damit wandelt sich das Gericht - ohne demokratisch legitimiert zu sein - zum Motor der europäischen Integration. War er bisher nur für Streitigkeiten zwischen Staaten der EU zuständig, kommt ihm mittlerweile die Funktion eines Verfassungsgerichts zu. Zu Recht verweist Schachtschneider auf die Tatsache, daß ein oberster Gerichtshof in einem Bundesstaat tendenziell in einen Einheitsstaat mündet. Auch die Entföderalisierung Deutschlands wird in erster Linie durch das Bundesverfassungsgericht begünstigt. Euro und EuGH sind demnach für die Befürworter eines europäischen Zentralstaates die Hebel zum Brüsseler Einheitsstaat Andreas Schneider
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