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Dumm und korrupt

 
     
 
Der Arbeitstitel von Albrecht Müllers Buch lautete ursprünglich: "Dumm oder korrupt?" Keine schlechte Frage - möchte man meinen - führt man sich Entwicklung und Zustand der Republik vor Augen. Dem Verlag schien dies dann doch zu frech. Und zu gewagt. Warum eigentlich? Angesichts der Situation in diesem unserem Lande hätte man ein wenig umformulieren müssen: "Dumm und korrupt?" Lautete das Ziel unseres gaspromoteten jüngsten Altkanzlers nicht flott und schlicht: "Halbierung der Arbeitslosenzahlen
"? Sonst wollte er abgewählt werden. Das hat er nun ja auch geschafft - zumindest bezüglich der Abwahl. Mit hohem taktischem Sachverstand. Versteht sich. Kaum war er den alten Job los, wartete Polit-Kumpel Putin schon mit einem neuen.

Man kann nur zustimmen, wenn Müller, der einst Reden für Superminister Karl Schiller schrieb und zehn Jahre die Planungsabteilung des Kanzleramtes unter Willy Brandt und Helmut Schmidt leitete, behauptet: "In keinem Land ist der makroökonomische Sachverstand so gering wie bei uns." Der Autor beklagt die ideologische Wende seit Anfang der 70er Jahre. "Deutschland war in den letzten 30 Jahren zwar immer Stabilitätsweltmeister, aber bei den realwirtschaftlichen Zielen Wachstum und Beschäftigung haben wir es im internationalen Vergleich nur zu höchst bescheidenen Ergebnissen gebracht." Das kann man in der Tat nicht leugnen. An Hand ausführlicher Tabellen stellt der Autor Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts und die Entwicklung der Arbeitslosenrate von 1965 bis 2005 im Vergleich mit den USA und der Euro-Zone vor. Deutschland schneidet dabei höchst bescheiden ab.

Müller stellt die Frage, ob "Deutsche Bank"-Chef Ackermann so viel mehr schafft als sein unterster Mitarbeiter? "Wenn es oben nicht mit rechten Dingen zugeht, warum sollten sich dann alle anderen nach den ,überkommenen moralischen Spielregeln richten?" Für Müller einer der Gründe für eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft. Dramatisch gestiegenen Managergehältern steht der Abstieg von immer mehr Menschen auf Arbeitslosengeld-II-Niveau gegenüber. Gefahren für die Demokratie erwachsen für den ehemaligen Bundestagsabgeordneten daraus, daß Teile der Gesellschaft die Rolle "wirtschaftspolitischer Versuchskaninchen" spielen müssen.

"Wie ehedem der Kommunismus so unterwirft der Neoliberalismus die Menschen dem Zwang, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen, anstatt die Gegebenheiten nach den Bedürfnissen der Menschen zu gestalten." Darin sieht Müller "im Kern keine liberale, sondern eine feudale Bewegung". Eine von vielen höchst eigenwillig begründeten Wertungen Müllers. Anregungen zu vertieftem Nachdenken.

Müller geißelt Meinungsmanipulation durch die Macht über die Medien. Behauptet, Korruption setze bei den Eliten an, nicht beim Volk - "denn es wäre viel zu teuer und würde sich nicht lohnen, wollte man das ganze Volk korrumpieren". Beklagt die Verschleuderung des gemeinsam Geschaffenen durch korrupte Eliten. Wirft einen durchaus überraschenden Blick auf die Alterspyramide. Insbesondere in deren "klassischer (Drei-

ecks-)Form". "Reibungslose Interessenverflechtungen" sieht Müller bei Gert Haller, dem neuen Chef des Bundespräsidialamtes - ohne Gehalt. Bisher Chef des Finanzkonzerns "Wüstenrot". Der sponsort - über Hallers Pension - nun ein hohes Amt im Staate. Auf seinen Nachdenkseiten liest man dazu: "Nur weiter so. Bald stellen ,DaimlerChrysler oder ,E.on die Staatssekretäre im Wirtschaftsministerium, ,Siemens vielleicht den Chef des Kanzleramtes oder der BDI ordnet kostenfrei die Amtschefs für das Sozialministerium ab. Das spart Geld - dem Staat und natürlich auch den Konzernen ..." Schöne neue Welt? Man muß nicht jedem Gedanken folgen, um "Machtwahn" interessant und überaus bemerkens- und lesenswert zu finden.

Albrecht Müller: "Machtwahn - Wie eine mittelmäßige Führungsschicht uns zugrunde richtet", Droemer, München 2006, geb., 363 Seiten, 19,90 Euro, 5577
 
     
     
 
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