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Laut Friederike Bauer, Autorin von "Kofi Annan - Ein Leben", entspricht der Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan dem "Idealbild des Weltbürgers". Annan könne integrieren, denke rational, habe Mitgefühl und Charisma, symbolisiere den Typus des "Gutmenschen", so Bauer.
1938 in Ghana geboren, damals eine englische Kolonie, wuchs Annan in der westlich geprägten Oberschicht des Landes auf. In Ghana lernte er die "afrikanische Kunst", Probleme durch geduldige Aussprache zu lösen.
Da sein Vater als Exportmanager arbeitete, wechselte er häufig Wohnorte und Schulen. Dies habe ihn "flexibel und wendig, geschmeidig und anpassungsbereit" gemacht. Annan besuchte ein Privilegierteninternat, studierte Wirtschaft in der Schweiz und den USA, wo er im "Cosmopolitan Club" die Standpunkte der Dritten Welt vertrat. Besonders hätten ihm die Themen "Gerechtigkeit, Ausgleich zwischen Arm und Reich, Völkerverständigung" am Herzen gelegen.
Hinter dieser polierten Fassade ist der Mensch Annan oft schwer zu erkennen. Die Autorin verarbeitete Interviews, die sie mit Annan führte. Auch Leute, die ihm nahe stehen, befragte sie. Es fehlen unabhängige Quellen, die womöglich auch gar nicht zur Verfügung standen.
Annan interessierte mehr die Praxis als akademische Theorie. 1962 erhielt er bei der UN eine Stelle und arbeitete mehrere Jahre als Verwaltungs- und Finanzberater in verschiedenen Ländern. Nach einer Phase beruflicher Desorientierung avancierte Annan 1987 zum beigeordneten Generalsekretär in New York; seit Anfang der 90er Jahre leitete er die "Friedensoperationen" der UN.
Dabei scheiterte Annan völlig; kein Massaker in Ruanda und Bosnien konnte er verhindern. Die schwachen Uno-Truppen intervenierten nicht, und Annan gestand öffentlich, versagt zu haben. Trotz dieses Debakels blieb Annans Image wegen seines zählebigen Charismas unbeschädigt. 1996 übernahm er das Amt des UN-Generalsekretärs, unterstützt von der Washingtoner Diplomatie, die ihn für "amerikanisiert" hielt.
Obwohl er fünf Jahre später den Friedensnobelpreis erhielt, spiegelt er die Handlungsschwäche der UN wider. Manche werfen Annan vor, daß er nur der "Macht der Worte" traue und Öffentlichkeitsarbeit betreibe, statt Sachthemen zu bearbeiten. Der "sanftmütige" Annan bevorzuge "direkten Umgang mit Menschen". Als klassischer Vertreter der "Gutmenschen" entschärfe er Gegensätze, meide daher Kampf und Kritik. Er sei ein liberaler Progressiver und "enorm ausgeglichen".
Bauer stellt nicht die Frage, ob die Schwerfälligkeit der Uno mit Annans "Harmoniebedürfnis" korreliert und er die Krisen der Welt eher verstärkt oder abschwächt. Weder seine Kampagne gegen korrupte Regime in Afrika noch die Schelte am globalen Kapitalismus zeitigten sichtbare Folgen.
Annan, der nur "gerechte" Kriege bejahe, die der Wahrung der Menschenrechte dienen, attackierte während der Irakkrise die USA nicht.
Bisher vollbrachte der UN-Generalsekretär keine "herausragenden Leistungen" und stehe für "weiche" Themen: Menschenrechte, Armut, Entwicklung, Gleichberechtigung der Frau. Erst allmählich gewinne Annan die Erkenntnis, daß Friedenspolitik bisweilen robuste Mittel anwenden müsse.
Diese Biographie enthüllt vor allem den desolaten Charakter der UN. Offenbar schwankt Annan genauso im Sturmwind unserer Zeit wie die Organisation, die er repräsentiert. Rolf Helfert
Friederike Bauer: "Kofi Annan - Ein Leben", S. Fischer, Frankfurt/Main 2005, 350 Seiten, 19,90 Euro |
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