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Ich erzähle nunmehr die Geschichte des Zarathustra. Die Grundkonzeption des Werks, der Ewige-Wiederkunfts-Gedanke, diese höchste Formel de Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann, gehört in den August des Jahres 1881: e ist auf ein Blatt hingeworfen, mit der Unterschrift: ,6.000 Fuß jenseits von Mensch un Zeit. Ich ging an jenem Tag am See von Silvaplana durch die Wälder; bei eine mächtigen pyramidal aufgetürmten Block unweit Surlei machte ich halt. Da kam mir diese Gedanke."
So berichtet der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche selbst rückblickend in "Ecce homo" von den Umständen, die ihn zu seiner wohl bedeutendste philosophischen Erkenntnis geführt hatten: die Idee von der Ewigen Wiederkehr de Gleichen. Zwei Jahre später ließ er die fiktive Gestalt des Wanderpredigers Zarathustr diese Lehre verkünden, eng verknüpft mit der Überzeugung: "Der Übermensch ist de Sinn der Erde!" Im Kontext der generell von Nietzsche geforderten "Umwertun aller Werte" waren dies fortan zentrale Inhalte seiner späten Philosophie.
Während Nietzsche 1881 seinen berühmten Lichtblick in seinem bevorzugte Sommerdomizil Sils-Maria erlebte, war er noch mit den letzten Abschnitten de "Fröhlichen Wissenschaft" befaßt. Einen engen Zusammenhang zwischen ihr un dem "Zarathustra" stellt der "tolle Mensch" her, den Nietzsche au einem Marktplatz verzweifelt Gott suchen läßt: "Gibt es noch ein Oben und ei Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts? Gott ist tot! Gott bleibt tot Und wir haben ihn getötet!" Nahezu folgerichtig kombiniert er daraufhin: "Is nicht diese Tat zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nu ihrer würdig zu erscheinen?" In dieser berühmten Szene der "Fröhliche Wissenschaft" war er bereits geboren, der Übermensch. Zarathustra wird dann späte lehren: "Gott ist tot. Es ist nötig, daß der Mensch das Nichts über sich ausfüll und zum Übermenschen wird."
Mit der Vision am See von Silvaplana erfolgte eine Zäsur in Nietzsches Philosophie. I gewissem Sinne kann man davon sprechen, daß vorher, von den "Unzeitgemäße Betrachtungen" bis zur "Fröhlichen Wissenschaft", die Auseinandersetzun mit der Gegenwart im Mittelpunkt stand, während nun ein Zukunftsausblick, ein Möglichkeit zur Überwindung des Bestehenden und Gestaltung des Kommenden angeboten wird Mit dem "Zarathustra", den Nietzsche in einem Brief an Peter Gast einma vergleichsweise bescheiden sein persönliches "Erbauungs- und Ermutigungsbuch" genannt hatte, war in der Tat ein neues Niveau in seiner Philosophie erreicht. Vielfac wird daher im "Zarathustra" der Höhepunkt von Nietzsches Schaffen gesehen, un obwohl dieses ungewöhnliche Buch auch seinen Ruhm begründete, darf dies nicht den Blic dafür verstellen, daß die nachfolgenden Schriften von "Jenseits von Gut un Böse" bis zum geplanten "Willen zur Macht" mehr waren als nur ein bloße Anhang dazu.
Mit einigem Recht hat Martin Heidegger in seiner Nietzsche-Vorlesung von 1940 de Willen zur Macht, den Nihilismus, die Ewige Wiederkunft des Gleichen, den Übermensche sowie die Gerechtigkeit die "fünf Grundworte der Metaphysik Nietzsches" genannt. In der Tat sind es bei näherer Betrachtung diese fünf Grundthemen, die mit de Waldspaziergang von Silvaplana seine Philosophie beherrschen. Wie sehr der Wille zur Mach gerade mit der "Umwertung aller Werte" zusammenhängt, belegt a einleuchtendsten der vom 17. März 1887 überlieferte Plan zum so nicht mehr entstandene Buch mit dem wegweisenden Titel "Der Wille zur Macht", dessen Untertite "Versuch einer Umwertung aller Werte" lauten sollte. Grundvoraussetzung war vo allem der neue, moderne Mensch, der freie Geist, der sich vom Alten gelöst hat "Unterschätzen wir uns nicht: wir selbst, wir freien Geister, sind bereits ein Umwertung aller Werte". Diese "freien Geister" sind bereits die "neue Wahrhaftigen", die neuen "Herren der Erde", sie entsprechen dem entworfene Konzept des Übermenschen.
