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Am 1. Juli hat Dänemark für sechs Monate den EU-Vorsitz übernommen und damit Spanien abgelöst. Nachfolger von Däne-mark wird Griechenland sein. An sich war der spanische Vorsitz nicht so erfolgreich, besonders im Hinblick auf den internationalen Kampf gegen den Terrorismus. Da ist nicht erstaunlich, daß nach den Mitteilungen des dänischen Außenministeriums vieles, was auf der Tagesordnung unter Spanien stand, weiter überarbeitet werden soll. Der einzige positive Punkt nach Meinung der Brüsseler EU-Behörden ist, daß die Verhandlungen zur Osterweiterung weit vorangeschritten sind.
Die Osterweiterung wurde 1993 ebenfalls unter dänischem EU-Vorsitz beschlossen, in einer Zeit, als Helmut Kohl noch Bundeskanzler und Francois Mitterrand Frankreichs Staatschef waren. In London amtierten die Konservativen, so daß alles in allem die drei wichtigsten Staaten der europäischen Union, möglicherweise aus ganz verschiedenen Gründen, jeweils das gesamteuropäische Vorhaben der Osterweiterung billigten.
Aus dänischer Quelle heißt es, der Erweiterungsvertrag werde Ende dieses Jahres unter Dach und Fach sein. Vorgesehen sei, daß ihn alle Beitrittskandidaten - außer Rumänien und Bulgarien - beim EU-Gipfel Mitte Dezember in Kopenhagen werden unterzeichnen können. Nach Ansicht eines Diplomaten des Königreichs Dänemark muß jetzt verhindert werden, daß Unstimmigkeiten über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik den erfolgreichen Abschluß der Beitrittsverhandlungen beeinträchtigen.
In dieser Hinsicht ist es bemerkenswert, daß das dänische Positionspapier, das den Medien im Vorfeld des dänischen EU-Vorsitzes übergeben wurde, oft die Entscheidungsbefugnisse der EU-Kommission erwähnt, aber selten die Ermächtigung des Ministerrates, selbständig Entscheidungen zu treffen, hervorhebt. Somit dürfte das "dänische Halbjahr" die Bedeutung der Brüsseler Kommission und die des Europäischen Parlaments bewerten.
In der gegenwärtigen Debatte zwischen Föderalismus und europäischem Staatenbund sieht es aus, als wünschten sich die weniger bedeutenden Staaten Europas, daß in Brüssel ein Gegengewicht zu den großen Staaten des Kontinents besteht. Die Kälte der derzeitigen Beziehungen zwischen Berlin und Paris ist dadurch zu erklären, daß die deutsche Diplomatie eher auf das Gewicht des europäischen Parlaments im künftigen Europagefüge besteht, während Paris seine diplomatischen Anstrengungen auf die Eigenständigkeit der Staaten setzen möchte.
Die Tatsache, daß ein Franzose, der Altstaatspräsident Valéry Gis-card d Estaing, dem Konvent, der der EU Reformvorschläge unterbreiten soll, vorsteht und daß Paris und London sich für die Schaffung der Stelle eines europäischen Präsidenten einsetzen könnten, wäre als besorgniserregend in Berlin und den kleineren Staaten zu betrachten. Sie wollen - wie das Positionspapier des dänischen Außenministeriums vermuten läßt - vermeiden, daß die jeweiligen Rollen des Parlaments und der Kommission herabgestuft werden.
Vor dem Kopenhagener Gipfel Mitte Dezember und einem Sondergipfel Ende Oktober in Brüssel werden die Bundestagswahlen am 22. September und ein möglicher Regierungswechsel in Deutschland Einfluß auf die politische Entwicklung nehmen. Während in Frankreich das bestätigte Staatsoberhaupt Jacques Chirac schon signalisiert hat, er wolle nicht eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik angehen, wird für einen erfolgreichen dänischen EU-Vorsitz viel davon abhängen, wie die deutsche Regierung nach dem 22. September gegenüber dem französischen Ansinnen Position beziehen wird. Auf jeden Fall erscheint es dem Beobachter als waghalsig, die Beitrittsverhandlungen so rasch abzuschließen, bevor Klarheit über das künftige europäische Wesen herrsch |
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