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Nach Ansicht des in Paris erscheinenden Wochenmagazins "Jeune Afrique" (Junges Afrika) werden die afrikanischen Länder und die des Nahen Ostens wirtschaftlich von der Ost-Erweiterung der Europäischen Union bedroht. Und das besonders, weil die europäischen Unternehmer und Investoren es bereits vorzögen, in den Reformländern ihre Waren herstellen zu lassen, statt weiter die Arbeitskräft e aus den Südländern zu nutzen. Die Bruttolöhne in der Industrie seien dort nämlich niedriger: Zum Beispiel betrage der durchschnittliche Bruttolohn in Tunesien 264 US-Dollar pro Monat und 195 in der Tschechischen Republik.
Das Magazin berichtet in einem ausführlichen Artikel über das soeben erschienene Buch von Prof. Dr. Didier Doucet, der in der Ost-Erweiterung der EU ein Risiko für den Süden voraussieht. Dieses Risiko betrifft vor allem die südlich der Sahara gelegenen Länder. Ende der siebziger Jahre betrug der Anteil der Weltinvestitionen in dieser Region noch 5,9 Prozent; 1995 waren es gerade 2,4 Prozent. Die Tatsache, daß die fünfzehn derzeitigen Mitglieder der EU unter der Leitung der Brüsseler Kommission beschlossen haben, 40 Milliarden Euro in die Beitrittskandidaten bis 2006 zu investieren, ist laut Didier Doucets besorgniserregend für die Nord-
Süd-Zusammenarbeit.
Im Bereich des Außenhandels schätzt "Jeune Afrique", daß die Wirtschaftspolitik der EU die afrikanischen Länder stark benachteiligt. In der Textilbranche etwa seien die Ausfuhren aus Tunesien und Marokko nach Europa zwischen 22 und 40 Prozent geschrumpft. Zudem meint das Blatt, Arbeitskräfte aus Osteuropa würden als Zuwanderer den aus Afrika stammenden vorgezogen.
Obgleich zahlreiche südliche Länder mit der EU durch Abkommen - unter anderem Freihandelsverträge - verbunden seien, bemerkt ein Bericht der Wirtschaftsorganisation OECD, hätten die afrikanischen Staaten große Mühe, sich den Gesetzen des Freihandels anzupassen. Um wettbewerbsfähig zu werden bzw. zu bleiben, müßten die Länder sich in Freihandelszonen zusammenschließen. Sie könnten unter solchen Umständen günstiger mit Brüssel verhandeln.
Gegenwärtig spricht man allein von einer Freihandelszone zwischen Marokko, Tunesien, Ägypten und Jordanien, wie in Agadir im Mai 2001 vereinbart. Die übrigen Länder bleiben von hohen Zöllen (bis zu 15 Prozent) geschützt und umgeben, wenn auch Algerien ein Assoziierungsabkommen mit der EU unlängst unterzeichnet hat.
Mit der Ost-Erweiterung der EU konfrontiert, scheint der schwarze Kontinent seinerseits mehr Gewicht auf die Politik als auf die Wirtschaft setzen zu wollen. Die afrikanischen Staaten, die in der Organisation für die afrikanische Einheit mit Sitz in Addis-Abeba bereits zusammenarbeiteten, wollen jetzt eine andere Gemeinschaft aufbauen: die Afrikanische Union.
Fraglich ist allerdings, ob dieser Zusammenschluß wirklich funktionsfähig sein wird. Mit einem Jahresetat von 34 Millionen Euro ausgestattet, soll der Vertrag, der diese Afrikanische Union begründet hat, siebzehn Entscheidungsgremien vorsehen. Am 10. Juli soll diese Union nach dem Muster der Europäischen Union im südafrikanischen Durban das Licht der Weltöffentlichkeit erblicken. Nach Presseberichten fehlt jedoch derzeit noch das Geld, um das Gebilde zum Leben zu erwecken.
Um über die notwendigen Mittel zu verfügen, will der von der Elfenbeinküste stammende Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit um Beiträge von den G-7-Mitgliedern bitten. Zur Zeit hat allein Kanada einen geringen Betrag zur Verfügung gestellt; die anderen G-7-Staaten, wie besonders Frankreich und die USA, haben nichts versprochen. Demgemäß dürfte Afrika noch lange von Geldsorgen geplagt bleiben, während Europa sich wirtschaftlich inniger verein |
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