Der Wille zur Macht ist für Nietzsche der "Grundcharakter des Seienden" schlechthin, somit nicht akzidentell, sondern als ewiger Naturtrieb dem Leben stet innewohnend. So kann Zarathustra auch sagen: "Wo ich Lebendiges fand, da fand ic Wille zur Macht." Nietzsches Wille zur Macht ist nicht von Gefühl und Verstand ode der jeweiligen Situation abhängig, sondern muß vielmehr psychologisch verstanden werden Entsprechend beschrieb Nietzsche die Psychologie im "Jenseits von Gut und Böse" auch als "Morphologie und Entwicklungslehre des Willens zur Macht" Willensäußerungen wie Affekt, Leidenschaft oder Gefühl sind dabei nur Formen de Willens zur Macht. Wo dieser Wille zur Macht fehlt, und dies erkannte er beispielsweise in seinen gegenwärtigen politischen Verhältnissen in Deutschland, sieht Nietzsche nu Niedergang und Verfall letztlich die von ihm vielfach diagnostizierte Dekadenz.
Der Wille zur Macht ist Ausdruck seiner geforderten dionysischen Bejahung zum Leben Nietzsches Beschreibung des Willens als allgegenwärtig und unabänderbar "lieber will noch der Mensch das Nichts wollen, als nichts wollen" erinnert unwiderruflich an Schopenhauers Willens-Metaphysik. Mit einigem Recht kann ma sicherlich auch Nietzsches Philosophie vom Willen zur Macht als Weiterführung de Schopenhauerschen Lehre vom allgegenwärtigen Lebenstrieb betrachten, wenngleich e wesentliche Unterschiede gibt und Nietzsche vor allem den Pessimismus und die Misanthropi des "Erziehers" relativ schnell überwand. Deutlich werden die Differenzen in der Kunstauffassung: während Schopenhauer in der Kunst, zumal der Musik, die berühmt "Objektivation des Willens" erkannte, sah Nietzsche in der Kunst die "durchsichtigste und bekannteste Gestalt" des Willens zur Macht. Kunst war fü ihn "Macht und Nichts außerdem!" Auch hatte Schopenhauer die Ansich vertreten, der Wille könne in Form der Askese überwunden werden. Hinter dem asketische Ideal des Priestertums entlarvte Nietzsche jedoch in seiner Streitschrift "Zu Genealogie der Moral" 1886 ebenso nichts anderes als den ewigen Willen zur Macht.
Dieser Wille zur Macht als Grundcharakter alles Seienden war so für ihn auc Grundprinzip alles Werdenden. Er ist in seiner Ausprägung Werte setzend zur Erhaltung un Repräsentation. Diese Werte in Ethik, Wissenschaften, Kunst, Religion, Politik etc. sin somit nur Ausdruck des Willens zur Macht." Woran mißt sich objektiv der Wert? Allei in dem Quantum gesteigerter und organisierter Macht". Daß Nietzsche so pathetisc immer wieder die "Umwertung aller Werte" forderte, zeigt unmißverständlich welch eine hohe Bedeutung er den Werten zugestand.
Der neue Wille zur Macht, den Nietzsche jenseits des Bestehenden und "Jenseits vo Gut und Böse" verlangte, mußte notwendigerweise auch als Ausdruck seiner selbs neue Werte setzen. Die Grundvoraussetzung hierfür mußte noch vor der Umwertung die Vernichtung aller bisherigen Werte sein: der Nihilismus. Der Nihilismus in Nietzsches Sin meint die Verneinung des Bestehenden, zugleich aber auch die Bejahung des Kommenden. E verstand den Nihilismus somit durchaus als schöpferisch und produktiv und benutzte ihn in Grunde nur als Mittel, die alten Werte schneller entwerten zu können. Wie ernst es ihm in dieser Hinsicht war, geht allein schon aus der Tatsache hervor, daß der geplante erst Teil des "Willens zur Macht" mit "Europäischer Nihilismus" überschrieben werden sollte. Er verstand den Nihilismus als "radikale Ablehnung vo Wert, Sinn, Wünschbarkeit", wodurch er als "Zeugung einer wahrhaften Welt eines Seins" sogar eine "göttliche Denkweise" sein könnte. In diese Zusammenhang begriff sich Nietzsche auch selbst als den "ersten vollkommene Nihilisten Europas". Ihm war dabei durchaus klar, daß er sich damit in zweifelhafte seiner Lebensbejahung diametral entgegengesetzten Gesellschaft begeben konnte. Nihilismu war ihm daher zugleich auch der "unheimlichste aller Gäste", und obwohl ei "normaler Zustand" doch auch ein "pathologischer Zwischenzustand". Al die beiden großen nihilistischen Geistesbewegungen erschienen ihm der Buddhismus und da wenig geliebte Christentum. Und durchaus bedenklich im Sinne seiner Lehre klingt sein Definition eines Nihilisten: "Ein Nihilist ist ein Mensch, welcher von der Welt, wi sie ist, urteilt, sie sollte nicht sein, und von der Welt, wie sie sein sollte, urteilt sie existiert nicht."
Bei all dem darf nicht übersehen werden, daß sich Nietzsche nicht im herkömmliche Sinn als Nihilist einordnete; seine ambivalenten Äußerungen zu diesem Thema belege hinlänglich seine Schwierigkeiten mit diesem Begriff in der gewöhnlichen Bedeutung. E war kein Nihilist vom Zuschnitt eines Basarow in Turgenjews "Vater und Söhne" und entsprach auch nicht den Anarchismusvorstellungen eines Bakunin; eher ähnelte er de Gestalt des Stawrogin in Dostojewskis "Dämonen". Den 1881 verstorbene Dostojewski hatte er auch 1887 posthum als Artverwandten entdeckt.
Nihilismus als Geistesbewegung war mit der romantischen Bewegung gegen Ende de Aufklärung entstanden und beschrieb nach der einleuchtenden Formel Merciers in de "Néologie" von 1801 "un homme qui ne croit à rien" (ein Mensch, de an nichts glaubt). Er entsprach dem großen romantischen Weltschmerz, dem "mal d siècle", und der Enttäuschung über die Unveränderbarkeit der Welt und die vermutete Nicht-Existenz Gottes. Das Nichts wurde somit als einziger fester Bestandteil in einer sinnlos gewordenen Welt erkannt und kultiviert, wie dies in Deutschland a schärfsten in den 1804 anonym erschienen "Nachtwachen des Bonaventura" erfolgte. Sie waren eine deutliche literarische Emanzipierung von Jean Paul, der in seine "Vorschule der Ästhetik" noch gemäßigt vom poetischen Nihilismus gerede hatte, und schienen vielmehr Franz von Baaders Ahnung vom Nihilismus als größter Gefah des 19. Jahrhunderts eindringlich zu bestätigen. Dieser Art von Nihilismus entsprac Senancours "Oberman" ebenso wie Goyas Radierung aus der Reihe "Desastres d la Guerra", worin ein Toter ein Stück Papier mit der Aufschrift "Nada" de Betrachter entgegenhält. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts schlug diese romantische Nihilismus dann immer mehr in den politischen Anarchismus um.
Dieser ist jedoch nicht die Version des Nihilismus, die Nietzsche meint. Er unterschie zwei Arten: Erstens "Nihilismus als Zeichen der gefestigten Macht des Geistes: de aktive Nihilismus" und zweitens "Nihilismus als Niedergang und Rückzug de Macht des Geistes: der passive Nihilismus". Mit dieser Definition unterschie Nietzsche seinen Nihilismus, den aktiven, der aus dem Pessimismus der Stärke erwächst von jenem, der nur Niedergang ohne Lebensbejahung sieht. Nihilismus, wie Nietzsche ih verstand, ist die nötige Denkhaltung für den Willen zur Macht und die "Umwertun aller Werte"; nur durch ein radikales Entwerten aller Werte war für ihn ei Überwinden des Bestehenden möglich.
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Im zweiten Teil: Der "Große Mittag" und die Ewige Wiederkunft des Gleichen der Übermensch und Nietzsches "Übermorgen"
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